
Das Generationsintervall ist in der Tierzucht der wichtigste Hebel, um Zuchtfortschritt zu verwirklichen. Doch Erstlingskühe allein machen Milchproduktion noch lange nicht wirtschaftlich. Mit ein Grund, warum Österreich bereits seit drei Jahrzehnten eine Zuchtwertschätzung für Nutzungsdauer durchführt. Beim diesjährigen Rinderzucht- Austria-Seminar Mitte März in Salzburg wurde Bilanz über 30 Jahre züchterische Bearbeitung der relevanten Merkmale gezogen. Erstmals seit der Jahrtausendwende liegt die Nutzungsdauer heimischer Kontrollkühe wieder knapp über vier Jahren und ist somit seit 2005 um 160 Tage gestiegen, trotz zunehmender Milchleistung. Im globalen Vergleich muss sich Österreich damit nicht verstecken. So schaffen beispielsweise Kühe in den USA im Schnitt nur 2,8 Laktationen, in Großbritannien 3,6.
Österreich war 1995 das erste Land der Welt, das eine Zuchtwertschätzung für die funktionale Nutzungsdauer einführte und in den Gesamtzuchtwerten (GZW) nach Rassen unterschiedlich gewichtet. Bei Fleckvieh fließt sie derzeit mit zehn Prozent ein, bei Holstein mit 27 Prozent, die anderen Rassen liegen dazwischen. Den Daten der ZuchtData zufolge erreichen Rinder, die als Erstlingskühe einen deutlich überdurchschnittlichen Nutzungsdauer- ZW aufwiesen, im Schnitt eine eineinhalb Jahre längere Leistungsperiode.
Züchten und zugleich lange nutzen?
In der praktischen Zuchtarbeit zeigt die Tendenz spätestens seit Beginn der Genomik-Ära jedoch in eine andere Richtung. „Züchterisch stehen die Listenführer bei den genomischen Jungvererbern sowie hochtypisierte Kalbinnen im Fokus“, weiß Hermann Schwarzenbacher aus dem Team Zuchtwertschätzung der Rinderzucht Austria. Demnach hat sich das Generationsintervall seit Einführung der genomischen Selektion bei den so bearbeiteten Rassen nahezu halbiert. Laut Schwarzenbacher zeigt sich das auch im direkten Vergleich der Top-100-Fleckviehzüchter im Land mit durchschnittlichen Fleckviehbetrieben. Bei ersteren laufen im Schnitt um vier Prozent mehr Erstlingskühe, die durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt lediglich 2,6 Jahre, gut ein halbes Jahr weniger als in den übrigen Kontrollbetrieben. Dieses Manko werde aber durch eine um 36 Prozent höhere Herdenleistung (10.500 kg) mehr als ausgeglichen. Die Lebensleistungen liegen mit 40.700 Kilogramm letztlich sogar um mehr als ein Viertel höher als im Rassenschnitt.
Geschlechtsreife als biologische Grenze
Schwarzenbacher warnt dennoch, dass die Strategie, über Milchleistung und Generationsintervall geringere Nutzungszeiten zu kompensieren, bald an ihre Grenzen stößt: „Das Generationsintervall in der Hochzucht liegt bereits nahe am biologischen Limit, das durch die Geschlechtsreife bestimmt wird.“ Dann könne nur noch durch biotechnologische Verfahren, etwa durch „Ovum Pick up“ (Entnahme von Eizellen nach Stimulierung ab einem Lebensalter von sechs Monaten), gegengesteuert werden. Insofern wundere es wenig, dass bei Spitzenzüchtern wie in Produktionsbetrieben „langlebige Kühe unverändert eine zentrale Rolle spielen“.
Aufzucht als zweitgrößter Kostenfaktor
Das hat vor allem betriebswirtschaftliche Gründe, wie Marco Horn, Referatsleiter Milchwirtschaft der LK Niederösterreich, weiß. Die Vollkosten eines „erhöhten Bedarfs an weiblicher Nachzucht“ mangels ausreichend langer Nutzungsdauer haben es demnach in sich, wie Betriebszweigauswertungen zeigen. Gut 600 Euro pro Kuh und Jahr kostet die hofeigene Bestandsergänzung – im Mittel der zweitgrößte Kostenfaktor nach dem Kraftfutterzukauf. Vielen Milchviehhaltern sei dies mangels ausreichender Aufzeichnungen gar nicht bewusst. „Gelingt es am Betrieb, die durchschnittliche Nutzungsdauer von drei auf fünf Laktationen zu steigern, sinken die Bestandsergänzungskosten von 717 auf 430 Euro pro Kuh und Jahr“, so Horn.
Horn: „Gelingt es am Betrieb, die Nutzungsdauer von drei auf fünf Laktationen zu steigern, sinken die Bestandsergänzungskosten von 717 auf 430 Euro pro Kuh und Jahr.“
Aber auch andere Kennzahlen im Management beeinflussen die Nutzungsdauer und damit die Wirtschaftlichkeit. Der LK-Experte nennt hier die Lebensleistung von Schlachtund Verlustkühen (auch pro Lebenstag) sowie den Anteil an Kühen mit zumindest fünf Abkalbungen. Bewusste Investitionen in die Vorbeugung von tiergesundheitlichen Problemen machen sich hier bezahlt, wie Ergebnisse des Beratungsprojektes „Transitkuhmanagement“ belegen. Aus ökonomischer Sicht gelte es, den Anteil „unfreiwilliger Bestandsergänzungen“ auf unter ein Viertel im Dreijahresschnitt zu drosseln. Besonders viel Aufmerksamkeit braucht hier die Transitphase rund um die Abkalbung. Stellschrauben sind die Kontrolle der Eutergesundheit beim Trockenstellen, routinemäßige Klauenpflege, aber auch einfache Mittel wie der Einsatz eines Frischkalbetrunks. Selbst bauliche Investitionen rechnen sich: So steigert eine Kalbung in einer Abkalbebox die Lebensleistung um mehr als zehn Prozent. Trogtränken erhöhen sie um acht Prozent.
Der Tagungsband der Rinderzucht Austria steht hier zum Download bereit.
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