
Wenn man von Almromantik spricht, denken viele an ein verklärtes Bild der idyllischen Alpen. Dass dieses Bild meist nicht der Realität entspricht, weiß jeder, der je in Kontakt mit der Almwirtschaft war. Und doch gibt es sie – eine andere, eine wahre Almromantik. Das zeigt ein Besuch bei Stefan und Magdalena Moser, die seit drei Jahren die Lämmerbühelalm in Kitzbühel pachten.
Geteilte Leidenschaft
von Anfang an
Almsommer 2014: Frisch verliebt zieht es die 19-jährige Magdalena und den 22-jährigen Stefan als Angestellte auf die Ochsentalalm im Bächental. Sie wollen die Zweisamkeit genießen und sich richtig kennenlernen – ohne Handyempfang, außerhalb des Alltags. Gemeinsam kümmern sie sich um 25 Kühe und 30 Stück Jungvieh; gemolken wird mit zwei Standeimern. Die Milch muss alle zwei Tage mit einem Traktor zur Sammelstelle geliefert werden. Abends sitzen sie zusammen – etwas Licht spendet eine einzelne Glühbirne, die an eine Autobatterie angeschlossen ist.
Ein Jahr später pachten sie die Sonnwendbühelalm in Münster. Mit dem eigenen Vieh – 16 Milchkühen und zehn Stück Jungvieh, die normalerweise am Astenbergerhof der Familie in Wiesing leben – betreibt das Paar eine beliebte Almausschank, macht selbst Graukäse und Butter und baut sich gemeinsam eine Zukunft auf. Da Magdalena Ergotherapie an der FH Gesundheit in Linz studiert und ihre Beziehung außerhalb des Sommers auf die Wochenenden beschränkt ist, genießen sie den gemeinsamen Almsommer besonders. Bis 2022 pachten die beiden die Alm jeden Sommer.
Eine neue
Größenordnung
„Das war tatsächlich das, was sich viele unter Almromantik vorstellen – und die haben wir voll ausgelebt“, lachen Stefan und Magdalena Moser, als sie auf ihre Anfänge zurückblicken. Heute sind sie verheiratet, auf dem Schoß ihrer Mutter sitzt die sechs Monate alte Josefine. Vor etwa einem Monat begann ihr drittes Jahr auf der Lämmerbühelalm – eine gänzlich andere Dimension von Almwirtschaft. Auch auf den kleineren Almen musste stets kräftig angepackt werden, doch die Verantwortung, die auf ihren Schultern lastete, war geringer. Denn 100 Hektar dazugehörige Weidefläche umgeben die Lämmerbühelalm, die zwei Agrargemeinschaften gehört. 104 Stück Milchkühe und 30 Stück Jungvieh betreuen Stefan und Magdalena mithilfe von Seppi Hauser, der als ihr „Allrounder“ anpackt. Jeden zweiten Tag wird die Almmilch an Tirol Milch geliefert – etwa 4.000 Liter zu Beginn der Saison, mit leichtem Rückgang im Laufe des Sommers.

Auch Schimpfen muss
gelernt sein
Familie Moser und Helfer Seppi sind ein eingespieltes Team – in den letzten beiden Jahren haben sie viel dazugelernt. Seppi habe etwa gelernt, zu schimpfen. „Das habe ich früher nie getan“, erklärt er schmunzelnd. Um sich den Respekt des Viehs zu verschaffen, müsse man manchmal auch etwas lauter werden. Das stört die Harmonie des Almteams jedoch keineswegs.
100 ungeduldige
Kühe warten
Zu Beginn des ersten Almsommers auf der Lämmerbühelalm sah das noch weniger harmonisch aus. Die zwölf Bauern, die ihr Vieh auf die Alm brachten, haben ihre Tiere abgeladen. Gemeinsam wurde noch ein Kaffee getrunken, dann haben sich die Auftreibenden wieder aufgemacht Richtung Tal. „Und wir standen da – mit einer Herde von 100 Kühen, die darauf gewartet haben, gemolken zu werden“, blickt Stefan zurück. Die Premiere am Doppelvierer-Fischgrätenmelkstand dauerte bis zehn Uhr am Abend. „Die ersten beiden Wochen haben wir einfach nur funktioniert. Es gab nur die Arbeit, Essen und Schlafen. Das war auf jeden Fall eine Grenzerfahrung. Doch uns war klar: Aufgeben gibt’s nicht, die Auftreiber und Verpächter verlassen sich auf uns.“

Mit der Zeit kam auch die Routine – für Mensch und Tier. Ebenso bewirkte die Erfahrung im ersten Jahr, dass der zweite und nunmehr dritte Almsommer gelassener angenommen werden. „Inzwischen sind wir schon dazu gekommen, Arbeitsabläufe zu optimieren – etwa, indem wir alle Kühe in einer statt zwei Anlagen melken.“ Dennoch bleibt es ein knallharter Job, der verlangt, dass man bis an sein Limit geht. Denn in einer solchen Größenordnung muss sich der Almsommer auch wirtschaftlich rentieren. „Vor allem, wenn wir auch daheim in Wiesing mahdern müssen, geht uns die Arbeit nicht aus.“ Oft sei aber nicht der Arbeitsaufwand die größte Herausforderung, sondern sich zurückzunehmen, erklärt Magdalena: „Was heute nicht geht, geht meistens morgen. Die Zeit vergeht hier oben anders. Auch das mussten wir erst lernen.“
Der liebste Moment:
die Zeit zu zweit
Dieser Almsommer wird ein ganz besonderer für die junge Familie – denn die sechs Monate alte Tochter Josefine darf während ihrer ersten Lebensmonate den Kuhglocken lauschen. „Es gibt auf der Alm weniger Ablenkungen als daheim. Das ermöglicht uns eine intensive Familienzeit.“ Auch wenn die Verantwortung groß und die Arbeit fordernd ist, bleibt die Almromantik für Stefan und Magdalena erhalten. Denn unabhängig voneinander antworteten beide auf die Frage, was ihr Lieblingsmoment auf der Alm ist: die Zeit zu zweit nach getaner Arbeit.

- Bildquellen -
- Lämmerbühelalm: BZ/Pixner
- Stall: BZ/Pixner
- Zweisamkeit: BZ/Pixner
- Familie Moser: BZ/Pixner