Schweinehaltung – die Signale stehen auf Stroh

Stroh macht froh – was sich so schön reimt, bedarf aus der Sicht der Landwirte einer eingehenden Aufwand-Nutzen-Betrachtung. Denn die Kosten für Einstreu, Ausmisten und erhöhtes Platzangebot müssen am Ende des Tages auch gedeckt sein.

Das Nonplusultra im Schweineleben – liegen im eingestreuten Auslauf an frischer Luft. Foto: Wiedmann

Stroh spielt für die künftige Schweinehaltung eine zunehmende Rolle. Einerseits befeuert der Lebensmitteleinzelhandel immer mehr die Nachfrage nach Mastschweinen aus der Strohhaltung und andererseits ist in der EU seit dem Jahr 2003 das Kupieren der Schweineschwänze verboten. Dennoch wird dies bei 98 Prozent der Schweine noch als „Kupier-Ausnahme“ praktiziert. Da dies aller Voraussicht nach so nicht bleiben wird, kommen Haltungsverfahren mit Einstreu auch aus diesem Grund in den Fokus der Überlegungen.

Spaltenböden sind in Verbindung mit Stroh nicht die erste Wahl. Das Stroh kann die Spalten verstopfen, der Kot wird nicht genügend durchgetreten.
Foto: Wiedmann

Den Bedürfnissen des Schweines angemessen
Für viele Schweinehalter hat „Stroh im Stall“ den Makel von Rückschritt und „Nichtmodernsein“. Zudem bedeuten Strohbergung, Einstreu und Ausmisten Mehrarbeit und Mehrkosten. Manche Schweinehalter reagieren auf die Forderung nach Stroh nahezu fassungslos.
Dem kann man entgegenhalten, dass neuzeitliche Ställe mit Stroheinstreu keineswegs ein Zurück zu den engen Boxen alter Ställe bedeuten, mit bekanntlich schlechtem Stallklima und viel Handarbeit. Wichtig bei der Konzeption moderner Strohställe ist, dass die Schweine die Liegeflächen möglichst nicht verschmutzen. Der Mist soll hauptsächlich nur in den Stall- und Auslaufbereichen anfallen, wo maschinell entmistet werden kann.
Am sichersten funktionieren solche Strohställe in Verbindung mit eingestreuten Ausläufen. Die Schweine sehen im Auslauf ihre Nachbar-Rotte, weshalb sie dort nach uraltem Instinkt koten und harnen. Die Buchtengitter im Auslauf können zum Entmisten bequem beiseite geklappt werden. Mit solchen Ställen, die in aller Regel frei belüftet werden, hat man eine Reihe von Vorteilen:
• Die Baukosten je Quadratmeter Tierfläche sind niedriger,
• den wasserwirtschaftlichen Auflagen kann leichter entsprochen werden und
• das Stallklima ist mit geringeren Schadgasgehalten belastet, was der Gesundheit der Tiere, aber auch dem Betreuungspersonal zugute kommt.
Solche Ställe sind einem intelligenten, verspielten, geruchsempfindlichen, bewegungsaktiven und wühlenden Tier wie dem Schwein angemessen. Last, but not least akzeptieren breite Bevölkerungsschichten solche Strohställe als besonders tierfreundlich. Das ist einer der Gründe, aus denen sich auch die Handelsketten dafür interessieren.

Mobile Entmistung – in diesem Stall wird der Auslauf mit dem Traktor entmistet.
Foto: Wiedmann

