Mais-Sortenwahl mittels Silomais-Reifeindex

Witterungsbedingt extreme Jahre machen es zunehmend schwerer, den richtigen Erntezeitpunkt für Mais zu bestimmen. Der Trockenmasse-Gehalt der Gesamtpflanze alleine ist meist zuwenig aussagekräftig. Zielführender ist es, das Reifeverhältnis von Korn zu Restpflanze zu ermitteln, berichtet Pflanzenbauberater Reinhard Amler.

Der optimale Erntezeitpunkt rückt näher, wenn das Trockenmasseverhältnis von Korn zu Restpflanze zumindest den Wert 2,6 erreicht hat.

Extreme Witterungsbedingungen erschweren zunehmend die Wahl des richtigen Erntezeitpunktes bei Mais. Beispielsweise gab es im Osten Österreichs heuer dürregeschädigte Bestände, die schon im August notreif waren. Hier stellte sich die Frage: „Jetzt schon ernten oder auf Regen und einen Neuantrieb hoffen?“ Andererseits gab es in westlichen Feuchtlagen die Problemstellung, wie lange man die Ernte noch hinauszögern solle, um die Abreife zu erreichen.
In beiden Fällen ist das übliche Reifesystem mit dem TM-Gehalt der Gesamtpflanze als Indikator der Reife bzw. den nutzungsspezifischen Reifezahlen für die Sortenwahl von Silo- bzw. Körnermais (SRZ, KRZ) nur bedingt aussagekräftig.

Meist wird zu spät geerntet

Der TM-Gehalt der Gesamtpflanze ist zwar mit vergleichsweise geringem Aufwand bestimmbar, allerdings hat dieser Wert als Reifeindikator umfassende Schwächen. Aufgrund der weiten Erntespanne von 30 bis 35 % TM ist die Aussage zum Erntetermin sehr ungenau und hat aufgrund von Ertrags- und Qualitätseinbußen meist monetäre Verluste und nachteilige Umweltwirkungen zur Folge. Denn selbst bei vermeintlich „optimalem“ TM-Gehalt streuen reifeinstabile Sorten stark in den je nach Nutzungsrichtung wertbestimmenden Inhaltsstoffen.
Erfahrungsgemäß er- folgt die Ernte meist zu spät, weil der „optimale“ TM-Gehalt der Pflanze abgewartet wird. Dabei bleibt außer Betracht, dass Kolben und Restpflanze mit unterschiedlichem Tempo abreifen. Die physiologische Reife ist von der Fotosyntheseleistung der Maispflanze abhängig. Sie kann einen deutlich differenzierten Verlauf der Kornreife und Pflanzengesundheit bewirken. Dies hat zur Folge, dass in der Entwicklung der Bestände nach der Blüte die Kornreife vorauseilt gegenüber der zunächst langsameren Abreife der Restpflanze.
Um die Reifedynamik zwischen Korn und Rest- pflanze zu berücksichtigen und den Reifegrad genauer bestimmen zu können, braucht es neben dem TM-Gehalt der Gesamtpflanze mindestens einen weiteren Indikator – dies kann der TM-Gehalt des Korns („Kornreife“) oder alternativ auch der Stärkegehalt der Pflanze sein.

Silomais-Reifeindex sollte 2,8 erreichen

In Zahlen ausgedrückt erhält man durch Division des TM-Gehalts des Korns durch den TM-Gehalt der Restpflanze (beides in %) den Silomais-Reifeindex (SRI). Der große Vorteil dieses Index ist, dass er einen exakten Nachweis der Reife ermöglicht sowie unter allen denkbaren Reife-, Anbau- und Umweltbedingungen anwendbar ist. Der SRI eignet sich zudem für alle Nutzungsrichtungen im Maisanbau. Weiters kann der SRI vom Landwirt unter Praxisbedingungen selbst gemessen werden. In Reihenuntersuchungen wurde ermittelt, dass sich das Reifeoptimum ab einem SRI-Wert von 2,6 einstellt. Erreicht ist der Optimalpunkt bei SRI 2,8 (TM-Gehalt im Korn 63 %, TM-Gehalt der Restpflanze 22,5 %). Dieser Wert entspricht am besten den ökonomischen und ökologischen Anforderungen an den Maisanbau und ist in der Praxis für alle Nutzungsrichtungen anwendbar. Der parallele Verlauf der Kurven des Stärkegehaltes und des Methangasertrages und deren Maxima sind Zeugnis dafür (siehe Grafik).

