Schwächt die EU unsere Produktion?

Die beiden EU-Parlametarier des Bauernbundes sind im Mai 2019 mit beachtlichen Vorzugsstimmen-Ergebnissen ins EU-Parlament gewählt worden.

Geht es nach der EU-Kommission, soll die Landwirtschaft grüner und das Lebensmittelsystem nachhaltiger werden. Was das für Bauernfamilien in Österreich bedeuten könnte, darüber berichten Simone Schmiedtbauer und Alexander Bernhuber zur Halbzeit der aktuellen EU-Parlamentsperiode.

BauernZeitung: Die Halbzeit im EU-Parlament ist für Sie beide um. Und, schon trittsicherer als zu Beginn?
SCHMIEDTBAUER: Für mich war die erste Woche in Brüssel wie ein Schulausflug. Ich war stolz, das richtige Stockwerk gefunden zu haben. Sobald aber die ersten Sitzungen in den Ausschüssen sind, ist man voll drinnen.
BERNHUBER: Nach der Europawahl 2019 ging‘s die Woche drauf schon direkt nach Brüssel. Das erste halbe Jahr war enorm intensiv. Wir haben aber tolle Mitarbeiter, die uns geholfen und auf die Sitzungen vorbereitet haben. Seit Corona geht das Zwischenmenschliche vor und nach der Sitzung ab. Allein die eigenen 170 Kollegen der EVP-Fraktion kennenzulernen und sich dann noch mit Kollegen anderer politischer Fraktionen auszutauschen ist derzeit mitunter schwierig.

Mit welchen Erwartungen geht man als österreichischer Bauernvertreter nach Brüssel? Und mit welchen Eindrücken kommt man zurück??
BERNHUBER: Ich ging mit großen Erwartungen, etwas zu verändern, nach Brüssel. Aber schnell landet man am Boden der Tatsachen, wo man händeringend nach Verbündeten sucht. Die Anzahl der fachlich kompetenten Agrarier ist niedrig. Es wird sehr viel Politik mit Populismus, aber oft nur wenig Fachwissen betrieben und lieber oberflächlich Schlagzeilen produziert. Gerade für uns als Landwirte im EU-Parlament ist es daher wichtig, konsequent und fachlich zu bleiben, um Mehrheiten zu finden.
SCHMIEDTBAUER: Ich habe sehr hohe Erwartungen an mich selbst gestellt. Ich empfinde Freunde an der Sache, daher bin ich auch kampfbereit. Und wir kämpfen da teilweise um eine Stimme, die am Ende alles entscheidet. Es braucht Kampfgeist, um die ideologiefixierten Argumente mit Tatsachen zu entkräften. Wir müssen permanent den Schreibtischattentätern erzählen, was wir brauchen, um wirtschaftlich zu bleiben. Gerade als ehemalige Bürgermeisterin war und ist mir die Entbürokratisierung wichtig. Doch leider schaffen wir das oft nicht, weil wir immer auf der Suche nach einem Kompromiss sind, der für alle 27 Mitgliedsstaaten passen muss. Es ist hart zu akzeptieren, dass man anderen die Möglichkeit und Zeit geben muss, bei Vorschlägen mitzukommen.

War die neue GAP die größte Hürde oder kommt in der zweiten Hälfte der Periode noch was Größeres auf heimische Bauern zu?
SCHMIEDTBAUER: Die GAP ab 2023 war sicher das größte Projekt für mich. Wir sind in schon Verhandeltes eingestiegen und mussten plötzlich eine Mehrheit, die keine Ahnung von der GAP hatte, von unseren Ansichten überzeugen. In der zweiten Hälfte werden das „Fit-for-55“-Paket mit LULUCF, RED III und der Waldstrategie sowie der Bio-Aktionsplan, für den ich Berichterstatterin bin, die größten Projekte sein.

Was bedeutet die neue GAP nun für die landwirtschaftliche Produktion in Österreich und Europa?
BERNHUBER: Auf EU-Ebene haben wir für Österreich rausgeholt was möglich war. Ministerin Elisabeth Köstinger und Sebastian Kurz haben uns ein Minus in ein Plus im Budget herausverhandelt. Wir wissen, dass es für die österreichischen Bauern nicht einfacher wird, aber in Summe gleich viel Geld zur Verfügung steht. Das ist in anderen Ländern nicht so. Da gibt es nämlich Kürzungen im Agrarbudget und zusätzlich strengere Auflagen. Und wir haben mit unserer starken zweiten Säule jetzt einen großen Vorteil: Viele Umwelt-Maßnahmen waren für uns schon gang und gäbe, ganz im Vergleich zu Deutschland oder Frankreich, wo das Geld aus Brüssel eins zu eins über die Direktzahlungen ausgezahlt wurde. Zahlungen über die zweite Säule hat es in diesen Ländern fast nicht gegeben. Da können sich andere Länder von uns etwas abschauen.

