„Meist ist es die Verfügbarkeit, seltener der Preis“

Der Chef des Verbandes der Gemeinschaftsverpfleger, Manfred Ronge, erklärt im Interview mit der BauernZeitung, wie die Herkunftskennzeichnung in Großküchen und Kantinen ab September 2023 funktioniert und warum 2,2 Millionen Menschen sowie agrarische Erzeuger davon profitieren können.

BAUERNZEITUNG: Wie viele Menschen essen in Österreich täglich außer Haus?

Ronge: 2,2 Millionen essen jeden Tag in Gemeinschaftsverpflegungen. Außer Haus ist die Zahl insgesamt wesentlich höher. 

Die Kennzeichnungspflicht in der Gemeinschaftsverpflegung startet 2023. Welche Herausforderungen gehen für Gemeinschaftsverpfleger damit einher?

Die gute Nachricht vorweg: Nicht mit der Herausforderung, dass wir mehr regionale Produkte brauchen. Wir sind nämlich viel regionaler als die meisten glauben. Unsere große Herausforderung war, Mechanismen zu schaffen, wie wir die Herkunft nachweisen können, weil wir es auch nachweisen wollen.

Ganz im Gegensatz zur Gastronomie, oder?

Genau, wobei ich mich immer zurückhalte, das so bewusst zu sagen, weil ich ja nicht gegen die Gastronomie auftreten möchte. Aber es stimmt, wir können regional und wir haben bessere Voraussetzungen, weil die meisten unserer Betriebe ein Warenwirtschaftsprogramm haben und digitalisiert sind. Wir müssen jetzt wissen wie wird geprüft, wie die Dinge berechnet werden und vor allem, welche Daten wir von unseren Lieferanten bekommen. Wir wollen auch kleine landwirtschaftliche Betriebe als Lieferanten aufnehmen können, da wir viele kleinere Krankenhäuser oder Klöster haben, die schon jetzt extrem regional bei klein strukturierten Landwirten kaufen. Nur fehlt bis jetzt der Nachweis und die AMA-Zertifizierung, gegen die ja auch keiner ist, aber die halt nicht jeder hat. 

Es geht also um besseres Datenmanagement?

Ja, wir müssen die Informationsflüsse sicherstellen. Wir hoffen alle, dass wir noch mehr österreichische Lebensmittel haben und nutzen können. Ein Kollege betreibt beispielsweise 20 Pensionistenwohnhäuser, der hat jetzt schon 100 Prozent, also der kann sich nicht verbessern, der kann es nur richtig dokumentieren.

Wenn ein Konsument die Speisekarte in der Kantine sieht: Wie schaut die Kennzeichnung künftig aus?

Es gibt mehrere Möglichkeiten. Entweder steht die Herkunft auf dem Speiseplan oder man bringt sie in gut sichtbarer Form auf einem Plakat an oder auf einem Monitor. Jeder Gast muss diese Kennzeichnung einfach sehen können. Es darf nicht irgendwo nur klein im Eck stehen. Es wird dann ersichtlich sein, dass diese Küche Rindfleisch verarbeitet, das zu 90 oder zu 95 Prozent aus Österreich stammt, oder dass Milch verarbeitet wird, die zu 100 Prozent aus Österreich stammt. Eier werden in den Kantinen auch sicherlich zu 60 oder 70 Prozent aus Österreich stammen. Da sind es manchmal nur die verarbeiteten Produkte, die nicht immer in ausreichender Menge verfügbar sind. Manchmal ist es die Verfügbarkeit, eher seltener der Preis. Aber mittlerweile gibt es kaum mehr Produkte, die wir nicht bekommen.

Wird künftig in Kantinen auch in EU/Nicht-EU und Österreich oder Region ausgelobt, wie zu Beginn der Begutachtungsfrist angekündigt?

Es wird ausgelobt, wie viel Prozent des Rindfleisches aus Österreich stammen und wie viel Prozent aus der EU oder Nicht-EU kommen. Bei Convenience-Produkten ist die Herkunft möglicherweise gar nicht sichtbar, das kann auch der Fall sein. Oder: Ich habe 80 Prozent Rindfleisch aus Österreich,  15 Prozent aus der EU und die restlichen 5 Prozent aus der Nicht-EU.

Dann erwischt man mit 20%iger Wahrscheinlichkeit kein österreichisches Rindfleisch. Ist das für Konsumenten zufriedenstellend?