Die physiologische Kornreife und -härte reifestabiler Maissorten (SRI 2,8) bewirken ihrerseits höhere Passageraten an pansenstabiler Stärke in den Dünndarm mit besseren Verwertungsraten. Der TM-Gehalt der Gesamtpflanze nimmt in diesem Zusammenhang quasi linear ab, die Pflanzengesundheit (Mykotoxine, Carotin), Schmackhaftigkeit und Strukturwirksamkeit verbessern sich messbar. In der Milchkuhfütterung werden aufgrund dessen höhere absolute Mengen an Grundfutter verzehrt bei besserer Milchleistung, Fruchtbarkeit und Tiergesundheit.
Darüber hinaus verbessern sich durch die exaktere, reifebezogene Bestandesführung umfassend die ökologischen Bedingungen auf dem Feld. So lässt sich durch eine Düngung, die auf entwicklungsbezogenen Nährstoffbedarf abgestimmt ist, der N-Bodenvorrat minimieren. Der Anfall von Silosickersaft wird reduziert, und die Böden werden nicht übermäßig mit Fusarientoxinen belastet, welche nachteilig auf die Nachfrucht Winterweizen wirken.
Wer das Ertragsmaximum voll ausreizen möchte, sollte bei Biogasmais einen SRI von 2,78 anstreben. Bei Mais zur Körnergewinnung und für die Rindermast liegt das SRI-Optimum zwischen 2,83 (Zeitpunkt der maximalen Stärkeeinlagerung) und 2,96 (Abschluss der Kornfüllungsphase). Bei der Erzeugung von Maissilage zur Milchproduktion könnten SRI-Werte von 3 und darüber angestrebt werden („maximal möglicher SRI).
Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Nutzungsrichtungen in der Praxis annähernd marginal, sodass Betriebe mit mehreren Produktionszweigen (Gas, Mast, Korn und Milch) die bei SRI 2,6 bis 2,8 gewonnene Maissilage aus einem Silo entnehmen können. Notwendige Additive können beim Einsatz der Silagen gezielt verfahrensspezifisch verabreicht werden. Maissilage ist bekanntlich kein Alleinfutter.

„Vitalisieren“ kostet Inhaltsstoffe

In der Praxis kann der zu wählende Erntezeitpunkt auch stark vom optimalen Termin (SRI ≥ 2,6) abweichen – beispielsweise bei den eingangs erwähnten Wetterextremen. Beispielsweise kann der richtige Erntezeitpunkt in notreifen Beständen bereits auch bei einem SRI von 1 oder darunter vorliegen.
Entwickelt sich der SRI für den Landwirt nachteilig, dann sollte der Mais (entsprechend der aktuellen Situation) unabhängig von der Zahl verbleibender Vegetationstage oder der Wärmesumme unverzüglich geerntet werden. Ein Hinausschieben der Ernte geht vor allem zulasten der Futterqualität. Die Gefahr des Auftretens von Mykotoxinen wächst. Alle weiteren Parameter der Silierung, des Verzehrs und der Verwertung verschlechtern sich.
Auch ein Warten auf ein erneutes Vitalisieren der Bestände bei Trockenperioden sollte deshalb unterlassen werden. Ein Vitalisieren kostet wertvolle Inhaltsstoffe und die erneute Entwicklung der Maisbestände ist zeitlich sehr begrenzt. Auch ein gehäuftes Auftreten von Maisbeulenbrand ist nicht ausgeschlossen, da das junge Gewebe sehr anfällig für Pilzinfektionen ist. In der Folge ist die Energieaufnahme bzw. Verwertung verpilzter Maissilagen in der Wiederkäuerfütterung und Verstromung in mehrfacher Hinsicht reduziert.

