„Unsere gute Vernetzung mit Ämtern und Ministerien ist wichtiger Faktor“

LK Niederösterreich-Präsident Johannes Schmuckenschlager und Direktor Franz Raab ziehen im Gespräch mit der BauernZeitung Bilanz über ein Jahr im Zeichen der Corona-Pandemie: „Wir haben einiges weitergebracht, vom Steuer- und Sozialpaket über den Waldfonds bis zum EAG.“

Franz Raab und Johannes Schmuckenschlager: „Alle wesentlichen Informationen für die Bauern wurden stets tagesaktuell aufbereitet und rasch online zur Verfügung gestellt.“

Nur wenige Tage nach dem klaren Sieg des NÖ Bauernbundes bei der LK-Wahl am 1. März 2020 hat die Corona-Pandemie Österreich erreicht und die Arbeit in der Interessensvertretung auf den Kopf gestellt. Johannes Schmuckenschlager und Franz Raab sind stolz, dass die Landwirtschaftskammer und die Bezirksbauernkammern dennoch keinen einzigen Tag geschlossen waren.

 

BAUERNZEITUNG: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Arbeit in der bäuerlichen Interessensvertretung ausgewirkt?

Schmuckenschlager: Zu Beginn war natürlich eine große Unsicherheit sowohl bei unseren Mitgliedern als auch bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bemerken. Die besondere Herausforderung bestand darin, dass niemand wusste, was wirklich auf uns zukommen wird. Innerhalb weniger Stunden waren die Regale in den Geschäften leer. Das haben wir so noch nie erlebt. Auf den Betrieben ist es mit der Frühjahrsarbeit losgegangen und niemand konnte sicher sagen, ob alle Betriebsmittel zeitgerecht zur Verfügung stehen werden. Über allem standen die zahlreichen Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie. Da galt es, mitzureden und mitzugestalten. Die gesetzlichen Vorgaben mussten schließlich auch unseren Bäuerinnen und Bauern vermittelt und deren Auslegung auch praxistauglich gestaltet werden.

Raab: Als unseren wichtigsten Auftrag haben wir es von Beginn an gesehen, unsere Mitglieder gleichermaßen rasch und fundiert zu informieren. Wie notwendig das war, ist an den in dieser Zeit stark gestiegenen Zugriffszahlen auf unsere Homepage und an den vielen Telefonaten ersichtlich. Parallel dazu haben wir Hygiene-Konzepte entwickelt, um unsere Mitarbeiter zu schützen. Damit haben wir es geschafft, dass wir durchgehend erreichbar waren und sowohl die Landwirtschaftskammer als auch die Bezirksbauernkammern keinen einzigen Tag geschlossen waren.

 

Können Sie dazu konkrete ­Beispiele anführen?

Schmuckenschlager: Das hat schon damit begonnen, wie damit umzugehen ist, wenn eine Bäuerin oder ein Bauer selbst an Covid-19 erkrankt oder als Kontaktperson einen Quarantänebescheid erhält. Die tägliche Arbeit am Hof muss ja trotzdem erledigt werden. Da hat es Ausnahmeregelungen gebraucht, die wir ausverhandelt haben. Ein anderes Beispiel sind die Schlüsselarbeitskräfte, ohne die die Ernte oft am Feld bleiben müsste. Hier haben wir in kürzester Zeit eine Online-Plattform für die Vermittlung von Arbeitskräften entwickelt, ebenso wurden Erntehelfer eingeflogen. Wir haben auch die Behörden unterstützt, praxistaugliche Lösungen für die Einreise von Tagespendlern aus dem benachbarten Ausland zu erarbeiten und umzusetzen.

Raab: In der Frage der Abwicklung der Mehrfachanträge haben wir eine sehr gute Lösung gefunden und konnten mit der Fristverlängerung auch alle Anträge erledigen. Ebenso konnten alle Beratungen zur Invest-Förderung durchgeführt und die Anträge entsprechend abgearbeitet werden. In Summe haben wir gleich viele Beratungen durchgeführt wie im Jahr zuvor. Natürlich hat es eine starke Verschiebung hin zu telefonischen oder Online-Beratungen gegeben. Wenn es erforderlich war, wurden unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen aber auch viele persönliche Beratungsgespräche durchgeführt.

Haben sich durch die Krise für die Landwirtschaftskammer neue ­Themenfelder ergeben oder hat es Verschiebungen in der Wertigkeit von Themen gegeben?

Schmuckenschlager: Zum Meta-Thema ist natürlich – ausgehend von den Hamsterkäufen – die Versorgungssicherheit geworden. Uns ist es als Landwirtschaftskammer wichtig, dieses Thema weiterzuverfolgen. Denn es wird zukünftig noch mehr an Bedeutung gewinnen, auch auf europäischer Ebene. Mit unserer Kampagne „Verlass di drauf“ weisen wir ebenfalls darauf hin, dass es unsere Land- und Forstwirtschaft ist, die alle Menschen im Land mit Lebensmitteln versorgt. Wir wollen damit aber auch Verständnis für die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern schaffen. Im Arbeitsablauf haben sich durch die stärkere Nutzung digitaler Möglichkeiten Änderungen ergeben. Es ist uns aber gut gelungen, dezentrale Entscheidungsträger rasch zusammenzuführen. Im großen Bereich der Bildung, für die unsere Landwirtschaftskammer auch steht, konnten wir unsere Veranstaltungsformate zügig ändern und viele davon als Webinare und Farminare in den virtuellen Raum verlegen. Das war möglich, weil die Systeme dahinter bereits vorhanden waren.