Ja, weil es eine ehrliche und klare Ansage ist. Es kommt in der Realität eben immer wieder vor, dass jemand grundsätzlich 100 Prozent österreichisches Rindfleisch kauft, aber beispielsweise durch einen Lieferausfall plötzlich 2 Prozent des Fleisches mit Herkunft EU in der Küche ankommen. Das kann man nicht bis ins letzte Detail auszeichnen.  Dann müsste man definieren, auf welchem Teller das „andere Fleisch“ liegt und das ist unmöglich. Dieses Prozent-System hat sich bei Bio schon sehr bewährt. Beispielsweise bekommen Wiener Kindergärten Essen mit einem 60%-igen Bio-Anteil geliefert. Das kann man kontrollieren, das kann man verstehen und man weiß auch, da ist ein sehr hoher Regional-Anteil drinnen. 100 Prozent schaffen viele, aber 100 Prozent an 365 Tagen bietet der Markt sehr oft nicht.

Bei Frischeprodukten wie Fleisch kann man also nie eine 100%ige Garantie abgeben?

Wenn der Schweinsbraten zu 100 Prozent aus Österreich am Menüplan einer großen Kantine steht und dann mein Fleischhauer kommt und sagt, er hat die Ware nicht, muss dieser einfach die verfügbare Ware aus dem Tiefkühler nehmen. Das ist eben die Realität in Einrichtungen, die für viele Menschen und große Mengen kochen. Gastronomen und Restaurantbesitzer tun sich aufgrund der geringeren Mengen meist leichter.

Diese Prozentzahl wird dann einmal im Jahr seitens der Kantinenbetreiber definiert?

Was ausgelobt wird, muss am Ende stimmen. Der längstmögliche Zeitraum ist ein Jahr, so ist es auch bei Bio. Jeder Küche ist es aber freigestellt, kürzere Zeiträume zu wählen. Zum Beispiel ein Quartal. Den Krankenhäusern in Österreich wird von ihren Landesregierungen vorgeschrieben, wie viel Anteil am Produkt aus Österreich sein muss. Das ist jetzt schon der Fall und wird jetzt schon sorgfältig geprüft. 

Was halten Sie von Kindergärten mit 100 Prozent Bio-Ziel?

In Wien haben die Kindergärten zu 60 Prozent Bio-Anteil, Tendenz steigend. 100 Prozent Bio wird man nicht schaffen, weil viele Lebensmittel in Bio-Qualität schlichtweg nicht erhältlich sind und man schränkt sich dann natürlich ein. Je höher der Bio-Anteil, umso schwieriger wird es mit dem Regional-Anteil, weil nicht alles in Bio-Qualität erhältlich ist. 

Legen Konsumenten in Kantinen Wert auf Herkunft Österreich?

Sehr stark, ja. Viele Eltern von Kindergartenkindern legen Wert drauf und fragen nach. In der Schule wird nachgefragt aufgrund der Eltern, also auch dort ist es mittlerweile wichtig. Im Krankenhaus geht es um die Region, um zu Hause, um’s geerdet sein und gerade dort ist es auch eine Frage der Politik in jedem Bundesland. Bei Essen auf Rädern ist es den meisten nicht so wichtig, also zumindest derzeit noch nicht. Wenn heute beispielsweise ein großes Unternehmen die Kantine für einen externen Betreiber ausschreibt, dann ist es mittlerweile normal, dass dort ein gewisser Regional-Anteil verankert ist. Wir haben schon jetzt einen sehr hohen Anteil und man darf sich bei uns nicht zu sehr erwarten, dass der Absatzmarkt extrem in die Höhe geht. 

Was können Landwirte tun, um den Regional-Anteil weiter zu erhöhen?

Uns vertrauen. Uns würde es freuen, wenn wir wahrgenommen werden als diejenigen, die bereits sehr regional einkaufen. Ich hätte auch gern, dass sie auf uns zukommen, um Produkte zu erzeugen, die wir brauchen können. Manchmal kaufen wir kein österreichisches Produkt, weil wir zum Beispiel die Verpackungsgröße einfach nicht bekommen, die wir benötigen, und eben nicht, weil das österreichische Produkt mehr kostet.

Zur Person:

Manfred Ronge ist Präsident des Dachverbandes GV-Austria für öffentliche Anbieter und öffentliche Bereiche wie Krankenhäuser, Schulen, Horte, Kindergärten, Pflegeheime, Gemeinschaftsverpflegung, Kantinen oder auch Restaurants. 

- Bildquellen -

  • Manfred Ronge (c) GV Austria: GV-Austria
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AUTORMartina Rieberer
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