Laufstall Futtertisch
Neue Berechnungsmethoden zeigen, die Klimawirkung heimischer Wiederkäuer ist weit weniger schädlich als bisher angenommen.

Methan (CH4 ) ist ein geruchloses Gas, das von jedem Wiederkäuer im Zuge der Fermentationsprozesse im Pansen ausgestoßen wird. Neben den Nutztieren emittieren auch Stallmistlager, der Nassreisanbau, zudem Gaspipelines sowie Moore Methan. Spätestens seit 2006 stehen die Emissionen der Nutztierhaltung besonders im Fokus. Damals wurde die Sammelstudie „Der lange Schatten der Tierhaltung“ von der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) veröffentlicht. Deren Kernbotschaft: Die globale Tierhaltung habe Schuld an 18 % der gesamten Treibhausgasemissionen. Damit war Nutztierhaltung schlagartig schädlicher als etwa der gesamte Verkehrssektor. Der Vorwurf von der Kuh als „Klimakiller“ war geboren.

Bis heute hält sich dieser Mythos und wird immer wieder unreflektiert publiziert. Wenig Beachtung findet hingegen die Richtigstellung, welche die FAO noch im selben Jahr veröffentlichte. Bei den Berechnungen der Studie wurden damals wesentliche Faktoren nicht berücksichtigt, so war etwa die Kalkulation der Verkehrsemissionen fehlerhaft.

„Rülps-Steuer“ für Rinder
In Neuseeland haben die Methanemissionen der Wiederkäuer nun erstmals auch monetäre Konsequenzen für die Farmer. So verkündete Premierministerin Jacinda Ardern vergangene Woche die geplante Erhebung von Steuern auf Emissionen aus der Rinderhaltung. Ab 2025 sollen Rinderhalter in dem Inselstaat Abgaben für die „klimaschädlichen Rülpser“ zahlen, in noch ungewisser Höhe.

Eine Frage der Gewichtung
Tatsächlich wurde die Wirkung von CH4 als Treibhausgas bisher als etwa 26-fach schädlicher beschrieben als jene des vergleichsweise herangezogenen Kohlendioxids (CO2). Bezüglich der unmittelbaren Treibhausgaswirkung trifft dies auch zu. Allerdings ist Methan auch weit kurzlebiger als andere Treibhausgase. Bereits nach zwölf Jahren ist das Gas vollständig abgebaut, während sich Bestandteile von CO2 bis zu 1.000 Jahre in der Atmosphäre halten können. Diese deutliche Differenz fand bisher in der Kalkulation der Umweltwirkung keine Berücksichtigung.

Bisher berechneten Wissenschafter, allen voran der Weltklimarat (IPCC), die Umweltwirkungen nämlich anhand des relativen Treibhauspotenzials (Global Warming Potential, GWP), wobei der Beitrag eines Treibhausgases zur Erderwärmung in Relation zur selben Menge CO2 gesetzt wird – stets bezogen auf zumeist 100 Jahre. Bei anderen Treibhausgasen, wie etwa Lachgas (NO2), welche ähnliche Eigenschaften wie CO2 aufweisen, ist dieser Vergleich legitim – nicht aber beim rasch abbaubaren CH4.

Die Wissenschaft forderte daher über Jahre eine differenzierte Betrachtung, um die Schadwirkung von Methan realitätsnaher darstellen zu können. 2021 ist der Weltklimarat diesem Ruf gefolgt und präsentierte im 6. IPCC-Sachstandsbericht  die Berechnungsmethode GWP-Stern (GWP*). Vereinfacht erklärt berücksichtigt diese nun in dynamischer Weise sowohl Ausstoß als auch Abbau – mit deutlichen Konsequenzen.

Am Beispiel österreichischen Rindfleischs wird der Unterschied zwischen den Berechnungssystemen sichtbar.

Heimische Nutztiere: weniger klimaschädlich als gedacht
An der Universität für Bodenkultur Wien wurden nun erstmals die Klimawirkungen der heimischen Nutztierhaltung unter Berücksichtigung der neuen GWP*-Metrik vorgelegt. Ein Forscher-Team rund um Nutztierwissenschafter Stefan Hörtenhuber untersuchte die Emissionsentwicklung für Milch, Rind- und Schweineschlachtkörper. Die positive Bilanz: Bei der Milchproduktion sinkt der Klimaeffekt je Kilogramm Produkt um fast 50 %, bei Rindfleisch um 40 %, bei Schweinefleisch um 5 %. Geschuldet sei das auch einer zunehmenden Effektivierung in der Produktion. „In Österreich sind die Milchkuhbestände seit 1990 um über 40 Prozent gesunken. Trotzdem wird heute mehr Milch produziert“, weiß Hörtenhuber. „Je Liter Milch wird somit heute weniger Methan erzeugt als 1990.“

Nichtsdestotrotz steigt die Methankonzentration in der Atmosphäre weiter an. „Die Anwendung des GWP*- Konzepts macht aber deutlich, dass jede Umrechnung von Treibhausgasen eigentlich nur eine Näherung an die eigentliche Klimawirkung darstellt“, erläutert Hörtenhuber die Krux der Thematik. Eine weitere Reduktion der Methan-Emissionen, wie sie hierzulande passiert, hat also nach wie vor Potenzial die globale Erwärmung zu bremsen, wenn auch nicht im selben Ausmaß wie bisher angenommen.

Weiterführende Informationen: 6th IPCC Report, BOKU-Studie

 

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AUTORClemens Wieltsch
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