Der Lavendel zählt zu den bekanntesten Heilkräutern Europas und findet sich auch auf dem österreichischen Markt in vielen Produkten wieder. Derzeit wird der Bedarf durch Importe gedeckt. Die Klimaerwärmung könnte eine Chance sein, die wärmeliebende Pflanze aus der Provence auch hierzulande zu kultivieren und heimisch zu machen.

Die ersten zarten Triebe sprießen schon aus dem Boden. Denn bereits im September wurden Lavendelpflanzen angebaut. Lavendel kann sowohl im Herbst als auch im Frühling gepflanzt werden. Um den besten Zeitpunkt für das Pflanzen im Mühlviertel herauszufinden, erfolgt der zweite Teil der Pflanzung im Mai. Im heurigen Sommer erwarten die Projektpartner bereits eine erste kleine Ernte – 2022 soll diese schon größer ausfallen.

Quelle: Biokompetenzzentrum Schlägl
Die ersten Lavendelpflanzen auf den Feldern im Mühlviertel.

Schonende Ernte- und Verarbeitungstechnik gesucht

Das Biokompetenzzentrum Schlägl begleitet die Anbauversuche bei sechs Landwirten auf wissenschaftlicher, fachlicher und praktischer Ebene. „Um den wärmeliebenden Lavendel im Mühlviertel zu kultivieren, müssen wir nach geeigneten Sorten und Anbaumethoden suchen und die dazu passende Ernte- und Aufbereitungstechnik für die gesamte Produktkette entwickeln. Ziel ist, wirtschaftlich rentable klimaangepasste neue Betriebszweige für die kleinstrukturierte Landwirtschaft im Mühlviertel zu etablieren“, erklärt Julia Hochreiter, Mitarbeiterin des Biokompetenzzentrums.

Für Tees oder Gewürze wird die Lavendelblüte verarbeitet, das Gewinnen des ätherischen Öls steht hier nicht im Fokus. Die Blüten dürfen weder gequetscht noch beschädigt werden – weder bei der Ernte, noch beim Trocknen, noch beim Verarbeiten. Dafür braucht es innovative Lösungen.

Daher muss eine neue und schonendere Erntetechnik nahe der Handernte entwickelt werden. Statt der gängigen Technik mit Abmähen und Häckseln ist eine lebensmittelechte Erntetechnologie das Ziel des Projekts. Denn beim Häckseln werden die Lavendelblüten zerkleinert und entsprechen nicht mehr den Qualitätskriterien für die Produktion von Lebensmitteln. Außerdem sind die gängigen Maschinen nicht für die im Mühlviertel passende einreihige Ernte geeignet. Trotzdem braucht es für eine effiziente Trocknung und um die Qualitätsstandards zu erreichen, ein automatisiertes System. Denn bei „einfacher“ Lufttrocknung könnte eventuell die mikrobiologische Belastung zu hoch sein.

„In Frankreich, Bulgarien und Spanien haben die Produzenten wegen der Trockenheit mit Schädlingsbefall und Ernteausfällen zu kämpfen. Da unser Firmen-Credo auf Regionalität basiert, wollen wir auch exotische Rohstoffe wie Lavendel von lokalen Produzenten aus dem Mühlviertel beziehen. Damit unterstützen wir unsere Landwirte, fördern die Biodiversität im Mühlviertel und stärken unsere Marke Bergkräuter“ erklärt Karl Dirnberger, Geschäftsführer der Österreichischen Bergkräutergenossenschaft.

Landwirt und Maschinenbauer tüftelt an Automatisierung

Nach dem Trocknen geht es um die präzise Trennung von Blatt, Blüte und Stängel. Da bei der Österreichischen Bergkräuterngenossenschaft in Hirschbach bisher nur Blattkräuter aufbereitet wurden, gibt es dafür noch keine geeignete Technik. Kleinere Lavendelproduzenten trennen häufig noch händisch. Doch in diesem Projekt soll auch dafür eine geeignete Automatisierungslösung gefunden werden. Hier kommt der Maschinenbauer Johannes Mittermair aus Schönegg ins Spiel. Er entwickelt gemeinsam mit den Landwirten geeignete Kultivierungs-, Ernte-, und Aufbereitungstechniken.

Der Unternehmer freut sich auf die Pionierarbeit, die er in einem neuen Geschäftszweig leisten kann: „Das Projekt gibt mir die Chance, mein Unternehmen als Spezialisten für kleinstrukturierte Lavendelkulturführung, -ernte und -aufbereitung zu etablieren. Dadurch werden wir gegenüber großen Maschinenbautechnikern konkurrenzfähig und können wachsen. Das steigert die regionale Wertschöpfung, schafft Arbeitsplätze und sichert diese.“ Der Landwirt baut auch auf seinen eigenen Feldern Lavendel an, um auf einer betriebseigenen Versuchsfläche praxistaugliche Lösungen zu erproben und zu entwickeln.

Der regionale Rohstoff „Mühlviertler Granit-Lavendel“ als Alternative zum Import soll regionale Wirtschaftskreisläufe fördern, indem die gesamte Wertschöpfung in der Region erfolgt – über die gesamte Produktionskette hinweg von der Rohstoffproduktion über die Verarbeitung bis hin zum fertigen Produkt. Die blütenreichen Pflanzen sind außerdem eine Nahrungsquelle für Insekten. So leistet der Lavendel einen Beitrag zur Biodiversität im Mühlviertel. Gleichzeitig werten die Lavendelfelder die Kultur- und Agrarlandschaft auf und erhöhen die Chancen auf sanften Tourismus in der Region.

- Bildquellen -

  • Lavendel Pflanze Gewachsen Im November©Biokompetenzzentrum Schlägl: Biokompetenzzentrum Schlägl
  • Lavendel Feld Thaller November Mit Grünstreifen In Sarleinsbach©Biokompetenzzentrum Schlägl: Biokompetenzzentrum Schlägl
- Werbung -
AUTORThomas Mursch-Edlmayr
Vorheriger ArtikelRZV: Deutlicher Preisanstieg
Nächster ArtikelNeustart für Onlineforum