„Reden wir doch einmal Klartext!“

Stephan Pernkopf, Bauernbundobmann und als LH-Stellvertreter im Land Niederösterreich neben der Landwirtschaft auch für das Krisenmanagement und alle Spitäler verantwortlich, in einem Jahresrückblick-Gespräch über die Corona-Krise, die EU-Agrarpolitik und was von 2020 im Rückblick bleibt.

Zur Person: Dr. Stephan Pernkopf (48) ist seit Ende März 2019 Obmann des NÖ. Bauernbundes

BAUERNZEITUNG: Wie ist die Landwirtschaft bisher durch die Pandemie-Krise gekommen?

PERNKOPF: Erfreulich ist die bisher große Wertschätzung, die unsere Landwirte erfahren haben. Vielen Menschen ist durch die anfängliche Schließung der Grenzen im Frühjahr bewusst geworden, wie wichtig heimische Lebensmittel und wie systemrelevant die Bäuerinnen und Bauern sind. Mittlerweile sind die Probleme durch den neuerlichen Lockdown aber massiv.

 

Seit November ist die Gastronomie heruntergefahren oder gar wie die Hotellerie geschlossen. Damit fehlt den Bauern eine wichtige Absatzschiene. Was braucht es nun, um diesen über die Runden zu helfen?

Stimmt, allein der Fleischabsatz durch den fehlenden Außer-Haus-Konsum ist um mehr als die Hälfte eingebrochen. Die Einbußen für viele Produktionssparten beträgt 30 Prozent und mehr. Und angesichts der aktuellen Lockdown-Entwicklungen und Reisebeschränkungen nicht nur in Deutschland wird sich die Lage auf den Agrarmärkten noch weiter zuspitzen. Das wird auch die Landwirtschaft massiv treffen. Um unsere Betriebe zu erhalten, braucht es daher ein klares Bekenntnis der Gesellschaft beim patriotischen Einkauf, am besten regionaler Produkte, und auch Rückendeckung von der Politik. Die Unterstützungen rund um einen staatlichen Schutzschirm auch für indirekt Betroffene laufen aber auf Hochtouren.

 

Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel hat den Landwirten bei der BB-Wallfahrt in Mariazell Mut zugesprochen. Was macht Ihnen derzeit Mut?

Der enorme Zusammenhalt, den es trotz dieser schwierigen Situation gibt, etwa in Niederösterreich bei den Corona-Massentests, dank tausender fleißiger Helfer und Bürgermeister in unseren Gemeinden. Ich persönlich rechne aber frühestens im Sommer mit einer Entspannung der Pandemie-Lage.

 

Sie sind in der Landesregierung zuständig für das Krisenmanagement im Land und auch als politisch Verantwortlicher für Niederösterreichs Kliniken gefordert. Wie begegnen Sie Skeptikern der Corona-Auflagen?

Wir werden die Pandemie nur dann überwinden, wenn wir erkennen, dass alle im selben Boot sitzen. Dafür müssen aber alle in die gleiche Richtung rudern. Wir haben in den vergangenen Wochen mehr Pandemie-Tote als in einer gesamten Grippesaison zu betrauern. Es gilt eine schwere Krankheit zu meistern, für die sogar andere dringende Behandlungen aufgeschoben oder gar abgesagt werden müssen.

 

Sehen Sie angesichts der aktuellen Ausgangslage Tücken für die künftige GAP der EU?

Immerhin wurde jetzt in Brüssel das Budget offiziell verabschiedet. Schon im Sommer haben Bundeskanzler Kurz und Landwirtschaftsministerin Köstinger das bestmögliche Budget für die Bauern sichergestellt. Inhaltlich sind für mich noch einige Fragen offen, was die GAP anbelangt.

 

Beim „Greening“ der GAP und beim Tierwohl geht es vielen nicht schnell genug. Ihnen auch?

Alles was derzeit nach weiteren Belastungen für die Bauern riecht, ist falsch. Man sollte hellhörig werden, wenn sich etwa das US-Landwirtschaftsministerium bereits laut Sorgen darüber macht, dass das geplante Greening die künftige Versorgung der Weltbevölkerung, durch einen prognostizierten Rückgang der Agrarproduktion in Europa um bis zu zwölf Prozent, gefährdet. Auch als Präsident des Ökosozialen Forums bin ich der Ansicht: Das ist mit Sicherheit der falsche Weg, wenn dann um 150 Millionen mehr Menschen weltweit Hunger leiden müssen, auch wegen steigender Lebensmittelpreise. Hier muss es noch intensive Gespräche geben. Generell ist Österreich mit seinem Umweltprogramm für die Landwirtschaft aber für die Zukunft gut aufgestellt.

 

Der Klimawandel mit Trockenheit setzt nicht nur dem Wald, sondern auch dem Ackerbau zu. Manche Feldkulturen lassen sich ohne Notfallzulassungen von Pflanzenschutzmitteln gegen Schädlinge kaum führen. Es droht das Aus für Glyphosat. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Reden wir doch einmal Klartext! Wir führen hier eine Luxusdiskussion in Europa, wenn wir bei uns alles verbieten wollen und von anderswo die Produkte importieren. In Niederösterreich haben wir betreffend sinnvoll eingesetztem Pflanzenschutz immer klar Flagge gezeigt.

 

Vor allem Niederösterreichs Landwirte haben für 2021 genügend Rübenflächen kontrahiert, um die Eigenversorgung mit Zucker sicherzustellen. Zufrieden?

Das Wort „systemrelevant“ ist heuer schon genug strapaziert worden. Aber auch hier sieht man, was die Landwirtschaft in Sachen Selbstversorgung bewegen kann. Auch die Rettung von 150 Arbeitsplätzen in der Fabrik haben einzig und allein unsere Bauern sichergestellt.

 

Die Umsetzung strengerer Bio-Regeln wurde verschoben. Wird es am Ende eine Lösung geben, die alle Biobauern zufriedenstellt?

Ganz ehrlich: Ich fürchte nein. Ich hoffe hier aber noch auf den Einfluss der Grünen in der Bundesregierung, sich wie wir für die berechtigten Anliegen unserer Biobauern einzusetzen und in Brüssel untaugliche Auflagen in der Praxis aufzeigen.

 

Was ist bei Ihren Gesprächen mit Umweltministerin Gewessler betreffend der weiteren Förderung von Biogas rausgekommen? Und wie konnte diese überhaupt beim Erneuerbaren Ausbau Gesetz übersehen werden?

Die Position des Bauernbundes betreffend EAG ist klar: Wir fordern eine Gesamtlösung von Wasserstoff bis Biogas. Erstaunt bin ich, wie langsam das vonstattengeht. Dabei gilt es, einfach nur das vor einem Jahr beschlossene Regierungsprogramm umzusetzen. Hier werden wir 2021 einen anderen Ton anschlagen, etwa beim Thema Beimischung von Biokraftstoffen, sprich E10. Hier nichts zu tun wäre grob fahrlässig.

 

Was wird von 2020 im Rückblick bleiben?

Ein noch nie dagewesenes Jahr, wo alles plötzlich anders geworden ist. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir es nächstes Jahr wieder aus der Krise schaffen und sagen werden: Jetzt kann uns nichts mehr erschüttern. Wiewohl mit der heutigen Situation überhaupt nicht vergleichbar, leite ich aus Leopold Figls Weihnachtsansprache vor genau 75 Jahren ab: Es ist unsere Verantwortung, mit eigener Kraft aus dieser auch nicht einfachen Lage wieder schnell herauszukommen.

 

 

Bernhard Weber

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