Höhere Markterlöse bei Strohschweinen
Die Vorgabe zur Beschäftigung mit Stroh verschafft besonders mittelbäuerlichen Betrieben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Nicht nur Regionalprogramme boomen, auch der große Lebensmitteleinzelhandel ist an Strohschweinen so interessiert, dass er dafür tief ins Portemonnaie greift.
So garantiert Edeka Südwest in Deutschland unter dem Premiumlabel „Hofglück“ erzeugten Mastschweinen einen Festpreis von 2,15 Euro/kg Schlachtgewicht für die Dauer von zehn Jahren. In Österreich hat u. a. die Firma Hofer/Hütthaler mit „FairHOF“ ein entsprechendes Programm aufgelegt und bezahlt den Mehraufwand für erhöhtes Platzangebot und die Haltung auf Stroh.
Solche regional erzeugten Schweine bieten Schweinehaltern die Chance, dem Druck im globalen Wettbewerb standhalten zu können und nicht so leicht austauschbar zu sein. In einem von Weltmarktpreisen und der Kostenführerschaft bestimmten Markt, in dem die meisten Schweinehalter bei unseren Preis-Kosten-Relationen nicht punkten können, sind Strohschweine der einfachste Weg, um die Wertschöpfung zu halten.

Im Vordergrund der Bereich zum Koten und Harnen, Einstreu gibt es im hinteren Stallbereich.
Foto: Wiedmann

Stroh besser auf dem Boden anbieten
Um das Stroh in die Bucht zu bringen, gibt es diverse Einrichtungsgegenstände bzw. Vorrichtungen, wie Strohraufen, Wühltürme oder Beschäftigungsautomaten. Insgesamt sind diese Gerätschaften jedoch wenig überzeugend:
• Die Behältnisse müssen regelmäßig gefüllt werden, wozu häufig die Bucht betreten werden muss.
• Nur ein kleiner Teil der Tiere hat gleichzeitig Zugang zu den Beschäftigungseinrichtungen, was zu wenig zum Abbau von Stress führt.
• In den wenigen Sekunden, in denen man eine Bucht kontrolliert, kann man nicht alle Tiere zu Aktivitäten animieren; eine rasche Kontrolle ist auf diese Weise nicht möglich.
Wesentlich kostengünstiger sowie zugleich effektiv und effizient ist es, den Schweinen das Stroh auf dem Boden anzubieten. Dazu bringt man es entweder mit einem Handwagen in den Stall oder baut eine „Strohbahn“, die beispielsweise an einer Deckenschiene läuft und in Arbeitshöhe ein Podest hat, auf dem der Strohballen liegt. Weiters gibt es auch automatisch arbeitende Einstreutechniken. Ein Mäster formuliert es so: „Bei relativ geringen Einstreumengen von ca. 40 Gramm je Tier und Tag kann ich in meinem Bestand von 900 Schweinen in Bezug auf das Einstreuen nicht wirklich von ‚Arbeit‘ sprechen.“ Er braucht dafür täglich nur ca. fünf Minuten. Hinzu kommen noch weitere zwei Minuten für die Befüllung des Strohwagens. Ohne diese Strohgabe wäre es kaum möglich, beim morgendlichen Stallrundgang 900 Tiere innerhalb von 15 Minuten gut zu kontrollieren.
Stroh und Spaltenboden werden keine Freunde
Stroh zeigt den konventionellen Haltungsverfahren mit perforierten Böden deutlich die Grenzen auf. Man kann das auch so formulieren: „Stroh und Spaltenboden werden nie Freunde!“ Das hat verschiedene Gründe:
• Strohställe müssen aus Gründen der Funktionalität in etwa ein doppelt so hohes Platzangebot aufweisen wie konventionelle Ställe. Die Schweine haben deshalb viel mehr Möglichkeiten, in Buchtenbereichen zu koten, wo das nicht vorgesehen ist.
• Darüber hinaus werden in solchen Teilspaltenställen die perforierten Bereiche bei Weitem nicht so stark begangen, wie das in vollperforierten Ställen der Fall ist. Der Kot wird deshalb nicht genügend durchgetreten.
• Schließlich ist bei einer Schlitzweite von nur 18 mm nicht vorgesehen, dass Stroh in der Bucht ist. Mit Stroh kommt es zu Verstopfungen des Spaltenbodens.
Aus den genannten Gründen spricht sehr vieles bei Einstreu für ausschließlich planbefestigte Flächen im Stall und im Auslauf. Tabelle 1 gibt einen Überblick darüber, welche Einstreumengen mit bestimmten Entmistungsverfahren bewältigbar sind. Flüssig- entmistungen funktionieren bis zu etwa 50 Gramm Einstreu pro Tier und Tag. Bei höheren Einstreumengen sind mobile Entmistungsverfahren (z. B. mittels Hoftrak mit Schiebeschild oder mittels Frontlader) zu empfehlen. Es gilt – je mehr Einstreu, umso größer kann das Zeitintervall beim Entmisten ausfallen. Möglich sind auch kombinierte Verfahren mit Fest- und Flüssigmist. Dabei kann der Liegebereich sehr wohl reichlich eingestreut werden, trotzdem wird der Hauptteil der Exkremente in Form von Flüssigmist bewirtschaftet. Dies setzt aber voraus, dass der Abstand der eingestreuten Liegeflächen zum Kotbereich relativ groß ist (mind. ca. 10 m); weiters sollte das Verhältnis von Buchtenlänge zu Buchtenbreite nicht unter 5:1 betragen.
Ein Strohschwein kostet um 15 bis 20 Euro mehr
Was die Kosten einer Stroheinstreu betrifft, so ist in Tabelle 2 eine Beispielskalkulation vorgestellt. Angenommen wurde dafür ein Betrieb mit 1000 Mastplätzen mit 2,7 Umtrieben pro Jahr und einer Einstreumengen von 100 Gramm Stroh pro Tier und Tag. Die Kalkulation basiert auf Zukaufpreisen für Stroh ab Feld. An Lagerkosten werden kalkulatorisch 1277,50 Euro angesetzt. Für die Einlagerung und das tägliche Einstreuen sind pro Jahr in Summe 101 Arbeitsstunden nötig. Bei einem Lohnansatz von 20 Euro/AKh errechnet sich daraus ein Kostenansatz von 2025 Euro pro Jahr. In der Summe beläuft sich der jährliche Gesamtaufwand für die Einstreu auf 7682,50 Euro. Als Einstreukosten je verkauftem Mastschwein (2700 verkaufte Schweine Pro Jahr) ergibt sich somit ein Betrag von 2,85 Euro.