Welche Möglichkeiten in der GAP haben die Bauern hierzulande im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen?
SCHMIEDTBAUER: Wir werden wenig Zeit haben, um auf andere Länder zu schauen. Es stimmt, die starke zweite Säule ist ein Vorsprung. Dennoch werden wir selbst ambitioniert sein müssen. Wir müssen unseren Bauern jetzt helfen, das Geld aus Brüssel abzuholen und die Betriebe individuell beraten. Ein Vorteil ist auch, dass unsere Vorleistungen im Klima- und Umweltbereich auf EU-Ebene anerkannt wurden. Beispielsweise unser ÖPUL-Programm. Wenn ich in Brüssel erzählt habe, dass bei uns mehr als 80 Prozent der Betriebe mitmachen, haben viele den Kopf geschüttelt. In Deutschland werden die Landwirte die neue GAP viel mehr spüren als wir. Die Landwirtschaftspolitik unserer Nachbarn wird deutlich mehr adaptiert als unsere. Wir haben unseren GAP-Plan schon eingereicht, andere Länder hinken noch hinterher.

Die EU-Kommission nennt als eine Folge des Green Deals einen starken Produktionsrückgang und mehr Importe von Lebensmitteln. Sarah Wiener, EU-Abgeordnete der Grünen, kann das nicht nachvollziehen. Und Sie?
SCHMIEDTBAUER: Es gibt mittlerweile mehrere Studien, die dem Green Deal ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Ich frage mich auf welche Studien wir noch warten. Eine Studie, die alles widerlegt, wird nicht kommen. Wir setzen mit dem Green Deal unsere Versorgungssicherheit aufs Spiel und machen uns abhängig. Da hätten wir aus den Folgen von Corona lernen müssen. Allein mein Hausverstand sagt mir, was der Green Deal bedeutet: weniger Dünger, weniger Pflanzenschutz und Antibiotika ohne Alternativen bedeutet weniger Produktion. Wer das aber nicht anerkennen will, betreibt Populismus auf den Rücken der Landwirte. Uns eint, dass wir alle grüner werden wollen. Nur wenn unterm Strich rote Zahlen übrigbleiben, kann kein Bauer grüner werden.
BERNHUBER: Ja, auch wir wollen Klimaneutralität in der EU bis 2050. Im Gegensatz zu den Grünen wollen wir aber verhindern, dass wir der einzig grüne Fleck auf dem Globus sind. Wir wollen unsere Produktion erhalten und die anderen Kontinente bei dieser Transformation mitnehmen. Wenn wir das nicht schaffen, ist das Augenauswischerei. Und reden wir dann bitte auch über Handelsabkommen. Es traut sich ja niemand die Konsequenzen anzusprechen. Was etwa passiert, wenn wir die Produktion zurückfahren und dann die Importe aus Drittstaaten steigen?!

Mehr Biodiversität und Klimaschutz kosten Geld. Wer wird das bezahlen – der Steuerzahler oder der bewusste Konsument?
SCHMIEDTBAUER: Hausverstand, Transparenz und Regionalität sind dafür der Schlüssel. Wo ich mehr Aufwand habe, muss es teurer werden. Die Frage sollte sich also von selbst beantworten.
BERNHUBER: Beide müssen mehr zahlen. Es braucht aber mehr Transparenz, denn der Konsument wie auch der Steuerzahler müssen sich auskennen.

Warum hat die EVP eigentlich gegen eine geplante Acht-Stunden-Begrenzung für Tiertransporte gestimmt?
SCHMIEDTBAUER: Entscheidend ist die Qualität der Transporte, nicht die Dauer. Es können acht Stunden für ein Tier sehr gut verlaufen und es kann eine Stunde eine Qual sein, wenn das Tier nicht entsprechend der eigentlich geltenden EU-Vorgaben transportiert wird. Wir, die ÖVP-Fraktion, haben für Verbesserungen gestimmt. Wir haben geschlossen für eine Höchsttransportdauer von acht Stunden für jene Nutztiere gestimmt, die der Schlachtung zugeführt werden. Selbstverständlich unter höchsten Tierwohlstandards. Wir wollen, dass das bereits bestehende Gesetz europaweit eingehalten und kontrolliert wird und Verstöße sanktioniert werden. Das ist bis dato leider nicht der Fall gewesen.