Anwendung der NIRS-Technologie

Zur Bestimmung des SRI stehen in der Praxis drei Methoden zur Verfügung (siehe Kasten). Neben der direkten Korn-/Restpflanzen-Methode sind auch zwei indirekte Methoden möglich, bei denen vom TM- bzw. Stärkegehalt der gesamten Pflanze auf den SRI zurückgerechnet wird.
In der Laborpraxis und zunehmend vor allem auch beim Einsatz von Maishäckslern mit Sensortechnik hält zunehmend die Ermittlung des Futterwertes mittels Nah-Infra-Rot-Sensoren (NIRS) Einzug. An den damit ausgestatteten Feldhäckslern ist der NIRS-Sensor am Auswurfkrümmer montiert, wo er den TM- und Stärkegehalt des Häckselgutes misst. Mit der NIRS-Methodik können schnell und exakt viele Proben bei geringem manuellem Aufwand untersucht werden. Der Aufpreis der NIRS-Auswertung bei der Maisernte von etwa 20 bis 27 Euro/ha ist gut investiert, wenn man die Daten entsprechend nutzt.
Mithilfe der G/S-
Reifemethode ist die Ermittlung des SRI bereits in Vorbereitung zur Maisernte oder auch danach möglich. Die enge Korrelation zwischen dem Reifeverhältnis und den ausgewiesenen Erträgen und Qualitäten ermöglicht eine Rangbildung von extrem unterschiedlichen Maissorten mittels SRI, und zwar gleichermaßen im konventionellen Anbau oder im Bio-Maisanbau. Darauf aufbauend lässt sich die Anbauwürdigkeit der untersuchten Maissorten nach weiteren relevanten Eigenschaften ermitteln. Je nach Verwendungszweck (Silier- bzw. Körnermais) sind unterschiedliche Anpassungen möglich.
Beispielsweise spielen in der Rinderfütterung die Kornreife und die Häcksellänge eine wichtige Rolle. Die Schätzung der Kornreife nach der G/S-Methode ermöglicht permanent eine autonome Einstellung des Korncrackers am Maishäcksler. Damit lassen sich zu erwartende Stärkeverluste im Kot bei höheren Kornreifegraden in der Wiederkäuerfütterung umgehen. Parallel dazu kann mit der Schätzung der Alterung der Restpflanze die Häcksellänge nutzungsspezifisch automatisch eingestellt werden.

Nützliche Hinweise zur Sortenwahl

Auf der Basis der NIRS-Untersuchung der Maisproben und der Anwendung der G/S-Methode lassen sich auch in Sortenprüfungen weitreichende Aussagen zum Ernteverlauf und zum Sortenmaterial treffen. Daraus sind schließlich gesicherte Sortenempfehlungen für unterschiedliche regionale Anbauverhältnisse ableitbar.
Mit dem SRI ist eine Rangfolge der Bewertung der Maisreife sowie Reihenfolge der Ernte, Standorteignung und Anbauwürdigkeit der Maissorten möglich, und zwar weitestgehend ohne Kenntnis vorangegangener Bonituren während der Vegetation. Die standortgerechte und nutzungsspezifische Sortenwahl nach dem SRI-System ermöglicht, das Maissortiment auf die betrieblichen Belange bei hohem ökonomischem und ökologischem Niveau zu beschränken. Dazu ein Beispiel, das in der Tabelle ersichtlich ist.

Nach dem SRI ausgewertet wurden dabei in Summe 30 Maissorten, von denen in der Tabelle unter Bezug auf den ermittelten SRI die sieben besten und die sieben schlechtesten dargestellt sind.
Wie aus der Spalte „Abreife“ ersichtlich, wurde weitgehend im optimalen TM-Bereich geerntet, dennoch sind anhand der mittleren Energiedichte von 6,0 MJ NEL je kg TM bereits deutliche Reserven erkennbar. Die erweiterte Reifeanalyse weist auf eine verspätete Mais­ernte hin. Die Kornreife liegt im Mittel von 67,8 % deutlich über der physiologischen von 63 %. Korrespondierend verhält sich die Abreife der Restpflanze mit durchschnittlich 26,4 % außerhalb ihres vitalen TM-Bereiches von weniger als 23 %.
Die sieben besten Sorten (A bis G) liegen im ökophysiologisch optimalen Reifebereich oberhalb des SRI von 2,6. Den SRI-Referenzreifepunkt von 2,8 erreicht das in diesem Beispiel ausgewiesene Sortenmaterial in keinem der Fälle. Dies zeigt gravierende ökonomische und auch ökologische Reserven an, die durch eine verbesserte Sortenwahl nutzbar wären.

