Spritze oder Narkose für deutsche Ferkel

Deutschland zeigt sich in der Frage des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration per 1. Jänner 2019 auch auf der EuroTier kompromisslos. Große Handelsketten wollen das Verbot bereits ab 1. Jänner 2017 durchsetzen.

Sicherheitsspritze - ein Schutzmechanismus gibt die Nadel erst frei, wenn die Spritze für die Injektion angesetzt wird. ©BZ/Maad
Sicherheitsspritze – ein Schutzmechanismus gibt die Nadel erst frei, wenn die Spritze für die Injektion angesetzt wird. ©BZ/Maad
Handeln sie jetzt und setzen sie das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration um”, diesen Appell richtete ein Vertreter des deutschen Rewekonzerns an Schweinehalter aller Produktionsrichtungen. Denn bereits ab 1. Jänner 2017, zwei Jahre vor dem gesetzlichen Verbot der betäubungslosen Kastration in Deutschland, will der Handelskonzern nur noch Fleisch von Tieren in die Regale legen, die unter den neuen Vorgaben behandelt bzw. aufgezogen wurden. Rewe überlässt es den Landwirten, ob sie sich für die Ebermast, die Kastration unter Narkose oder für die immunologische Kastration entscheiden. Den Rahmen für diese Ausführungen bot das “Forum Schwein” am 17. November im Rahmen der EuroTier in Hannover.

Bioverband Naturland setzt auf Improvac-Spritze

Prof. Blaha:
Prof. Blaha: “Bei der zweimaligen Injektion zahlt das Tier den geringsten Preis.” ©BZ/Maad
Eine Organisation, die in Zusammenarbeit mit Rewe die Entscheidung für ein neues Kastrationsverfahren bereits getroffen hat, ist Deutschlands zweitgrößter Bioverband Naturland. Laut Naturland-Fachberater Jürgen Herrle sind die Schweinehalter des Verbands im Rahmen des Rewe-Kontrakts bereits seit Juli 2016 auf die immunologische Kastration mittels des vakzinen Impfstoffes Improvac umgestiegen. Hersteller des Impfstoffes ist das im Jahr 2013 vom Pfizer-Konzern abgespaltene US-Unternehmen Zoetis.
Naturland-Ökoschweinehalter Reinhard Brunner aus Bayern gab auf der EuroTier einen Erfahrungsbericht zu der Impfung. Die Impfung habe sich für ihn überraschend als “angenehmer als der Schnitt” erwiesen. Brunner räumte damit Bedenken aus, dass das Impfen der Mastläufer in bereits fortgeschrittenem Alter – das erste Mal mit 14 Wochen und das zweite Mal vier Wochen vor der Schlachtung – Schwierigkeiten bereiten könnte. Und zur Gefahr, sich selbst den Impfstoff irrtümlich zu verabreichen meinte er: “Ich fühle mich sicher.” Der Landwirt verwendet dafür die oben abgebildete Sicherheitsspritze. Auch das Thema “Nadelbruch” habe sich für ihn bisher nicht ergeben. Die Wirkung der Impfung habe sich laut Brunner als “gut” erwiesen. Bisher seien “keine Impfausreißer” feststellbar gewesen; dennoch gelte es, weiterhin Erfahrung betreffend die richtige Dosis zu sammeln. Die Kosten der Impfung belaufen sich laut dem Landwirt auf etwa sechs Euro pro Tier bei zweimaliger Anwendung. Es sei klar, dass der Landwirt auf diesen Kosten nicht sitzenbleiben dürfe.
Über Pro und Kontra Ferkelkastration und die Arbeit Reinhard Brunners hat bereits auch das Bayerische Fernsehen sehr sachlich berichtet. Die am 11. November gesendeten Beiträge sind im Internet abrufbar unter www.br.de/mediathek/video/, mit dem Suchbegriff “Kastration”.
Aus Sicht des Tierwohls verdeutlichte Prof. Thomas Blaha als Vorsitzender der tierärztlichen Vereinigung Tierschutz (www.tierschutz-tvt.de) seine Präferenz für die immunologische Kastration. Hierbei zahle das Tier “den geringsten Preis”. Bei der Ebermast seien demgegenüber das Verletzungsrisiko während der Haltung und die Stinkerproblematik nicht gelöst. Zu den Betäubungsmethoden stellte Blaha fest: “Es gibt weltweit keine Narkose, die die Ferkel weniger belastet als die Kastration selbst.”
In der Publikumsdiskussion blieb offen, wie weit die immunologische Kastration ein “Skandalisierungspotenzial” habe. Im Fleischexport sei die Methode insbesondere im asiatischen Raum nicht akzeptiert. Deshalb dürfte der Rewe-Konzern Probleme haben, für immunologisch kastrierte Tiere Schlachthöfe zu finden. Gegenüber den Kunden will Rewe das Kastrationsverfahren nicht ausloben.

EuroTier: Die Branche zeigt Flagge

“Wie in alten Zeiten”, angesichts des Verkehrsstaus in Hannover brachte ein Taxifahrer auf den Punkt, was später auch die Bilanz des Veranstalters DLG zur diesjährigen EuroTier bestätigte – mit mehr als 2600 Ausstellern und rund 163.000 Besuchern hat die EuroTier 2016 das bisherige Rekordjahr 2012 noch übertroffen. In Zeiten kontroverser Debatten über die Methoden der modernen Tierhaltung mag es überraschen, dass die Branche insgesamt “Flagge zeigt”. Beim Rundgang durch die Hallen zeigte sich auf den ersten Blick ein Bild, das die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit “Die Zukunft der Tierhaltung ist seelenlos” beschrieb. Automations- und Managementlösungen (“Die Steuerung der Farm per Handy-App”) für große Tierbestände prägten das Bild. Wer sich aber tiefer mit den gezeigten Trends und Lösungen befasste, der konnte schnell erkennen, dass Tierschutz und Tierwohl auf der EuroTier 2016 ebenfalls hoch im Kurs standen.

Hans Maad

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