Nicht der Wolf ist vom Aussterben bedroht, sondern die Almwirtschaft

Traditionell starten die Kärntner Landwirte mit Ende Mai in die Almsaison und treiben etwa 63.000 Stück Vieh auf die rund 2.000 Kärntner Almen. In diesem Jahr sind sie sowie Politik und Interessenvertretung vor allem wegen der Rückkehr des Wolfes besorgt.

Josef Obweger, Martin Gruber und Siegfried Huber sind sich einig: Das Thema Wolf betrifft nicht nur die Landwirte, auch Touristiker, jeden einzelnen Erholungs- suchenden. Foto: LK Kärnten

Noch nie gab es in Kärnten schon vor Beginn der Almsaison so viele Tierrisse auf Heimweiden und so viele Wolfssichtungen im Siedlungsgebiet wie in den vergangenen Wochen im Möll-, Drau- und Gailtal.Auf diese schwierige Ausgangssituation im heurigen Jahr haben Agrarlandesrat und Jagdreferent Martin Gruber, LK-Präsident und Bauernbund-Obmann Siegfried Huber sowie Almwirtschaftsverein-Obmann Sepp Obweger in einer Pressekonferenz aufmerksam gemacht. Ihr gemeinsamer Tenor: Es brauche mehr Bewusstsein und Unterstützung aus der breiten Bevölkerung in der Wolfsthematik. Diese betreffe nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch den Tourismus und jeden Erholungssuchenden auf einer Alm.

Alleine 35 Risse im Mölltal
Im Almsommer des Vorjahres fielen in Kärnten 123 Nutztiere dem Wolf zum Opfer. Heuer wurden alleine im Mölltal bereits 35 Risse gezählt. „Der Druck der Wolfspopulation aus den Nachbarländern wird immer größer. Wölfe aus Italien oder Slowenien streifen durch Kärntner Gebiete und richten dabei große Schäden an. Deshalb habe ich die Wolfsverordnung auf den Weg gebracht, damit wir bei Problemwölfen rasch eingreifen und die Bevölkerung sowie die Nutztiere schützen können“, erklärte Gruber. Er ist überzeugt: Je mehr dieses Raubtier in Kärnten heimisch werde, desto mehr werde das zu einem Problem für alle. Deshalb könne es nicht die Lösung sein, bewirtschaftete und touristisch genutzte Almen mit hohen Zäunen und Herdenschutzhunden abzuschirmen. Die Umsetzbarkeit und Zumutbarkeit von Herdenschutzmaßnahmen sei auch im Vorfeld zur Erstellung der Wolfsverordnung für die Kärntner Almen geprüft und verneint worden, so Gruber.
Wie es aussehen würde, Almweiden mit „wolfssicheren Zäunen“ auszustatten und damit teils auch Wanderwege zu sperren, wurde bei dem Pressegespräch hoch über Obervellach anhand eines solchen Beispielzauns demonstriert. „Herdenschutz auf Almen ist teuer und funktioniert nicht. Alles andere ist ein Märchen von Umweltorganisationen“, unterstrich LK-Präsident Huber. Er präsentierte dazu einen Faktencheck: In der Schweiz werden viele Millionen Euro in den Herdenschutz investiert. Trotzdem steigt die Anzahl der vom Wolf getöteten Nutztiere jährlich an. Allein im Jahr 2020 seien trotz Herdenschutzmaßnahmen 900 Tiere getötet worden, fünfmal mehr als noch im Jahr 2010.
Schweizer Experten berichten laut Huber, dass die Wölfe lernen, Herdenschutzmaßnahmen zu umgehen. „Auch werden diese zunehmend zur Gefahr für Wanderer und Mountainbiker.“ Weiters erklärte Huber, dass nicht der Wolf vom Aussterben bedroht sei, sondern die Almwirtschaft. „Der Wolf vermehrt sich prächtig, während die Almwirtschaft dadurch immer weiter zurückgedrängt wird. Der Auftrieb der Tiere sinkt seit Jahren. Kommt jetzt noch der Wolf dazu, werden viele Almbauern sprichwörtlich den Hut d‘raufhauen“ warnte der LK-Präsident.
Laut Sepp Obweger vom Almwirtschaftsverein haben einige Almbauern bereits angekündigt, ihre Tiere heuer nicht mehr auf die Alm zu treiben oder bei auftretenden Problemen vorzeitig abzutreiben. „Die ohnehin rückläufige Entwicklung beim Auftrieb von Nutztieren auf die Almen wird dadurch beschleunigt“, sagte Obweger. Fehlt aber die Beweidung der über Jahrzehnte offengehaltenen Flächen, wachsen diese vermehrt zu, und es gehe wertvolle Biodiversität verloren. „Erfolgt nicht bald ein Umdenken auf EU-Ebene betreffend den unverständlich strengen Schutz des Wolfes, dann werden sich die derzeit noch flächendeckende Almbewirtschaftung und damit das Landschaftsbild in unserem Bundesland nachhaltig verändern“, ist der Almwirtschaftvereins-Obmann überzeugt.

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AUTORRed. SN
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