Was der gute Glaube bei der Ersitzung bedeutet

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mag. peter egger, Bauernbundjurist, Innsbruck ©ZVG
mag. peter egger, Bauernbundjurist, Innsbruck ©ZVG
Ein Rechtsbesitzer ist nur dann redlich (gutgläubig), wenn er glauben kann, dass ihm die Ausübung des Rechtes zusteht. Der für die Ersitzung erforderliche gute Glaube fällt bei Erkenntnis von Umständen, die zu Zweifeln an der Rechtmäöigkeit der Rechtsausübung Anlass geben, weg, wie auch bei nachträglicher Kenntnis der Unrechtmäöigkeit. In einem Streit um die Ersitzung eines Wegerechtes hat der Oberste Gerichtshof (GZ 9 Ob 57/15w vom 28. 10. 2015) vor Kurzem ausgesprochen: Eine vom Eigentümer des Weges angebrachte Hinweistafel mit der (oder einer inhaltsgleichen) Aufschrift “Durchgang bis auf Widerruf gestattet” ermöglicht zwar die gestattete Nutzung des Weges, begründet aber noch kein Recht dazu. Im konkreten Fall nutzten die Kläger den beanspruchten Zugangsweg im Rahmen eines Hotelbetriebes zumindest seit 1960. Jedenfalls seit 1962 sind an beiden Enden des Zufahrtsweges Hinweisschilder angebracht, die den Durchgang nur bis auf Widerruf gestatten. Der OGH hat ausgesprochen, dass die auf Ersitzung der Wegservitut klagenden Wegbenutzer durch diese Hinweistafeln unschwer erkennen konnten, dass sie über die gestattete Nutzung hinaus kein Recht hatten, den Weg zu benutzen. Jedenfalls musste den Klägern aus der Sicht eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers zumindest Zweifel über das Vorliegen eines Rechtes kommen. Die Kläger haben sich auöerdem in der Vorinstanz erfolgreich darauf berufen, dass die Hinweisschilder nur den Durchgang des gesamten Weges untersagten, nicht aber den Zugang zu ihrem Objekt. Das Höchstgericht hat anders als die Vorinstanz aus dem festgestellten Sachverhalt aber keine ausreichenden Gründe gefunden, welche die Kläger zur Annahme veranlassen hätten dürfen, dass mit den Hinweistafeln lediglich der Durchgang untersagt werden solle, nicht aber der Zugang zum Objekt der Klägerinnen. Damit waren aber die Benutzer des gegenständlichen Weges bereits seit Aufstellung der Hinweistafeln im Jahr 1962 unredlich und war die Ersitzung seit diesem Zeitpunkt unterbrochen. Die angebrachten Hinweistafeln haben hier zum Ausschluss eines Ersitzungstatbestandes ausgereicht, wenn auch der Gang bis in die letzte Instanz notwendig war. Es empfiehlt sich daher, bei Anbringung von Hinweisschildern möglichst genau auf den gegebenen Sachverhalt abzustellen, um Unklarheiten zu vermeiden, die letztendlich den guten Glauben und damit die Redlichkeit eines Ersitzungsbehauptenden begründen könnten.

Mag. Peter Egger, Bauernbundjurist, innsbruck
E-Mail: egger@tiroler-bauernbund.at

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