Wird sich die EVP geschlossen gegen die Atomstrompläne der EU stemmen?
BERNHUBER: Atomenergie ist nicht grün und nicht nachhaltig. Sollte Atomenergie dennoch vom Rat als Übergangstechnologie beurteilt werden, werden wir im Parlament einen Einspruch einlegen. Dafür braucht es eine Mehrheit im Parlament, welche fraktionsübergreifend zustande kommen könnte. Unsere Verbündeten suchen wir uns eher national als in der eigenen Fraktion.

Ist das Handelsabkommen Mercosur noch in der Warteschleife?
BERNHUBER: Dass bei Mercosur nichts weitergeht ist ein großer Erfolg des Bauernbundes. Portugal hätte großes Interesse gehabt, während seiner Ratspräsidentschaft vergangenes Jahr abzuschließen. Es hat aber symbolträchtige Abstimmungen gegen Mercusor gegeben, mit denen man Befürwortern wie Portugal zuvorgekommen ist. Diese Schmach will sich kein Land geben, Mercusor zum Scheitern zu bringen. Die Skepsis wird größer, wenn wir erkennen, wie wenig Green Deal-konform das Handelsabkommen ist.

Die Herkunftskennzeichnung – bestehend aus drei Gesetzen – muss von den Brüsseler Behörden notifiziert werden, um bei uns in Kraft treten zu können. Wie stehen hier die Chancen?
SCHMIEDTBAUER: Eines der drei Gesetze wurde von der Kommission bereits notifiziert. Die anderen beiden Gesetzestexte sind noch nicht finalisiert. Wie die Kommissison auf diese reagieren wird, ist bisher nur Spekulation. Positiv stimmt mich das Beispiel Frankreich. Dort kommt mit 1. März eine verpflichtende Kennzeichnung für Fleisch in Kantinen und Restaurants. Die Franzosen haben das gut gemacht.

Wer wird sich um den Herdenschutz kümmern, wenn die EU weiterhin den uneingeschränkten Anstieg der Wolfspopulationen zulässt?
SCHMIEDTBAUER: Es wird im Agrarausschuss eine Entschließung zum Wolf geben. Die ersten Rückmeldungen waren überraschend positiv, weil es in ganz Europa offensichtlich dasselbe Problem gibt. Man kann nicht eine Spezies über alle anderen stellen. Wir wollen den Wolf nicht ausrotten, sondern Problemwölfe entnehmen. Dazu brauchen wir rechtliche Möglichkeiten.

Wie geht’s den Tätowierern mit den neuen Regelungen?
BERNHUBER: Beim Wolf wie auch bei den Tattoofarben ist es dasselbe Dilemma. Die EU-Kommission mischt sich zu sehr ein. Den Tätowierern wurden kürzlich die Farben Blau und Grün ersatzlos gestrichen, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen. Wer sich bei uns nicht mehr tätowieren lassen kann, wird das halt dann im Urlaub in Ägypten machen oder sich auf illegalem Weg bis dato verwendete Farben besorgen. Ob das besser, gar gesünder ist, glaub ich nicht. Wir machen viele großartige Projekte auf EU-Ebene, doch mit solchen Entscheidungen, oft sind es überhaupt Kleinigkeiten, erzeugt man Frust.

Quelle: BauernZeitungZur Person: Simone Schmiedtbauer

Agrarsprecherin der Volkspartei im EU-Parlament. Die gebürtige Steirerin sitzt in den Ausschüssen für Landwirtschaft, Regionen, Fischerei, Finanzkontrolle

 

Quelle: BauernZeitungZur Person: Alex Bernhuber

Umweltsprecher der Volkspartei im EU-Parlament. Der Niederösterreicher betreut die Ausschüsse Umwelt, Petitionen, Kultur und Bildung. Mit 29 Jahren ist er einer der Jüngsten.

- Bildquellen -

  • Schmiedtbauer: BauernZeitung
  • Bernhuber: BauernZeitung
  • Interview: BauernZeitung
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AUTORInterview: Martina Rieberer
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