Wetterextreme: Risiken werden vielfältiger

Schäden in Millionenhöhe durch Dürre, Hochwasser, Frost oder Hagel sind keine Seltenheit mehr. Ob die Zunahme dieser Extremereignisse begründbar oder nur ein subjektives Gefühl ist, klären die Klimaexperten Holger Starke und Alexander Orlik

Das Wetter genau zu beobachten - das wird laut Klimaexperten heuer das Wichtigste sein. ©agrarfoto.com
Das Wetter genau zu beobachten – das wird laut Klimaexperten heuer das Wichtigste sein. ©agrarfoto.com
Gewitter hat es auch schon vor dem Klimawandel gegeben. Allerdings scheint es, dass ext-reme Wettersituationen wie Stürme, Starkregen, Dürre oder Hagel vermehrt auftreten und die Auswirkungen und Schäden heutzutage verheerender sind. Auch der fortschreitende Klimawandel mit vor allem menschengemachten Ursachen kann heute nicht mehr geleugnet werden. Sind verstärkte Wetterextreme also wirklich ein Phänomen unserer Zeit oder handelt es sich nur um eine subjektive Wahrnehmung?

Jahrhunderthochwasser, die keine mehr sind

Leiter der Abteilung für Meteorologie und Klimatologie der Österreichischen Hagelversicherung, Holger Starke:
Leiter der Abteilung für Meteorologie und Klimatologie der Österreichischen Hagelversicherung, Holger Starke: “Die Schäden in der Landwirtschaft nehmen zu.” ©BZ/Zitz
Der Leiter der Abteilung für Meteorologie und Klimatologie der Österreichischen Hagelversicherung, Holger Starke, antwortet auf diese Frage: “Es ist tatsächlich so, dass die Schäden in der Landwirtschaft durch extreme Wetterereignisse zunehmen.” Man habe dies heuer bereits gesehen. Der große Frost im April brachte für die betroffenen Bauern Schäden in Millionenhöhe. Im vergangenen Jahr war es die massive Dürre im Juli und August, die die Bauern in Bedrängnis und teilweise sogar in Existenznöte brachte. Im Jahr davor suchte Österreich ein Hochwasser im Juni heim, mit darauffolgender Dürreperiode. “Allein in den vergangenen 20 Jahren hatten wir fünf oder sechs Jahrhunderthochwasser. Damit handelt es sich per Definition gar nicht mehr um Jahrhundertereignisse”, macht Starke auf die Veränderungen aufmerksam.

Dürreperioden könnten häufiger werden

Erst vor wenigen Tagen waren die Steiermark und das Burgenland von Hagel und Starkniederschlägen betoffen. ©ÖHV
Erst vor wenigen Tagen waren die Steiermark und das Burgenland von Hagel und Starkniederschlägen betoffen. ©ÖHV
Meteorologe Alexander Orlik von der Fachabteilung Klima der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) weist ebenso auf die Veränderung hin, gibt aber auch zu bedenken, dass Extremereignisse schon vor dem Klimawandel auftraten und möglicherweise heutzutage anders wahrgenommen werden als noch vor Jahrzehnten. Manche Elemente ließen sich aber objektiv gut untersuchen. Dazu gehören beispielsweise die Temperaturanstiege. Die ZAMG-Abteilung für Klimaforschung veröffentlichte im vergangenen September eine Studie über die mögliche Entwicklung von extremer Trockenheit in den nächsten Jahrzehnten im Alpenraum. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem die Sommermonate im gesamten Alpenraum deutlich mehr Dürreperioden bringen könnten (siehe Kasten).

Den Alpenraum trifft der Klimawandel stärker

Seit 2015 kann Grünland bei der Österreichischen Hagelversicherung gegen Dürre versichert werden. ©Agrarfoto.com
Seit 2015 kann Grünland bei der Österreichischen Hagelversicherung gegen Dürre versichert werden. ©Agrarfoto.com
Zu kurzfristigen Ereignissen, wie etwa die Veränderung von Gewittern durch den Klimawandel, gäbe es hingegen noch keine gesicherten Studien, so Orlik. Fest steht jedoch: Im Alpenraum ändert sich das Klima stärker als im globalen Mittel. Das ist eines der Ergebnisse des Sachstandsberichts zum Klimawandel in Österreich (Apcc). Dieser wurde im September 2014 veröffentlicht und ist an den internationalen Klimabericht Ipcc angelehnt. Das bedeutet für Österreich, dass es allgemein wärmer wird und sich die Niederschläge vom Sommer in den Winter verlagern. “Alle Klimaprojektionen gehen in diese Richtung weiter, dass die Sommer heißer und trockener werden und die Winter wärmer und feuchter”, erklärt Starke.

