Platter und Geisler: „Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen“

Der Bogen der Spannungsfelder innerhalb der heimischen Bauernschaft ist groß. Während die GAP als selbstverständlich erachtet wird, spielen emotionale Themen wie die Rückkehr der Großraubtiere eine massive Rolle bei allen Bäuerinnen und Bauern. Forderungen nach Herkunftskennzeichnung, höhere Produkterlöse und Chancen für die Berglandwirtschaft sind aber ebenso Grund für viele Diskussionen. Welche Rolle dabei Bauernbund und Tiroler Volkspartei spielen und welche Ziele weiterhin verfolgt werden, erklären Landeshauptmann Günther Platter und sein Stellvertreter Josef Geisler im Gespräch.

LH Günther Platter und LHStv. Josef Geisler im Interview über die Herausforderungen für die Landwirtschaft.

Gleich zum derzeit wohl emotionalsten und wichtigsten Thema in der Landwirtschaft: Der Umgang mit Wolf, Bär und Co.

PLATTER: Das ist nicht nur ein Thema der Landwirtschaft. Das betrifft uns als Gesamtgesellschaft. Ich stelle mich hier klar auf die Seite der Bauern und weiß, dass Almwirtschaft im herkömmlichen Sinne nicht mit Wolf oder Bär vereinbar ist. Ich habe die Bilder gesehen, die Schäden, das emotionale Leid. Viele Mails und Anrufe sind bei mir gelandet. Das geht an mir nicht spurlos vorbei. Wir haben gehandelt und einen neuen Rahmen geschaffen. Erstmals ist die Almwirtschaft als im öffentlichen Interesse definiert. Wir haben Kriterien erarbeitet, wo Herdenschutz nicht möglich ist und – wahrscheinlich das Wichtigste für die Bauern – wir haben Entnahmemöglichkeiten geschaffen. Der erste Bescheid hat lange auf sich warten lassen, aber er ist da. Problemtiere gehören entnommen.

GEISLER: Es war klar, dass gegen diesen Bescheid Einspruch erhoben wird. Das Landesverwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung wegen Gefahr in Verzug aberkannt, zum Bescheid selbst gibt es keinen Spruch. Ich bin damit überhaupt nicht glücklich, aber wir werden auf jeden Fall die Revision einlegen.

PLATTER: Ich möchte noch ergänzen: Jede Diskussion um Wolf und Bär ist hochemotional – und zwar von bäuerlichen Menschen als auch von jenen, die Wölfe strengstens schützen wollen. Wichtig ist, dass die Gesellschaft die Anliegen der Bauern versteht. Hier muss jede Anstrengung unternommen werden.

Das Land Tirol hat schon jetzt viel Geld für Gutachten, Herdenschutz und weitere Punkte in die Hand genommen. Ist das sinnvoll?

GEISLER: Der strenge Rahmen der FFH-Richtlinie gibt dies vor. Wir müssen zuerst gelindere Maßnahmen umsetzen und beweisen, auch wissenschaftlich beweisen, dass etwa Herdenschutz auf Almen in Tirol nicht funktioniert. Denn ob wir es wollen oder nicht, ein Abschuss – also die Ausnahme des Wolfes aus der Schonzeit und die Beurteilung als Schadtier – ist ein wissenschaftlich begleitetes Behördenverfahren. Genau deswegen haben wir ja das Fachkuratorium eingesetzt.

PLATTER: Es ist ja nicht nur das Geld. Wir sind darüber hinaus in engem Austausch mit allen Ländern um uns herum und intervenieren ständig in Wien und Brüssel. Unser nächstes Ziel ist ein gemeinsames Monitoring. Denn ein wichtiger Punkt ist der Erhaltungszustand. Dieser muss gewährt sein. Für Tirol insofern wichtig, weil wir kein ortsansässiges Rudel haben – es gibt also durch die Brille der Wissenschaft nichts zu erhalten. Blicken wir aber über den gesamten Alpenbogen, schaut die Situation ganz anders aus. An diesem Punkt sind wir schon länger dran, aber es ist ein Bohren von harten Brettern.

Wäre es nicht das Einfachste, den Schutzstatus zu ändern oder vergleichbare Regeln wie in Schweden oder Finnland zu haben?

PLATTER: Das klingt simpel und gut. Das ist auch unser Ziel. Aber das schafft man nicht von heute auf morgen. Für die Änderung des Schutzstatus braucht es Einstimmigkeit im Europäischen Rat. Davon sind wir leider weit entfernt. Auch hier gilt: Es braucht massive Bewusstseinsbildung und Verständnis für die Anliegen und die prekäre Situation der Weidewirtschaft in ganz Europa. Hier formieren sich die Betroffenen und wir unterstützen das.

GEISLER: Zu Finnland möchte ich anmerken: Ja, dort wird der Wolf in den Gebieten der traditionellen Rentierhaltung gemanagt, also bejagt. Dasselbe gilt auch für Schweden. Grundvoraussetzung ist aber, dass mehrere hundert Wölfe dort ohne Bejagung streifen dürfen, also der Erhaltungszustand gegeben ist. Die Frage ist, ob wir das so wollen.