Standörtlicher Sortentest

Anhaltspunkt für eine standortgerechte und nutzungsspezifische Sortenwahl ist das dauerhafte Erreichen des SRI-Referenzreifepunkts von 2,8. Abzuraten ist von Sorten mit regional zu hohen Reifezahlen. In solchen Fällen kann die Sorte ihr genetisches Potenzial auf dem jeweiligen Standort meist nicht ausschöpfen. Zu späte Sorten können die standortbezogene Fotosyntheseleistung nur unvollkommen ausnutzen. In der Folge erreichen sie nicht die optimale ökophysiologische Reife.
Auch der reifespezifische Sortentyp (Stay green, Synchron bzw. Harmonisch, Dry down) ist keinesfalls genetisch fixiert bzw. konstant, sondern bildet sich im Zusammenwirken mit den standörtlichen Gegebenheiten heraus. Somit bedarf es einer permanenten standörtlichen Selektion durch den Landwirt, um mittels SRI die für den jeweiligen Standort und die geplante Nutzungsrichtung am besten geeigneten Sorten herauszufiltern. Dazu können beispielsweise jährlich einige neue Sorten auf kleinen Flächen mittels K/R-Methode getestet werden.
In der Folge können dann weitere wichtige Sortenmerkmale in Betracht gezogen werden:
• für die Mast sind dies der Stärke- und Energiegehalt und der Energieertrag,
• in der Milchproduktion sind Energiegehalt, Strukturwirksamkeit und die Zellwandverdaulichkeit in Abhängigkeit vom Laktationsstadium und Leistungspotenzial zu beachten,
• für die Biogasproduktion zählen Ertrag und die spezifische Gasausbeute,
• beim Produktionsziel Körnermais zählen standfeste Sorten mit hohem Kornpotenzial bei guter Druschfähigkeit sowie geringer Kornfeuchte zwecks Minimierung der Trocknungskosten.
Mittels der NIRS-Technik in der Feld- sowie Laborphase und der praktikablen G/S-Reifemethode lässt sich der Silomais-Reifeindex (SRI) bestimmen. Damit ist eine punktgenaue Bestimmung der Maisreife und letztlich des aktuellen, richtigen und optimalen Erntezeitpunktes möglich. Auch der Ablauf der Ernte auf den anstehenden Maisschlägen ist optimierbar. Der SRI eignet sich als universelles Steuerinstrument für ein Produktsicherungskonzept im Maisanbau.

So wird der Silomais-Reifeindex ermittelt
Zur Bestimmung des Silomais-Reifeindex (SRI) stehen in der Praxis drei Methoden zur Verfügung:

K/R-Methode: Mit der „Korn-/Restpflanze-Methode“ kann man mittels Trockenmasse-Messung die differenzierte Reifekontrolle selbst durchführen. Dazu entnimmt man drei repräsentative Pflanzen des Schlages, rebelt die Körner ab und misst mittels Schnelltestgerät die Kornfeuchte (ohne Spindel). Die Restpflanze muss gehäckselt werden (z. B. mit einem Gartenhäcksler) und anschließend bis zur Gewichtskonstanz getrocknet werden (ca. ein Tag im Trockenschrank). Der Quotient aus TM-Gehalt im Korn und TM-Gehalt der Restpflanze ergibt den SRI.
K/G-Methode: Die „Korn-/Gesamtpflanze-Methode“ ist weniger aufwendig als die K/R-Methode, weil hier die Trocknung der Restpflanze durch eine Schätzung des TM-Gehalts der Gesamtpflanze ersetzt wird. Dazu eignen sich moderne Satelliten-Verfahren, Drohnentechnik bzw. Feldhäcksler mit TM-Messung. Der TM-Gehalt des Korns wird wiederum mittels Schnelltester ermittelt. Den SRI erhält man in diesem Fall indirekt unter Zuhilfenahme einer Schätztabelle, in die man die ermittelten TM-Gehalte einträgt.
G/S-Methode: Mittels der „Gesamtpflanzen-/Stärkegehalts-Methode“ wird der SRI ebenfalls indirekt ermittelt, wobei hier der TM-Gehalt der Gesamtpflanze und ihr Stärkegehalt Grundlagen der Berechnung sind. Zur Bestimmung der Parameter benötigt man allerdings Laboranalysen der Maispflanzen oder die Auswertung mittels NIRS-Technologie am Feldhäcksler. Die Daten trägt man in der Folge wiederum in eine Excel-Tabelle ein aus der sich dann der SRI ablesen lässt.
Die direkte Messung (K/R-Methode) ist genauer als die Schätzmethoden. Zur Ernte sind die K/G- bzw. die G/S-Methode aber aussagekräftig genug. Mittels mehrerer, bzw. je nach Witterung zumindest drei zeitlich aufeinanderfolgenden Messungen lässt sich neben den Momentaufnahmen auch der Entwicklungs- bzw. Abreifeverlauf ermitteln. Der damit verbundene Aufwand lohnt sich, da mit dem SRI auch der Grad der Standorteignung einer Sorte, der reifespezifische Sortentyp sowie die Reproduzierbarkeit der Sortenleistung quantifiziert werden können.
Die Excel-Tabellen zur Berechnung des SRI sind hier abrufbar:
•1 K R Methode
•2 K G Methode
•3 G S Methode

| Dr. Reinhard Amler ist Pflanzenbauberater
in Angersdorf, D |

- Bildquellen -

  • 2251 03 SRI Maisbestand: agrarfoto.com
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