„profil“: Köstinger attackiert Handel

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hat in der aktuellen Ausgabe des Magazins „profil“ schwere Vorwürfe gegen die Einkaufspraktiken der großen Handelsketten erhoben. Eine aktuelle WIFO-Studie untermauere diese Kritik, meint auch LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger.

Nahm sich gegenüber profil (und dem Handel) kein Blatt vor den Mund: Elisabeth Köstinger. FOTO: BMLRT/Paul Gruber

Landwirtschaft und Lieferanten hätten gegen die Einkäufer der Handelskonzerne keine Chance. „Das sind zum Teil erpresserische Zustände. Wer sich wehrt, wird ausgelistet. Das ist kein fairer Wettbewerb, das sind unfaire Praktiken“, sagte Köstinger im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin. Es gebe ein Missverhältnis zwischen Erzeuger- und Konsumentenpreisen. „Steigen die Preise für Konsumenten, schöpft der Handel diese Marge ab und gibt sie nicht an die Bauern weiter. Zahlen die Konsumenten weniger, trägt das nicht der Handel, sondern der Bauer bekommt entsprechend weniger“, kritisiert die Ministerin.
„Der Preiskampf findet jeden einzelnen Tag im Regal statt. Der Handel lockt die Kunden mit billigen Eiern oder billiger Milch. Was die Ketten da verlieren, holen sie sich durch Aufschläge bei anderen Produkten wieder herein“, so Köstinger gegenüber profil. Bei Schleuderpreisen im Handel könnten die Bauern nichts mehr verdienen.
Das Magazin selbst weist in dem Beitrag darauf hin, dass der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) nirgendwo in Europa (mit Ausnahme von Finnland) derart konzentriert sei wie in Österreich. Die drei großen Konzerne Rewe, Spar und Hofer beherrschen 90 % des Marktes. Auch sei in kaum einem anderen europäischen Land die Dichte an Supermärkten so hoch wie in der Alpenrepublik, schreibt profil.
Schützenhilfe erhält Köstinger von Bauernvertretern wie Josef Moos-brugger: „Unsere kürzlich veröffentlichte WIFO-Studie untermauert deutlich die Kritik Köstingers.“ Betrug der Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfungskette Agrargüter, Lebensmittel und Getränke im Jahr 2005 noch 20,2 %, so verringerte sich dieser im Jahr 2019 auf 17,5 %. „Faktum ist, dass sich unsere Bauernhöfe in einem massiven Würgegriff des Handels befinden. Es besteht dringender Handlungsbedarf, damit nicht noch mehr Familienbetrieben die Luft zum Atmen ausgeht“, findet auch der Präsident der LK Österreich sehr drastische Worte, für die Lage vieler Bäuerinnen und Bauern.
Der Lebensmitteleinzelhandel sei ein klarer Gewinner der Corona-Krise, er habe massiv von den regionalen Versorgungsstrukturen und Produkten profitiert. „Umso mehr wäre er gefordert, sich zu den vorgelagerten Bereichen zu bekennen, statt diese überverhältnismäßig auszunützen und immer weiter in die Enge zu treiben. Das, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat, hat mit verlässlichen Partnerschaften auf Augenhöhe nichts zu tun“, kritisiert Moosbrugger.
Die Agrarpolitiker wissen, wovon sie sprechen. Seit Wochen feilschen die Molkereien mit dem Handel über einige Cent mehr Milchgeld.

Handel weist Kritik zurück
Naturgemäß anders sehen Handelsvertreter die Situation. Während ein Sprecher von Rewe betont, man habe eigentlich „ein gutes Einvernehmen mit Frau Köstinger“ und es gebe klarerweise „unterschiedliche Interessen und Betrachtungsweisen entlang der Wertschöpfungskette“, reagiert die Spar-Gruppe deutlich schärfer: Die Kritik der Ministerin habe „nichts mit der tatsächlichen Sachlage zu tun“. Die hohe Konzentration im Lebensmittelhandel bringe den Landwirten „keine Nachteile“, wird behauptet, aber der scharfe Wettbewerb beschere den Konsumenten Vorteile in Form günstiger Preise. Einen Zusammenhang zwischen niedrigen Verbraucherpreisen und tiefen Erzeugerpreisen für Landwirte kann und will man bei Spar offenbar nicht erkennen.
Angesichts des Zwists eher kalmierend meint Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels in der WK Österreich, die Corona-Krise hätte gezeigt, „wie gut die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Lebensmittelhandel in Österreich funktioniert“. Auch Rainer Will, der Handelsverband-Geschäftsführer, wies erwartungsgemäß Kritik an seiner Branche zurück. Wild spricht sich für die Schaffung einer Mediationsstelle aus, um Probleme „gezielt dort zu behandeln, wo sie stattfinden“.

- Werbung -
AUTORRed. SN
Vorheriger ArtikelEine grenzenlose Freundschaft, die verbindet
Nächster ArtikelAgrar-Terminmarkt 20. September ’21 – Leichte Abschwächung vor der Maisernte