Angesichts des Ukraine-Krieges und weltweit drohender Engpässe auf dem Getreidemarkt schränkt Ungarn seine Agrar-Exporte ein. Sämtliche Getreideexporte sollen in den kommenden Monaten vor dem Verkauf von der ungarischen Regierung geprüft und genehmigt werden.
Mittels Regierungsdekret hat Ungarns Regierung über Nacht von Samstag auf Sonntag, 5. auf 6. März, auf die aktuelle Situation am Getreidemarkt reagiert. Ungarns Regierungschef, Premierminister Viktor Orban, schränkt damit den freien Warenverkehr aus Ungarn stark ein und pfeift auf den europäischen Binnenmarkt. Vielmehr ist für die Budapester Regierungsspitze „Versorgungssicherheit“ das zentrale Argument für den gesetzten Schritt.
Ungarn hat sich damit ab sofort bis einschließlich 15. Mai das Recht eingeräumt, bei allen Ausfuhren von Getreide ein Vor- bzw. Ankaufsrecht auszuüben. Betroffen sind alle Ausfuhren von Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Sojabohnen und Sonnenblumenkernen. Die Regierung und dessen Landwirtschaftsminister wollen deren Exporte formal prüfen. Innerhalb von 30 Tagen solle der Verkäufer Bescheid bekommen, ob die Ausfuhr der angeführten Agrarprodukte ins Ausland die Versorgung eigener Viehzuchtbetriebe und deren Futtermittelversorgung „erheblich behindere, gar unmöglich mache, die öffentliche Versorgung gefährdet oder aus anderen Gründen ein Risiko für die Sicherheit der Lebensmittelversorgung darstellt“.
Österreichs Agrarhandel und wichtige Verarbeiter reagierten darauf eher verstört, dafür aber prompt, mit einer gemeinsamen Stellungnahme. „Bei allem Verständnis für Krisenvorsorgemanagement führt diese Vorgangsweise zu noch mehr Verwerfungen auf den Märkten und zu enormem bürokratischem und logistischem Aufwand“, erklärte Josef Plank, zuständig für Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im Österreichischen Raiffeisenverband, stellvertretend auch für Agrana, Raiffeisen Ware Austria und die Leipnik-Lundenburger Invest-Gruppe mit GoodMills.
Nicht nur, dass damit ein bürokratisch aufwendiges Meldesystem erforderlich werde – jeder Transport, ob in Ungarn oder in den gemeinsamen Markt, ist neuerdings zu melden – sei es „alarmierend, dass der ungarische Agrarminister nun den Marktwert für ungarisches Getreide festlegt“. Ungarns Vorgehen beeinträchtige den EU-Binnenmarkt massiv. „Wir fordern die Rücknahme des Dekretes“, so die Raiffeisen-Agrarmanager.

„Unangebracht und höchst unsolidarisch“
Noch weit schärfer kritisiert Ungarn auch der Chef der BayWa, Klaus Josef Lutz: „Unangebracht und höchst unsolidarisch. Während wir derzeit rund um den Globus eine Welle der Hilfsbereitschaft für die Menschen in und aus der Ukraine erleben, fällt Ungarns Regierung zurück in Kleinstaaterei.“ Die Getreidepreise gehen durch die Decke und würden durch Handelsbeschränkungen wie diese zusätzlich angeheizt. „Als EU-Mitglied Milliarden erhalten und sich jetzt so unsolidarisch zu verhalten, das lässt tief blicken. Das ist ein Bruch des gemeinsamen EU-Binnenmarktes und billiger Populismus im Vorfeld der Wahlen am 3. April“, poltert Lutz: „Wenn das Schule macht, hat Wladimir Putin innerhalb von zehn Tagen erreicht, dass die Europäische Union anfängt, sich zu entzweien.“
Auch in der BayWa Zentrale in München befürchtet man, dass die Ukraine als Lieferant für Agrarrohstoffe überwiegend ausfällt. Während sich die EU bei Weizen selbst versorgen kann, ist sie bei Mais oder Non-GMO-Soja auf Importe angewiesen – bisher hauptsächlich aus der Ukraine.

Martina Rieberer

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AUTORRed. SN
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