Geschuldet ist dieser Umstand unter anderem dem Wunsch, die eigene Zielgruppe wieder abzuholen, nachdem die eigentlich sehr passable Regierungsarbeit kaum gesehen, geschweige denn von der Bevölkerung mit Wählerstimmen honoriert wird, wie die vergangenen Urnengänge zeigen.

Aber zurück zum medial hochgespielten Problem, den Lebensmittelpreisen: Im Vergleich zum Vorjahr verteuerten sich im März Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke in Österreich im Schnitt nach HVPI-Berechnung um 14,6 Prozent, was vielen Haushalten und Menschen mit geringerem Einkommen verständlicherweise Kopfzerbrechen bereitet. In der Eurozone belief sich der Anstieg auf durchschnittlich knapp 18 Prozent und in Deutschland auf 22,9 Prozent. Die Steigerung bei den Preisen in Österreich ist im EU-Vergleich demnach unterdurchschnittlich, wie aus den Erhebungen hervorgeht. Hinzu kommt aber, dass bereits 2021/2022 die Preise gestiegen sind und dies noch hinzuzurechnen ist. 

Zum Vergleich: In Orbans Ungarn, das für seine Politik von bestimmten Kreisen rechts der politischen Mitte manchmal bestaunt wird, sind die Preise fürs Essen und Trinken binnen einem Jahr sogar um satte 45 Prozent in die Höhe geschnellt. Bauernbund-Präsident Georg Strasser hält die Debatte für etwas überzogen: „Führt man sich den EU-Vergleich vor Augen, bemerkt man, dass Österreich mit einer Preissteigerung bei Lebensmitteln am hinteren Ende liegt.“ Er setzt sich für stabile Preise im Regal, speziell aber bei den bäuerlichen Erzeugern ein.

Auch Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut kommentierte auf Twitter, dass Herr und Frau Österreicher laut Konsumerhebung weniger als zehn Prozent für Lebensmittel ausgeben. Nur in Irland und Luxemburg ist es noch weniger. 

Was man hätte machen können

Symptomlindernde Maßnahmen wie das temporäre Streichen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder ein kurzfristiges Aussetzen der Mehrwertsteuer auf bestimmte Produktgruppen wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte wurden im Zuge des Teuerungsgipfels am Montag vorgeschlagen. Finanzminister Magnus Brunner von der ÖVP erteilte diesen Vorschlägen mit dem Argument „wirkungslos“ prompt eine Absage.  Er führte aber das „französische Modell“ zur Dämpfung des Lebensmittelpreisanstiegs ins Treffen. In Frankreich haben sich nämlich Lebensmitteleinzelhändler und Regierung jüngst darauf geeinigt, dass Supermärkte freiwillig die Preise für bestimmte Lebensmittel für ein paar Monate „niedrig“ halten. Dagegen ausgesprochen hat sich erwartungsgemäß der hiesige Handelsverband.

Bei Preistreibern ansetzen

In dieselbe Kerbe wie der Landwirtschaftsminister mit seinem Vorschlag für mehr Preistransparenz schlägt auch Wirtschaftsminister Martin Kocher. Er schlägt eine Preisdatenbank für Lebensmittel vor. Denn bekanntlich gibt es bei der Preisbildung entlang der Wertschöpfungskette von Lebensmitteln wenig Durchblick. 

Der Präsident der LK Österreich, Josef Moosbrugger, sowie Bauernbund-Präsident Strasser verwiesen darauf, dass die Erzeugerpreise zuletzt gesunken seien und die Bäuerinnen und Bauern daher nicht von den hohen Preisen im Handel profitieren würden. Es bleibt die Frage, wo die Margen bei gleichzeitig hohen Preisen im Regal größer geworden sind? 

Ein wirksamer Hebel könnte nach Annahme von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und IHS-Chef Klaus Neusser sein, mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Dazu sollen laut Totschnig Ein- und Verkaufspreise für einen repräsentativen Warenkorb erhoben werden. „Auch die im EU-Vergleich hohen Lohnnebenkosten, die von der Urproduktion über sämtliche Verarbeitungsstufen bis ins Geschäft durchschlagen, sollten unter die Lupe genommen werden”, ergänzte LK-Chef Moosbrugger.

Händler nützen die Gunst der Stunde für Billig-Eigenmarken

Die Handelskette Hofer verkündete just am Tag des Gipfels über die hohen Lebensmittelpreise, die Butterpreise zu senken. Auch wollen Spar, Rewe, Hofer und Lidl künftig eine Liste mit den Verkaufspreisen der 20 bis 30 günstigsten Preiseinstiegsprodukte wöchentlich an das Sozialministerium übermitteln und auf den jeweils eigenen Websites hervorheben. An diesem Billigpreis-Ticker – zugunsten der Eigenmarken – können sich dann jene orientieren, die beim Einkauf sparen wollen. “Händlereigenmarken” sollten laut Handelsverband künftig mit “Industriemarken” verglichen werden. Und genau an diesem Punkt müssen bei Bäuerinnen und Bauern die Alarmglocken läuten. Lebensmitteleinzelhändler nützen die Gunst der Stunde, um ihre Billig-Eigenmarken zu pushen. Im selben Schachzug degradieren sie Marken bäuerlicher Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften als „Industriemarken“.  

Wettbewerbsbehörde hat sich bereits eingeschaltet

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) startete im Oktober eine Branchenuntersuchung. Neben dem Lebensmittelhandel untersuchen die Wettbewerbshüter auch die vorgelagerte Stufe der Lebensmittelverarbeitung. Im Herbst sollen erste Ergebnisse vorliegen. Man darf gespannt sein.  

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AUTORMartina Rieberer
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