Landwirtschaft 4.0: Neue Stufe der Vernetzung und Digitalisierung

Das Begriff Industrie 4.0 ist zurzeit modern. Die zunehmende digitale Vernetzung in der Produktion hat auch auf die Landwirtschaft Auswirkungen. Die Möglichkeiten im Internet sind äußerst vielfältig. Da stellt sich die Frage: Spielt sich di

Unterschiedlichste Daten mit Ortsbezug sind ein wichtiger Bestandteil von Landwirtschaft 4.0. ©ZVG
Unterschiedlichste Daten mit Ortsbezug sind ein wichtiger Bestandteil von Landwirtschaft 4.0. ©ZVG
Aufmerksame und auch an der Industrie interessierte Leser begegnen in der letzten Zeit immer wieder einem Begriff: Industrie 4.0. Der Ausdruck geht auf ein Zukunftsprojekt der High-Tech-Strategie der deutschen Bundesregierung zurück und kennzeichnet die “4. Industrielle Revolution”. Gemeint ist damit die Vernetzung der industriellen Produktion mit modernen Methoden der Informations- und Kommunikationstechnologie, also der Aufbau von intelligenten Fabriken mit intensivem Informationsaustausch zwischen Mensch, Maschinen, Produkten und Service. Mittlerweile wird der Begriff auch für andere neue Bereiche verwendet, z. B. Arbeiten 4.0, Schule 4.0 usw.

Mechanisierung als erste Landtechnik-Revolution

Dipl.-Ing. Heinrich Prankl, Francisco Josephinum/BLT Wieselburg ©rivat
Dipl.-Ing. Heinrich Prankl, Francisco Josephinum/BLT Wieselburg ©rivat
Betrachtet man die technischen Entwicklungen in der Landwirtschaft, so lässt sich erkennen, dass es in der Geschichte bereits mehrere Entwicklungsstufen gab. Als erste landtechnische Revolution kann man die Mechanisierung in der Landwirtschaft bezeichnen, die Ende des 18. Jahrhunderts eingesetzt hat. Erste, meist dampfbetriebene Maschinen erleichterten die Arbeit und lösten Tiere als Antriebsquelle ab. Etwa ab 1900 setzte sich der mit einem Verbrennungsmotor (zuerst Benzin, dann Diesel) ausgestattete Traktor durch, der aber vorerst als reines Zugfahrzeug benutzt wurde.

Meilensteine Dreipunkt, Hydraulik und Zapfwelle

Als zweite technische Revolution könnte man die Einführung von Dreipunkt, Hydraulik und Zapfwelle bezeichnen. Damit konnte nicht nur eine neue Generation von Mähdreschern gebaut werden (erster selbstfahrender Mähdrescher wurde in Europa im Jahr 1951 vorgestellt), sondern der Traktor selbst entwickelte sich zu einer universellen Arbeitsmaschine. Neben der reinen Zugarbeit war es damit möglich, verschiedene Arbeitsprozesse zu bewerkstelligen und die Arbeitsmaschinen mit Energie zu versorgen. Es wurde die Basis für eine neue Gerätegeneration für Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz, Düngung sowie Grünland- und Erntetechnik gelegt. Die Maschinen wurden damit wesentlich leistungsfähiger und damit die Arbeitsvorgänge effizienter.

Elektronik und Sensoren übernehmen die Steuerung

Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Landmaschinen intelligent. Die Einführung von Elektronik und Steuerungstechnik bewirkte eine deutliche Verbesserung von Wirkungsgrad und Bedienungskomfort von Traktoren, Anbau- und Anhängegeräten, aber auch von selbstfahrenden Arbeitsmaschinen. Erstmals wurden verschiedenste Sensoren verbaut und bis dahin übliche mechanische Regler durch elektronische Steuer- und Regelgeräte ersetzt. Elektronische Motorsteuergeräte, Hubwerksregelung und später die Einführung des Traktorterminals prägten die technische Entwicklung. Mit GNSS (Satellitennavigation) wurden Parallelfahrsysteme eingeführt. Im Gegensatz zum Navi im Pkw erreichen die Lenksysteme des Traktors Genauigkeiten von besser als einem Meter, mit RTK-GPS sogar im Zentimeter-Bereich. Mit der Einführung des Isobus wurde aus dem Traktor-Gerätegespann eine einheitliche Maschine. Dabei wurde aber auch sichtbar, dass mit der Elektronik eine neue Dimension an Problemen verbunden war. Denn spätestens seit diesem Zeitpunkt konnten Landwirte die notwendigen Reparaturen nicht mehr selbst vornehmen. Mangel an Kompatibilität und schwierige Fehlerbehebung sorgten in der Vergangenheit und sorgen noch immer für eine zögerliche Marktdurchdringung.