Warum stabile Wetterlagen schlecht sind

Das trifft natürlich die Bauern am meisten. Die Tendenz gehe nämlich dahin, dass häufiger stabile Wetterlagen auftreten, begründet Starke. Das bedeute konkret: “Wenn sich ein starkes Hochdruckgebiet entwickelt, bleibt es auch länger bestehen.” Umgekehrt natürlich genauso: “Wenn eine stabile Wetterlage eintrifft, die nass ist, dann regnet es eben auch viel in kurzer Zeit. So war der heurige Juni im Westen Österreichs der nasseste seit Aufzeichnungsbeginn.” Hochwasser und Ausuferungen werden dadurch zu einem höheren Risiko. Dabei spiele auch die zunehmende Verbauung der Ausuferungsflächen eine Rolle, die die ganze Situation verschlimmere, weil die Flussgeschwindigkeiten dadurch höher würden, so Starke.
In den vergangenen Jahren habe man gesehen, dass oft eine weit ausgreifende stabile Wetterlage dominiert, “und das ist immer schlecht, egal, ob Kälte, Feuchtigkeit oder Dürre”. In diesem Jahr herrscht hingegen eine wechselhafte Wetterlage vor. Durch den Wechsel zwischen warmen und kalten Temperaturen werde es aber immer wieder stark hageln können, so der Meteorologe.
Laut Orlik gilt zusammengefasst für Österreich: Die Trockenperioden, die ihren Höhepunkt im Sommer haben, haben in den vergangenen 150 Jahren leicht zugenommen. Diese leichte Zunahme sagt aber nichts über die Schwere der Trockenperiode aus. Extremereignisse sind aufgrund des seltenen Auftretens statistisch schwierig zu erfassen. Durch die Klimaerwärmung nehmen die Wetterextreme zu. Die Variabilität der Lufttemperatur hat in den vergangenen Jahrzehnten trotz der Temperaturzunahme aber nicht zugenommen. Das bedeutet, dass die Maxima und Minima etwa gleichmäßig gestiegen sind. Frostschäden sind in den Frühlingsmonaten durch den immer früher stattfindenden Vegetationsbeginn auch in Zukunft zu erwarten. Der vergangene April hat das sehr deutlich gemacht.

Die Risikovielfalt für die Landwirtschaft nimmt zu

All diese Ereignisse würden aber vor allem eines zeigen: Die Risikovielfalt für die Landwirtschaft nimmt zu. “Wir haben in den vergangenen Jahren gemerkt, dass Hagel nicht mehr das alleinige Risiko Nummer eins ist”, betont Starke. Dementsprechend werde es für Betriebe immer wichtiger, sich mit einer umfassenden Versicherung gegen die Risiken abzusichern. Für die anstehende Ernte in den kommenden Tagen rät Starke, das Wetter genau zu beobachten, auch Warndienste in Anspruch zu nehmen, um die trockenen Phasen bestmöglich ausnutzen zu können.
Die globale Großwetterlage deute laut Starke nämlich nicht daraufhin, dass sich große stabile Systeme bilden, die einen sonnigen, heißen, trockenen Restsommer bescheren würden. Das Wetter wird also weiterhin eher wechselhaft bleiben, mit Gewitter und Hagelrisiko, wenn sich die Wetterlage von warm auf kalt ändert. Das bedeutet, so der Rat der Experten: Wetter beobachten, informieren und Prognosen anschauen, um die Ernte entsprechend planen zu können.

Es wird wärmer: ZAMG-Studie zu Dürreperioden

Der Sommer 2015 brachte in Österreich und in weiten Teilen Mittel- und Südeuropas ungewöhnlich heißes und trockenes Wetter. In Österreich war es im Gebiet von Oberösterreich über Niederösterreich und Wien bis zum Nordburgenland sogar der trockenste Sommer seit dem Jahr 1911. Es regnete hier bis zu 43 Prozent weniger als in einem durchschnittlichen Sommer. Die Pflanzen reagierten stark auf die Trockenheit, mit Verfärbung der Blätter, vorzeitigem Blattverlust und zum Teil auch mit Absterben. Auswertungen von Satellitendaten zeigten, dass im vergangenen Sommer die Vegetation in einem Trockenstress stand, wie er sonst nur im südlichen Mittelmeerraum zu beobachten ist. Fasst man alle Ergebnisse zusammen, bedeutet das in konkreten Fakten: In den Alpen und ihren umliegenden Regionen steigt die Wahrscheinlichkeit für Dürre-Perioden an, je nachdem welches Emissions-Szenario an Treibhausgasen man annimmt. “Vereinfacht heißt das, bis zum Ende des Jahrhunderts könnte jeder vierte Monat im Vergleich zu heute ungewöhnlich trocken ausfallen”, sagt ZAMG-Klimaforscher und Studienautor Klaus Haslinger. Die gesamte Studie ist online unter www.zamg.ac.at frei zugänglich.

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