Raab: Thematisch dazugekommen ist natürlich auch der große Bereich der Covid-19-Maßnahmen. Das sind alles Aufgabenstellungen, die von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusätzlich bearbeitet werden mussten. Es wurden ja dadurch nicht andere Aufgaben verdrängt. Das beginnt dabei, die vielfältigen Corona-Hilfen auch für landwirtschaftliche Betriebe zugänglich zu machen und geht bis hin zur Entwicklung von Hygiene-Konzepten, damit Zuchtrinderversteigerungen und Kälbermärkte abgehalten werden können.

 

Werden all diese Anstrengungen von Ihren Mitgliedern auch gesehen und anerkannt?

Raab: Die Bäuerinnen und Bauern haben es durchaus bemerkt und auch positiv zurückgemeldet, dass wir zu jeder Zeit erreichbar waren. Damit waren wir Vorreiter in ganz Österreich. Gleiches war beim Infoservice der Fall. Wir haben alle wesentlichen Informationen für die Bäuerinnen und Bauern tagesaktuell aufbereitet und auf der Website zur Verfügung gestellt.

Schmuckenschlager: Dass wir uns auch bei sehr speziellen Fällen, beispielsweise Schlüsselarbeitskräfte, für unsere Mitglieder eingesetzt und Lösungen erzielt haben, wurde von ihnen sehr geschätzt. Da ist die gute Vernetzung der Landwirtschaftskammer mit Ämtern und Ministerien ein wichtiger Faktor gewesen. Umgekehrt wird unsere Expertise auch von den Behörden und als Stütze anerkannt. Ganz einfach, weil dort viele Spezifika aus der Landwirtschaft einfach nicht bekannt sind.

 

Welche Änderungen werden Ihrer Meinung nach bleiben und wo ist es besonders wichtig, dass bald wieder ein wenig Normalität einkehrt?

Schmuckenschlager: Gerade der Bildungsbereich hat uns gezeigt, was auf digitalem Wege möglich ist. Auch wenn weniger Veranstaltungen stattfinden konnten, haben wir mit rund 2.500 Webinaren und Farminaren etwa 77.000 Bildungskontakte erreicht. Wir werden daher auch in Zukunft in der Wissensvermittlung alle digitalen Möglichkeiten ausschöpfen. Dabei werden wir auf ein „Hybrid“-System setzen. Das heißt, Weiterbildungsangebote werden zum Teil unter Nutzung der neuen Medien angeboten, gleichzeitig aber auch Präsenzveranstaltungen beinhalten, um den persönlichen Austausch zu ermöglichen. Diese Ergänzung zwischen digitaler und persönlicher Kommunikation sehe ich aber auch für andere Bereiche wegweisend. Zum Beispiel die Kommunikation mit der Gesellschaft: Wir haben gesehen, dass es wichtig ist, Landwirtschaft auch über neue und soziale Medien zu erklären. Gleichzeitig braucht es die persönlichen Begegnungen, wie sie durch die Bäuerinnen, Seminarbäuerinnen, Landjugend, Bezirkskammern, Verteilaktionen oder ähnlichem möglich werden.

Raab: Der Beteiligungsprozess, der Austausch zwischen Mitgliedern, Funktionären und Mitarbeitern, konnte mit Hilfe aller digitalen Möglichkeiten aufrechterhalten werden. Dies wird auch in Zukunft bleiben. Dennoch ist dieser Beteiligungsprozess schwieriger geworden. Und gerade von dem lebt die Landwirtschaftskammer. Auch wenn Kammer-Vollversammlungen stattfinden, es fehlen Ausschüsse, Vollversammlungen der Verbände und auch andere Veranstaltungen, wo Menschen persönlich zusammenkommen und sich austauschen können. Ein Beispiel: Bei diversen Arbeitskreisen, die ebenfalls online abgehalten werden mussten, konnten wir mehr Teilnehmer als in den Jahren davor verzeichnen. Und dennoch kam immer wieder die Rückmeldung, dass dieses Format das persönliche Gespräch nicht ersetzen kann.

 

Wo liegen die künftigen Schwerpunkte in der Arbeit der Landwirtschaftskammer?

Schmuckenschlager: Die Corona-Krise hat im vergangenen Jahr unsere Arbeit stark geprägt, nicht aber die Themen. Ich möchte etwa an das Steuer- und Sozialpaket für die Landwirtschaft erinnern, das im Nationalrat beschlossen wurde. Weitere Meilensteine sind der Waldfonds oder das erst vor Kurzem beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Wir haben uns mit dem Zukunftsplan 2020 bis 2025 viel vorgenommen und im vergangenen Jahr bereits einiges weitergebracht. Unsere Arbeit wird sich weiter darauf konzentrieren, diesen Punkt für Punkt abzuarbeiten. Aus der Krise haben wir gelernt, noch mehr in Wertschöpfungsketten zu denken und kritische Infrastruktur zu erkennen, damit die Land- und Forstwirtschaft ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit nachhaltig leisten kann. Dazu wird es notwendig sein, die agrarischen Märkte noch besser zu beobachten und auch die europäische Perspektive zu berücksichtigen.

 

www.noe.lko.at

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  • 13 01 12 21 NO: LK NÖ
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AUTOREva Riegler
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