Sie waren dann mal weg

Wer hat nicht schon mal überlegt, alles liegen und stehen zu lassen, um anderswo weit entfernt neu anzufangen? Auch als Landwirt. Nur wenige wagen diesen Schritt. Petra Jacob Sachs hat einige von ihnen besucht. Und ein Buch darüber verfasst.

Mit seiner Frau hat sich Christian eine neue Existenz in Russland aufgebaut. Petra Jacob Sachs hat sie besucht.

Was bewegt Landwirte, ihren Hof aufzugeben, um in ganz anderen Ecken Europas komplett neu zu beginnen? Sich in einem anderen Land mit Ackerbau oder Viehzucht eine Existenz aufzubauen, mit oft völlig fremden Kulturen und einer anderen Sprache. Was sind die Erfolgsfaktoren dafür?

Petra Jacob Sachs wollte es genauer wissen und hat sich auf mehrere Reisen begeben: Zu Menschen, die alles hinter sich ließen und ausgewandert sind, in ein anderes europäisches Land. Ihr Buch „Gekommen, um zu ackern“ erzählt die individuellen und oft sehr persönlichen Geschichten von Landwirtinnen und Landwirten, die teils mit ihren Familien den Schritt gewagt haben, einfach fortgezogen sind. Entschlossen, furchtlos, abenteuerlustig, manchmal auch etwas naiv, wie die auch in Großbritannien lebende Agrarjournalistin berichtet. 

Von Irland bis nach Griechenland

Insgesamt 18 landwirtschaftliche Betriebe hat die gebürtige Deutsche besucht, und das in 15 europäischen Ländern, beginnend im Sommer 2021. Also mitten in der Corona-Zeit, mit verschiedensten Auflagen. Dass sie bei ihren Aufenthalten nicht nur auf den Höfen, sondern teils auch im Zelt oder in Klöstern übernachtete und alle Touren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sprich Bahn oder Bus, bewerkstelligte, macht die Reiselektüre zusätzlich unterhaltsam.

So geht es zuerst nach Irland zu Marianne und Josef, die bereits 1982 auf der Grünen Insel eine neue Heimat gefunden haben. Wie 20 Jahre später auch Claudia und Jürgen. Dann geht es weiter nach Spanien zu Ernestine, die sich in Andalusien als Schafzüchterin niedergelassen hat. Von Deutschland aus folgen weitere Reisen zu Auswanderern in Rumänien, Polen und Griechenland, „wo die Uhren anders gehen“. 

Olivenölproduktion mit Österreich-Bezug

Am Peloponnes lernt sie die Familie von Fritz und Burgi kennen. Die ausgewanderten Österreicher haben dort mit 300 Bauern eine international erfolgreiche Olivenöl-Produktion mit vielfach ausgezeichneten Erzeugnissen hochgezogen. 2022 startet Jacob Sachs ihre Hofbesuche in Finnland bei der nunmehrigen Rentierzüchterin Irene. 

Weiter geht es nach Ungarn zu Helmut, der dort erfolgreich Ackerbau betreibt, und nach Bulgarien, wo Johanna aus Berlin nun Rosenbäuerin ist. Im Sommer trifft sie in Deutschland den Niederländer Kees, der in Sachsen-Anhalt einen großen Milchviehbetrieb aufgebaut hat und dort auch politisch Karriere gemacht hat. In Litauen schaut sie Jan-Udo auf seinem Hof über die Schulter, in Lettland ihrem Cousin Günther, der dort als Beerenproduzent Fuß gefasst hat, nach einem Abstecher nach Südtirol zu einer jungen Bergbäuerin mit Wurzeln aus Berlin. 

Auswanderer in zwei Ländern im Krieg

„In einem Buch über Auswanderer in Europa dürfen die Ukraine und Russland nicht fehlen“, schreibt die Autorin. Kontakte waren geknüpft, doch dann brach im Februar 2022 der Angriffskrieg der Russen gegen ihr Nachbarland im Südosten aus. Die aus Bayern gebürtige Journalistin macht sich dennoch auf nach Russland, um sich bei ihrem Landsmann aus Oberfranken, Christian, auf dessen 7.000 Hektar Betrieb, 350 Kilometer südwestlich von Moskau, umzuschauen. Seine Geschichte gehört zu den sicherlich ungewöhnlichsten Kapiteln im Buch. Wie auch jenes über die Ukraine.

„Aufgrund des Krieges war es mir nicht möglich, das Land zu besuchen.“ Weil sie die
Ukraine aber von früheren Reisen kennt, hat sie Kontakt mit Michael aufgenommen. Der studierte Forstwirt und Umweltwissenschaftler lebt heute als Selbstversorger in einem Dorf in den Karpaten und züchtet dort selten gewordene rabenschwarze Büffel. 

Genug gespoilert, das Buch „Gekommen, um zu ackern“ von Petra Jacob Sachs richtet sich an alle, die sich für das Leben von Landwirten nach einem völligen Neustart im Ausland interessieren. Es bietet zudem viele interessante Blicke über den Tellerrand in oft fremde, nach wie vor wenig bekannte Regionen Europas.

Quelle: Erling Verlag

Gekommen, um zu ackern: Landwirtschaftliche Auswanderer im Portrait/Europa
Petra Jacob Sachs, Erling Verlag, 248 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-86263-201-5

- Bildquellen -

  • Buch: Erling Verlag
  • Petra Jacob Sachs: Erling Verlag
- Werbung -
AUTORRed. BW
Vorheriger ArtikelBis in alle Ewigkeit
Nächster ArtikelVatikanische Ränke