Letzte Stufe: Digitalisierung und Vernetzung

Der mobile Zugriff auf Informationen mithilfe von Smartphones oder Tablets wird immer wichtiger. ©Lupo /pixelio.de
Der mobile Zugriff auf Informationen mithilfe von Smartphones oder Tablets wird immer wichtiger. ©Lupo /pixelio.de
Was ist aber nun die vierte Stufe der Entwicklung in der Landtechnik, also die Landwirtschaft 4.0? Analog zu Industrie 4.0 und aufbauend auf den Möglichkeiten des Internets beginnen die Landmaschinenhersteller nun damit, die bereits intelligenten Maschinen miteinander zu vernetzen. Genauso wie die modernen Pkw kann die neueste Traktorengeneration nunmehr an das Internet angekoppelt werden. Damit hat auch ein regelrechtes Begriffswirrwarr eingesetzt: Precision Farming, Smart Farming und andere Begriffe liest man in den verschiedensten Fachbeiträgen. Was steckt nun hinter den Begriffen, und wo liegt letztendlich der Nutzen für die Landwirtschaft? Oder ist das wieder nur eine neue und noch dazu teure Fehlerquelle?Unter Precision Farming (oder Präzisionslandwirtschaft bzw. teilflächenspezifischer Bewirtschaftung) versteht man eine Technologie, die es erlaubt, die Geräteeinstellungen innerhalb eines Feldes oder Schlages zu ändern. Kein Feld ist durchgehend homogen, hat eine vollständig einheitliche Bodenstruktur oder gleichmäßigen Pflanzenbestand. Wenn sich nun die Nährstoffverfügbarkeit innerhalb eines Teilabschnittes ändert, liegt es auf der Hand, dass auch die Nährstoffversorgung, also die Düngung, geändert werden soll. Beim Precision Farming muss der Traktor wissen, wo er momentan fährt (mithilfe von GNSS bzw. GPS). Er muss durch entsprechende Sensoren die Bedingungen, wie z. B. Nährstoffbedarf, Bodenzustand und Ertrag, erfassen können. Dann können auch die Einstellungen, etwa der Saatstärke oder Düngermenge, lokal verändert werden. Meist werden im Precision Farming auch automatische Lenksysteme verwendet. Smart Farming oder Landwirtschaft 4.0 geht einen Schritt weiter. Smart Farming umfasst sowohl das Bestandsmanagement, Datenmanagement und auch die Maschinensteuerung. Dazu zählen nicht nur die Datenerfassung und Dokumentation der erledigten Arbeiten, sondern auch Planung und Auftragsverwaltung. Sogenannte Applikationskarten dienen als Basis für die Generierung von Aufträgen. Ziel dabei ist, nicht nur die Tätigkeiten optimal zu planen, sondern vor allem auch betriebswirtschaftliche Daten zu gewinnen. Und hier reden wir von Landwirtschaft 4.0.

Landwirtschaft 4.0 eröffnet neue Möglichkeiten

In der letzten Zeit werden von verschiedenen Traktor- und auch bereits Geräteherstellern sogenannte Maschinenportale angeboten. Neben der Maschinenverwaltung werden dabei umfangreiche Services offeriert: Ob Wetterdienst, Fernüberwachung von Maschinenaktivität und Arbeitsfortschritt, Anzeigen des Maschinenstatus, Ackerschlagkartei, verschiedene GIS-Anwendungen oder Dokumentation und Berichterstellung – die Möglichkeiten sind vielfältig und werden ständig erweitert. Wichtig ist dabei, dass der Zugriff auf die Daten nicht nur vom Büro-PC, sondern auch vom Smartphone oder Tablet aus möglich ist. Verschiedene Softwarehersteller bieten umfangreiche Programme zur Planung und Dokumentation (Ackerschlagkarteien) an, wobei es mittlerweile möglich ist, Fahrzeug- und Positionsdaten aufzuzeichnen und damit Aufträge zu verwalten und zu dokumentieren. Derartige Software ist für die überbetriebliche Arbeit (Maschinenring, Lohnunternehmer) besonders nützlich. Darüber hinaus werden bereits Smartphone-Apps angeboten, die ebenfalls eine Dokumentation der Tätigkeiten automatisch erledigen. Über eine sogenannte GPS-Tracking-Funktion kann die Arbeit am Traktor automatisch erfasst und dokumentiert werden. Die Software ist meist relativ kostengünstig und damit auch für kleinere Betriebe erschwinglich und nutzbar. In der Landwirtschaft 4.0 werden viele Daten erzeugt. Dass Daten einen enormen Wert darstellen, zeigen uns große Unternehmen wie Google oder Facebook vor. Selbst bei jedem Einkauf wird mittlerweile von den meisten Geschäften erfasst, wer, wann, welches Produkt kauft. Die Daten, die jetzt und in Zukunft in der Landwirtschaft produziert werden, sollen aber in erster Linie dem Landwirt zugutekommen. Smart Farming oder eben Landwirtschaft 4.0 kann damit einen wichtigen Beitrag hin zur Professionalisierung und Optimierung unserer landwirtschaftlichen Betriebe liefern.

Dipl.-Ing. Heinrich Prankl, Leiter für Forschung und Innovation,
Francisco Josephinum/BLT Wieselburg

Veranstaltungstipp: Fachtagung “Precision Farming auch für Sie?”

Unter dem Motto “Nutzen Sie Ihr Potenzial!” veranstalten am 22. Juni die Studenten/-innen des 4. Jahrganges Landwirtschaft am Francisco Josephinum (NÖ) im Rahmen des Projektmanagementunterrichts die Fachtagung “Precision Farming auch für Sie?”. Dabei werden einige Möglichkeiten der Aufzeichnung und Verarbeitung von georeferenzierten Felddaten gezeigt werden, um teilflächenspezifische Düngekarten zu erhalten. Als Referenten konnten gewonnen werden: Rüdiger Klamroth (Landwirt, Umsetzung der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung am Betrieb), Bernhard Limbrunner (Fritzmeier Umwelttechnik, sensorgestützte Bestandsdüngung mit Isaria), Schüler des Francisco Josephinum (Diplomarbeitsergebnisse), Manfred Nadlinger (FJ/BLT Wieselburg, Precision Farming-Umsetzungsmöglichkeiten in Österreich) sowie für Präsentationen am Versuchsfeld des Francisco Josephinums Michael Glösmann (RWA, Luftbildaufnahme mit Drohne), Johann Lechner (Fritzmeier Umwelttechnik, Isaria-Sensor) und Wolfgang Hofmair (Borealis, N-Pilot). Die Tagungsgebühr beträgt 30 Euro (bar vor Ort). Anmeldung (bis 20. Juni) unter mathias.moser@josephinum.at genaues Programm unter www.josephinum.at

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