Quelle: Wiedmann

Das Stroh in den Stall zu bringen, ist aber nur die eine Seite der Medaille; um das Stroh bzw. den Mist wieder aus dem Stall herauszubringen, fallen nochmals Kosten an, die zumindest ebenso hoch liegen wie die Kosten der Einstreu. Weiters kostenerhöhend wirkt das in Strohställen um mindestens 60, besser jedoch 100 Prozent höhere Platzangebot. Dieses erhöhte Platzangebot ist erforderlich, damit die Funktionalität des Strohstalles gegeben ist. Dieser Mehrplatz schlägt mit Kosten von ca. zehn Euro je erzeugtem Schwein zu Buche. Somit sind die Erzeugungskosten für Strohschweine gegenüber konventionell gehaltenen Mastschweinen um mindestens 15 bis 20 Euro pro Mastschwein höher.

Quelle: Wiedmann

Beste Voraussetzung für unversehrte Schwänze
In Tierwohlprogrammen ist das Stroh im Schweinestall unverzichtbar. Darüber hinaus bietet die Einstreu beste Voraussetzungen bei der Haltung von Schweinen mit unversehrten Schwänzen. Die damit verbundenen höheren Kosten für die Einstreu, für das Entmisten und für das höhere Platzangebot belaufen sich auf mindestens 15 bis 20 Euro je erzeugtem Schwein. Dennoch gilt: „Stroh macht froh – nicht nur Schweine, sondern den Menschen ebenso!“

Rudolf Wiedmann, Tübingen (D)

 