Die Gemeinsame Agrarpolitik ist in der Zielgerade. Wie sieht es für die Bauern in Tirol aus?

PLATTER: Ich habe schon vor Monaten den Pakt zwischen Landwirtschaft und Land Tirol erneuert. Das Land wird alle Kofinanzierungsmittel, die die Landwirtschaft benötigt, ausnahmslos zur Verfügung stellen. Das garantiere ich als Landeshauptmann und als Finanzreferent. Hier ist jeder Cent gut investiert. Es muss aber noch weiter gehen. Mich freut es, dass wir hier viele Initiativen gemeinsam mit LHStv. Geisler umsetzen konnten: Von der Almmilchkuhprämie über das klimafitte Grünland bis zur bodennahen Gülleausbringung – alles Punkte, wo wir zusätzlich zu den EU-Mitteln auch viel Geld aus der Landesschatulle im Sinne der Bauern in die Hand genommen haben.

GEISLER: Ja, es war vieles möglich und mit einer starken Vertretung wird auch weiterhin viel möglich sein. Zur GAP: Wir haben für Tirol eine jährliche Erhöhung der Mittel erreicht. Das soll vor allem den Bergbauernbetrieben zugutekommen. Und wir haben noch einige wichtige Projekt in der Pipeline, Stichwort: Herkunftskennzeichnung. In der praktischen Umsetzung der GAP war es uns wichtig, in Abstimmung mit der Landwirtschaftskammer auch Vereinfachungen zu erreichen. So soll etwa die Futterflächenfeststellung auf Almen auf komplett neue, für die Betroffenen rechtssichere Beine gestellt werden.

Herr Landeshauptmann, der Begriff Herkunftskennzeichnung ist gefallen. Wie stehen Sie dazu?

PLATTER: Wir versuchen als Land schon lange, dass dort wo es möglich ist, auch heimische Produkte eingesetzt werden. In den öffentlichen Küchen sind wir mittlerweile wirklich weit, die Pandemie hat außerdem das Bewusstsein der Menschen dafür erhöht. Es ist also die richtige Zeit, hier einen Schritt weiterzugehen. Ich gratuliere den bäuerlichen Vertretern zur Initiative „Ich sag, wo’s herkommt“ als freiwillige Kennzeichnung. Ich beobachte sehr genau, dass immer mehr Gastronomiebetriebe auf diesen Zug aufspringen, weil es die Konsumentinnen und Konsumenten fordern. Sie wollen wissen, woher ihr Schnitzel stammt und wie die Tiere am Hof gehalten werden. Das ist eine große Chance für die Tiroler Landwirtschaft und hier werden wir dranbleiben.

Abschließend ein Blick in das Getriebe der Volkspartei. In den letzten Wochen ist parteiintern einiges passiert. Wie ist der aktuelle Stand?

PLATTER: Zur Volkspartei: Ja, es waren intensive Zeiten. Wir haben aber mit Alexander Schallenberg einen Profi an der Spitze. Jetzt ist es wichtig, die gegenwärtigen Herausforderungen abzuarbeiten. Die Pandemie hat uns auch als Politik noch fest im Griff. Die Maßnahmen sind hart, besonders für jene, die nicht geimpft sind. Wir dürfen hier nicht nachgeben, ein Blick in unsere Spitäler zeigt, wie heikel die Situation aktuell ist. Ich will aber auch einen Blick in den Bauernbund werfen und betonen, was die Bauern mit Josef Geisler für ein Glück haben. Er ist nicht der große Dampfplauderer oder Populist. Er ist aber für seine Bauern ein erfolgreicher Vertreter, auch wenn es nicht immer einfach ist. Gerade bei schwierigen Themen darf man den Bauern nicht Sand in den Augen streuen. Mit dem Landesbauernrat ist es wichtig, Josef Geisler zu unterstützen und damit auch seine Position in der Partei und in der Landesregierung zu stärken. Aus meiner Sicht möchte ich ergänzen: Nur die Volkspartei kümmert sich ehrlich um die Anliegen der Bauern. Das sollte man nicht vergessen!

Knapp vor der weihnachtlichen Festzeit: Welche Wünsche dürfen ein Landeshauptmann und sein Stellvertreter äußern?

GEISLER: Ich wünsche mir Geschlossenheit in der bäuerlichen Welt. Als kleine Gruppe in der Gesellschaft braucht es diese Einigkeit, um unsere Anliegen auch durchzusetzen.

PLATTER: Für mich ist eines ganz wichtig: Ich mache mir Sorgen um den sozialen Frieden im Land. Die Pandemie hat viele Gräben aufgeworfen. Ich wünsche mir, dass die Menschen einerseits auf die Wissenschaft und ihre Leistungen vertrauen und andererseits erkennen, dass wir solche Krisen nur miteinander bewältigen können.

Vielen Dank für das Gespräch!

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