Man mag ihn, oder man mag ihn nicht: Beim Krautinger scheiden sich die Geister. Die BauernZeitung hat sich vor Ort angesehen, wie das Destillat in der Wildschönau hergestellt wird.
Eingebettet in die Kitzbüheler Alpen hat das beschauliche Hochtal Wildschönau mit den Dörfern Niederau, Oberau, Auffach und Thierbach einiges zu bieten. Die Landwirtschaft spielt in der Wildschönau eine bedeutende Rolle und ist eng mit dem Tourismus verknüpft – rund 260 Bauernhöfe, überwiegend als Bergbauernhöfe klassifiziert, werden bewirtschaftet.
Relikt aus Kaiserszeiten
Neben der malerischen Landschaft und gelebter Tradition verfügt die Wildschönau über ein Kulturgut der besonderen Art: Den sogenannten „Krautinger“, ein Schnaps hergestellt aus der Stoppelrübe, scheidet aufgrund seines eigenwilligen Geschmacks die Geister und darf nur dort gebrannt werden.

Dieser Umstand geht auf das 18. Jahrhundert zurück. Damals ließ Kaiserin Maria Theresia die Herstellung von Schnaps im Brennrecht erstmals gesetzlich regeln und gewährte Bauern gewisse Freimengen, die auch heute noch gelten. Insbesondere in Tirol hatte diese Regelung langfristige Auswirkungen auf die bäuerliche Struktur. Gebunden an den Hof wird das Brennrecht vererbt, und viele traditionelle bäuerliche Brennereien berufen sich noch heute auf das „Maria-Theresianische Brennrecht“ als Teil ihrer Geschichte – so auch in der Wildschönau. Insgesamt 52 Bauern wurde das Monopol gewährt, aus Rüben Schnaps herzustellen. Heute sind es noch 16 Bauern, die von diesem Recht Gebrauch machen.
Ein langwieriger Prozess
Eine Krautinger-Produzentin der nächsten Generation ist Maritta Thaler vom Steinerhof in Oberau. Vater Josef hat das Handwerk als Jugendlicher von seinem Onkel gelernt, 2021 übernahm Maritta und baute die Abfindungsbrennerei gewerblich aus. „Das war einfach immer Teil meines Lebens“, blickt sie zurück.

Grundlage für das einzigartige Getränk, dessen Geschmack intensiv an Gemüse erinnert, ist die Wildschönauer Stoppelrübe, eine alte Speiserübe. Geerntet wird zweimal, im Sommer und im Herbst. Gerade im Sommer erweist sich die Rübe als schwierige Kultur, die viel Wasser und ein gutes Auge braucht. Da am Steinerhof nicht genug Rüben angebaut werden können, um den Bedarf zu decken, wird auch Ackerfläche im regionalen Umfeld zugepachtet. Außerdem produzieren Bauern, unter anderem aus dem Gemüsebaugebiet Thaur, eigens für den Steinerhof.
Bei der Ernte heißt es zusammenhelfen, da trotz maschineller Unterstützung vieles Handarbeit bleibt. „Auf die Hilfe einer mehr oder weniger fixen Gruppe kann ich mich in der Erntezeit verlassen. Neben dem Arbeiten wird geredet und im Anschluss gibt es eine Jause – da kommt man gerne zusammen“, meint die ausgebildete Edelbrandsommelière. Besonders zeitaufwendig ist das „oh happeln“: Dabei wird die Rübe händisch von Flichten und Wurzeln getrennt.
Der Krautinger ist rar, etwas ganz Besonderes. Er ist immer gleich ausverkauft. –
Maritta Thaler
Sind die Rüben erst „oh g‘happelt“, geht es in die Gemüsewaschanlage und zum Pürieren in den Häcksler. Mithilfe einer Saftpresse wird aus dem Brei Rübensaft gewonnen und auf ein Drittel des Volumens einreduziert. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zur Herstellung von Schnaps mit Obst: Der geringe Zuckeranteil im Gemüse macht das Einkochen notwendig. Das bedeutet viel Arbeit, großen Materialverlust und hohen Energieaufwand. Aus 50 bis 60 Kilo Rüben entsteht ein Liter Schnaps. „Für den ganzen Prozess benötige ich etwa zehn Tage. Für mich ist das ein Vollzeitjob, der die Zusammenarbeit der ganzen Familie braucht“, so Maritta.

Ein Getränk mit Kultstatus
Der Krautinger ist in der Wildschönau mehr als nur ein Schnaps – er ist Teil der regionalen Identität. Um das „Hausgetränk“ ranken sich Geschichten und Mythen, und jeder hat seine eigene. Ob Hausmittel, Verdauungshilfe oder regionale Spezialität – der Krautinger hat längst Kultstatus erreicht. Von den Einheimischen über Wirte und Brenner bis hin zu den Gästen – alle stehen hinter dem Krautinger.
„Trotzdem ist er rar und soll auch etwas Besonderes bleiben. Lagerkosten spare ich mir – er ist sowieso immer gleich ausverkauft“, meint Maritta. Den Sprung zum Edeldestillat hat der Krautinger längst geschafft, auch im Mischgetränk kann er überzeugen. Zum „Rüben Sunrise“ hat sich Damir Bušic´, Spitzenbarkeeper und Betreiber der mehrfach ausgezeichneten Cocktailbar „Liquid Diaries“ in Innsbruck, inspirieren lassen. Maritta hat ihren eigenen Geheimtipp zum richtigen Servieren: „Ich kann die „Heiße Rübe“ empfehlen: den Krautinger einfach erwärmen und mit etwas Sahne verfeinern.“
Betriebsspiegel

Der Steinerhof befindet sich in der Wildschönau im Tiroler Unterland. Mit Unterstützung der ganzen Familie wird aus Stoppelrüben der Krautinger hergestellt. Der Betrieb umfasst sieben Hektar und eine Pension für 60 Gäste. Neben dem Verkauf ab Hof ist der Krautinger mittlerweile auch im Onlineshop erhältlich. Am Hof helfen Maritta und Freund Benny, Vater Josef und Mutter Elfi, Tante Sabine sowie Agrarmanager und Allrounder Andreas zusammen.
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- Edelbrand: Steinerhof
- Anbau: Steinerhof
- Familie Thaler: Steinerhof
- Steinerhof: Steinerhof
- Maritta Thaler: Steinerhof