Sonne, Regen, Sturm: So war das Wetter in Tirol

Mag. Dr. Manfred Bauer von der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) in Innsbruck blickt im Interview mit der Tiroler Bauernzeitung auf das Wetter im bisherigen Jahr zurück.

Mag. Dr. Manfred Bauer ist Leiter der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik für Tirol und Vorarlberg. Sitz der regionalen ZAMG ist in Innsbruck.

Herr Dr. Bauer, welche Bilanz ziehen Sie bezüglich des Wetters für dieses Jahr für die Landwirtschaft?

BAUER: Mit dem Sommer 2022 kann man durchaus zufrieden sein. Es war sicher überdurchschnittlich warm, in den meisten Regionen fiel aber nur geringfügig weniger Niederschlag als normal. In Osttirol wurden sogar leicht überdurchschnittliche Regenmengen verzeichnet. Der Regen war dabei über die ganze Zeit gut verteilt. Nur Anfang Juli gab es eine längere Phase (ca. 10 Tage) ohne Regen, von der Trockenheit wie in anderen Regionen Europas waren wir aber nicht geplagt. Diese trockene Phase wurde vielmehr genutzt für eine qualitativ hochwertige Heuernte, vor allem ab mittleren Höhenlagen, und für einen guten Start auf den Hochalmen. 

Der heurige Sommer brachte durchwegs sehr gutes Erntewetter, oft sogar mit hohen Erträgen in der Heu- und Silageernte, und auch für die Almwirtschaft sorgte der heurige Sommer ohne Kälteeinbruch für sehr gute Verhältnisse. Es war keine Schneeflucht von den Hochalmen herunter notwendig, und Wärme mit regelmäßiger Regentätigkeit ließen die Futtersaison auch auf den Hochalmen auf fast ein Maximum ausdehnen.

Eine im Vergleich zum Mittel geringe Blitzaktivität (ALDIS: heuriger Sommer 8.358 Blitzeinschläge, durchschnittlicher Sommer seit 1992 16.300 Blitzeinschläge) trug das ihrige für eine gelungene Almsaison bei (Blitzschlag ist eine nicht zu unterschätzende Todesursache bei den Almtieren). Auch die großen Hagelschläge blieben aus, wovon viele Gemüsebauern in Nordtirol profitierten.

Eine negative Auswirkung der hohen Temperaturen mit trockenen Phasen machte sich hingegen in der Forstwirtschaft bemerkbar: die Borkenkäferplage. Gerade in Osttirol – hier verhinderten nämlich die zwei Sturmereignisse im Herbst 2017 und im Herbst 2018 plus Starkschneefall im November 2019 eine zeitgerechte Schadholzaufarbeitung. Und das bedingte eine starke Belastung durch Borkenkäfer in den betroffenen Gebieten Osttirols, Oberkärntens und Südtirols.

Gab es nennenswerte Ex-tremwetterereignisse?

BAUER: Großflächige Unwetter gab es diesen Sommer zum Glück keine. Aber regional begrenzt gab es doch einige Unwetter mit beträchtlichen Schäden. Um ein paar Beispiele aufzuzählen: Am 20. Juni gab es schwere Gewitter mit Hagel im Süden Osttirols. Vielen Personen ist sicher der Starkregen mit Murenabgängen am 22. Juli im Stubaital in Erinnerung, am 28. Juli betrafen Überflutungen und Murenabgänge vor allem Gebiete vom Zillertal bis in den Kitzbüheler Raum. Lokale Starkregen mit Überschwemmungen gab es zudem am 5. August in Gerlos und im Sellrain, am 19. August in der Wildschönau und am 20. August im Tannheimertal.

Mit welchen Herausforderungen müssen Landwirte künftig rechnen?

BAUER: Auf höhere Temperaturen muss sich die Landwirtschaft jedenfalls einstellen. Einige der Herausforderungen werden sein: Die Möglichkeit von Dürreperioden, wie wir sie in den letzten Sommern schon in vielen Regionen Europas erleben, steigt auch in Tirol. Auch die Hitze in den Tallagen kann Probleme bereiten und für Ernteeinbußen sorgen. Die Wahrscheinlichkeit für lokale Starkregenereignisse mit Überschwemmungen und Muren nimmt in allen Höhenlagen zu. Und ein Ausbleiben von Dauerfrost im Winter begünstigt das Schädlingswachstum im Sommer.

Aber es gibt auch positive Auswirkungen des Klimawandels für die Tiroler Landwirtschaft, etwa eine längere Vegetationsphase und somit eine Verlängerung der Almsaison. Ein Anstieg der Nullgradgrenze sorgt für eine Ausdehnung der nutzbaren Fläche in die Höhe. Die Möglichkeit, dass Kälteeinbrüche schwächer ausfallen oder ausbleiben, ist auch von Vorteil für die Berglandwirtschaft (Stichwort Schneeflucht). Und höhere Temperaturen können auch eine höhere Biodiversität in der Forstwirtschaft bringen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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  • DSC 4151: ZAMG
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AUTORRed. JS
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