Offener Brief der heimischen Agrarspitze gegen Mercosur-Abkommen

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström verhandelt für die EU am Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

In einem offenen Brief wenden sich Bauernbund-Präsident Georg Strasser, LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger und Copa-Vizepräsident Franz Reisecker an EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström:

Sehr geehrte Frau EU-Kommissarin Malmström!
Sehr geehrter Herr EU-Kommissar Hogan!

Auf Grund des von der EU-Kommission angestrebten zeitnahen Abschlusses der Mercosur-Verhandlungen sieht sich die bäuerliche Interessensvertretung in der Pflicht, die auf den sensiblen Agrarsektor zukommenden Probleme und Herausforderungen aufzuzeigen. Bereits heute will die EU-Kommission eine politische Einigung mit dem Mercosur erreichen. Dies trotz ausgeprägtem Widerstand aus einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten, aber auch von Mitgliedern des neu gewählten Europäischen Parlamentes. So hat Frankreich wiederholt klargemacht, dass insbesondere das Nachhaltigkeitskapitel – mit Verweis auf die Umsetzung des Paris-Abkommens sowie das Thema Entwaldung – ein großes Anliegen ist. Ebenfalls gibt es unausweichliche Hürden im Agrarsektor. Eine von der EU-Kommission beauftragte und Ende 2016 vorgestellte Studie der kumulativen Auswirkungen von Handelsabkommen auf den EU-Agrarsektor kommt zum Schluss, dass der systematische Schutz sensibler Bereiche dringend notwendig ist.

Laut Studie exportierte Österreich 2016 im Agrarsektor rund 40 Mio. Euro in die Mercosur-Staaten, Tendenz sinkend. 95 % davon sind Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie wie Energy-Drinks, Limonaden und Eistees. Dem gegenüber stehen Agrarimporte aus dem Mercosur von rund 160 Mio. Euro.

Der Abschluss eines Abkommens mit Mercosur würde die ohnehin bereits stark negativ geprägte Stimmungslage der heimischen Bäuerinnen und Bauern gegenüber EU-Handelsabkommen verstärken, da der Eindruck vorherrscht, die Landwirtschaft muss wiederholt für Vorteile in anderen Sektoren zahlen.

Entwicklungspolitisch könnte der Vorwurf erhoben werden, die österreichische klein strukturierte Landwirtschaft würde den südamerikanischen Rinder- und Zuckerbaronen geopfert, die Kleinbauern von ihren Feldern vertreiben, durch die Abholzung des Regenwaldes Produktionsvorteile lukrieren und gleichzeitig massiv das Klima schädigen. Österreichs Bäuerinnen und Bauern produzieren nach höchsten Tierwohl- und Umweltstandards, die Produktionskosten belaufen sich hierzulande auf ein Vielfaches, ständig wird über weitere kostentreibende Produktionsauflagen diskutiert.

Der Bauernbund hat ebenso wie die Landwirtschaftskammer Österreich und der europäische Dachverband der Landwirte (COPA) auf europäischer Ebene, gegenüber der EU-Kommission wiederholt zunächst die Vorlage des Angebotes und in weiterer Folge eine Nachbesserung abgelehnt. Es ist nun zu befürchten, dass die Mercosur-Staaten weitere Zugeständnisse fordern werden. Einen Mercosur-Abschluss zu Lasten der heimischen Land- und Forstwirtschaft, der Umwelt und des Klimaschutzes lehnen wir als Vertreter der Bäuerinnen und Bauern daher strikt ab. Es ist der Bevölkerung wohl auch kaum zu erklären, wenn in den nächsten Jahren massenhaft Fleisch, Zucker oder Ethanol von Südamerika nach Europa transportiert werden und gleichzeitig tausende bäuerliche Familienbetriebe in Österreich ihre Höfe zusperren müssen. Dazu kommen noch die enormen negativen Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima durch die langen Transportwege, meist großflächigem Anbau von Monokulturen bis hin zur Zerstörung von Regenwald in Südamerika.

Wir fordern deshalb Sie als politische Entscheidungsträger in der EU-Kommission auf: Keine Zustimmung zu einem Mercosur-Abkommen auf Kosten der Landwirtschaft, der Umwelt und des Klimaschutzes!

  • Der Brexit wird je nach Verhandlungsergebnis beträchtliche Folgen für die Märkte haben, da das Vereinigte Königreich (VK) ein Nettolebensmittelimporteur ist. Dieses potenzielle Ungleichgewicht muss in den Mercosur-Verhandlungen berücksichtigt werden und die EU-Kommission das Ambitionsniveau daher so gering wie möglich halten.
  • Eine vorsichtige EU-Marktöffnung bei sensiblen landwirtschaftlichen Produkten, speziell Rindfleisch, Zucker und Ethanol, abgesichert durch Mengenbeschränkungen und Einfuhrlizenzsystem bei Fleisch in der Zollkontingentadministration ist unabdingbar.
  • Die Einhaltung der EU-Produktionsnormen stellt für die europäischen Landwirte eine finanzielle Belastung und im Gegenzug einen Wettbewerbsvorteil für die Mercosur-Erzeuger dar. Bei Antidumping-Maßnahmen werden diese Kosten nicht berücksichtigt.
  • Seit Aufdeckung der Lebensmittelskandale ist die Rückverfolgbarkeit im Fleischsektor unverzichtbar geworden, um sicherzustellen, dass im EU-Binnenmarkt nicht mit zweierlei Maß gemessen wird.Dementsprechend dürfen Importe ausschließlich nach EU-Lebensmittel-Standards möglich sein, d.h. ohne Verwendung von Wachstumsförderern.
  • Nach derzeitigem Stand sollen 10 österreichische geografische Ursprungsbezeichnungen geschützt werden (Steirischer Kren, Steirisches Kürbiskernöl, Tiroler Speck, Tiroler Alm-/Alpkäse; Tiroler Bergkäse, Tiroler Graukäse, Vorarlberger Alpkäse, Vorarlberger Bergkäse, Inländerrum, Jägertee). Die Eintragung weiterer Geographischen Ursprungsbezeichnungen muss möglich sein.
  • Nachhaltigkeit muss ebenso wie das Vorsorgeprinzip sowie der Durchsetzungsmechanismus unverrückbar im Abkommen verankert werden.
  • Für den Export von EU-Produkten entscheidend ist die Frage, wie im Abkommen ein einheitlicher Zugang der EU-Produzenten zum gesamten Mercosur-Raum sichergestellt werden kann.

 

- Bildquellen -

  • EC-Audiovisual-ServiceLukasz-Kobus: EC Audiovisual Service/Lukasz Kobus
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