Fairhof: 40 Euro Projektzuschlag pro Schwein

Die Konditionen des Tierwohlprojekts „FairHof“, das die Handelskette Hofer gemeinsam mit dem Fleischwarenhersteller Hütthaler aus Schwanenstadt (OÖ) im Jänner 2017 gestartet hat, klingen wahrhaft lukrativ – 40 Euro Projektzuschlag je Schwein bei einer Börsepreisabsicherung von zumindest 1,40 Euro/kg Schlachtgewicht netto sowie einer fünfjährigen Abnahemgarantie. Derzeit sind 16 Landwirte unter Vertrag. Allerdings haben es auch die Haltungsbedingungen „in sich“. FairHof schreibt um 100 Prozent mehr Platz vor als gesetzlich vorgegeben, ganzjährigen Auslauf zu jeder Jahreszeit, Haltung auf Stroh sowie hofeigenes Futter und gentechnikfreies Donausoja als Eiweißkomponente. Die Handelskette Hofer vermarktet die Wurstwaren aus dem Projekt bundesweit, FairHof-Frischfleisch gibt es derzeit in Oberösterreich und Teilen Salzburgs sowie seit Kurzem auch in Niederösterreich und Wien sowie dem nördlichen Burgenland.Insgesamt sind 14 Artikel von „FairHOF“ im Hofer-Sortiment.

TANN-Heimathöfe: AMA-Gütesiegel als Basis, fünf Euro Zuschlag

Ende März 2017 startete die Handelskette Spar ihr „Tann-Heimathöfe“-Tierwohlprogramm für die Schweinehaltung. Spar setzt dabei auf auf die Haltungsvorgaben des AMA-Gütesiegels erweitert um das freiwillige Modul für mehr Tierwohl. Für die Tierhalter bzw. Mastschweine bedeutet das ein um zumindest 60 Prozent erhöhtes Platzangebot (im Stall oder als Auslauf), eingestreute Liegefläche, Stroh und Heu als Beschäftigungsmaterial und zumindest 70 Prozent hofeigenes Futter. Als Abgeltung bezahlt die Handelskette dafür einen Aufschlag von fünf Euro pro Schwein. Faschiertes, Filets, Koteletts, Schnitzel, Minuten­steak und Schopfbraten aus dem Spar-Heimathöfeprogramm sind derzeit in Niederösterreich und Wien erhältlich. In der Startphase sind sieben Schweinehaltungsbetriebe unter Vertrag. Ein möglicher Ausbau auf bis zu 20 Betriebe wurde signalisiert.

Gustino-Stroh: Der Pionier – 10 Cent/kg Aufschlag

Bereits seit mehr als 20 Jahren läuft beim Verband Landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten in Oberösterreich (VLV) das Markenprogramm „Gustino“. Zielgruppe war und ist vor allem das Fleischergewerbe. Mit der nun startenden Tierwohlwelle im Lebensmittelhandel sollte auch Gustino als Pionier unter den Tierwohlprojekten einen neuen Stellenwert erhalten. Verhandlungen über neue Absatzwege sind im Gange. Auch Gustino-Stroh ist seit Jahresbeginn unter den Bedingungen des AMA-Tierwohl-Moduls angesiedelt, einschließlich Haltung auf Stroh und Donausoja als Eiweißkomponente. Der Projektzuschlag für die Schweinehalter beträgt bei Gustino-Stroh 10 Cent je Kilogramm Schlachtgewicht.

Öpul: Programm Tierwohl-Stallhaltung

Sämtliche Tierwohlprogramm in der Schweinhaltung können seit heuer die Öpul-Maßnahme „Tierwohl-Stallhaltung“ beantragen. Die Prämie je ganzjährig belegtem Mastplatz beläuft sich auf 19,50 Euro. Bei 2,7 Umtrieben pro Jahr würde das etwa 7,20 Euro pro Schwein bedeuten, die unabhängig von den Projektzuschlägen der Programmbetreiber ausbezahlt werden. Auch für Zuchtsauen und männliche Rinder sieht das Programm Zuschläge vor.

 

 

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28. April 2017