Landtechnik im Alpenraum: Vom “Schmierli” bis zu Precision Farming

Vom selbst gebauten Käsepflegegerät "Schmierli" bis zur Kornablage mittels GNSS (globales Navigationssatellitensystem) - so breit spannte sich der Bogen an Themen, die letzte Woche bei der Tagung "Landtechnik im Alpenraum" in

Mähen, Zetten, Schwaden - auch im Berggebiet sollen neue Entwicklungen diese Arbeit erleichtern. ©agrarfoto.com
Mähen, Zetten, Schwaden – auch im Berggebiet sollen neue Entwicklungen diese Arbeit erleichtern. ©agrarfoto.com
Der Vormittag des ersten Tages ist traditionell allgemeinen Themen gewidmet, heuer unter dem Leitmotto “Perspektiven in der Landwirtschaft”. So stellte Univ.-Prof. Fabrizio Mazzetto von der Universität Bozen Entwicklungsstrategien der Südtiroler Landwirtschaft vor. Südtirols landwirtschaftliche Bevölkerung ist durch eine deutliche Überalterung und das Vorherrschen von Kleinbetrieben geprägt. Subventionen hätten bisher verhindert, dass Grenzflächen aufgegeben wurden. Für die Zukunft würden allerdings neue Modelle benötigt, wobei Forschung und Innovation treibende Kräfte sein müssten, so Mazzetto. Als ein Beispiel für das Ergebnis der Zusammenarbeit seines Instituts mit einem privaten Südtiroler Unternehmen stellte er einen kleinen hydraulisch getriebenen Traktor für steile Rebbauflächen vor.Eine auch für Österreichs Almgebiete interessante Studie präsentierte Felix Herzog von Agroscope: Unter dem Titel “Alpfutur” wurden Zukunftsperspektiven der Sömmerungsgebiete in der Schweiz untersucht. Immerhin machen die Sömmerungsgebiete ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche und ein Neuntel der Gesamtfläche der Schweiz aus. 48 Prozent der Tierhalter sömmern ihr Vieh; damit sind die Almen Futtergrundlage für elf Prozent der Tiere in der Schweiz.

“Alpfutur” – umfangreiche Erhebung auf Almen

Referenten und Organisatoren der Veranstaltung (v. l.): Franz Handler (BLT Wieselburg), Georg Wendl (LFL Freising, D), Heinrich Prankl (BLT Wieselburg), Thomas Anken (Agroscope, CH), Fabrizio Mazzetto (Universität Bozen), Robert Kaufmann (Agroscope) und Günther Hütl (BLT Wieselburg) ©BZ/Humer
Referenten und Organisatoren der Veranstaltung (v. l.): Franz Handler (BLT Wieselburg), Georg Wendl (LFL Freising, D), Heinrich Prankl (BLT Wieselburg), Thomas Anken (Agroscope, CH), Fabrizio Mazzetto (Universität Bozen), Robert Kaufmann (Agroscope) und Günther Hütl (BLT Wieselburg) ©BZ/Humer
Das Programm “Alpfutur” selbst gliedert sich in 22 Projekte, von den Auswirkungen des Klimawandels bis zum Umgang mit gebautem Kulturerbe. Bei der Wirtschaftlichkeit seien, so Herzog, drei Hebel anzusetzen: den Normalbesatz der Almen sicherstellen, den Arbeitseinsatz optimieren und die Wertschöpfung steigern, d. h. auf der Alm Milch produzieren, selbst verarbeiten und vermarkten.Eine Schlüsselrolle kommt dabei immer mehr dem Alppersonal zu: Notwendig sei es daher, ein Minimum an Infrastruktur, wie z. B. eine Heizung, vorzusehen, dem Personal Wertschätzung zu zeigen, ihm auch Verantwortung zu übertragen und schließlich Schulungsmöglichkeiten zu nützen. “Die Alpwirtschaft wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen”, zeigte sich Herzog überzeugt: Die Klimaerwärmung habe einen tendenziell früheren Auftrieb und damit eine längere Sömmerungdauer zur Folge, die Vegetation werde allgemein wüchsiger, die Waldgrenze verschiebt sich nach oben. Außerdem gebe es in Höhenlagen teilweise weniger Trockenheitsprobleme als in Tieflagen. Besonders interessant an der Studie ist ein umfangreicher Innovationskatalog, eine Sammlung von Vorschlägen des Alppersonal aus der Praxis (www.alpfu tur.ch/innnovationskatalog). Dazu wurden auch drei Preise ausgeschrieben. Den Hauptpreis gewann Daniel Siegenthaler aus Fankhaus (Schweiz). Er hat aus seiner Erfahrung als Käser auf Almen ein handliches Gerät zur Käsepflege selbst entwickelt und gebaut, den “Schmierli”: “Die Herstellung des Käses ist erst die Hälfte der Arbeit, die andere ist das Pflegen des Käses, also das Schmieren und Wenden”, so Siegenthaler. Um Arbeit und Zeit zu sparen, und außerdem die gleichbleibende Qualität der Pflege zu erreichen, ist diese Käseschmiermaschine eine gute Hilfe. Das Gerät ist platzsparend, leicht transportier- und zerlegbar, hygienisch und überall einsetzbar, da auch ein Batteriebetrieb möglich ist. Mit dem “Schmierli” können Käselaibe bis zu einem Durchmesser von 47 Zentimetern gepflegt werden.Dass sich Konflikte zwischen Mutterkuhherden und Wanderern häufen, ist nicht nur hierzulande, sondern auch in der Schweiz ein Thema. Rudy Burgherr, der Schweizer Unfallverhütungschef, zeigte die bundesweite Informationskampagne der Eidgenossen auf.

Entwicklungen in der Hangmechanisierung

Der Schweizer Daniel Siegenthaler stellte sein prämiertes Käsepflegegerät, den
Der Schweizer Daniel Siegenthaler stellte sein prämiertes Käsepflegegerät, den “Schmierli”, vor. ©BZ/Humer
Ein erster technischer Schwerpunkt der Tagung galt den Entwicklungstrends in der Hangmechanisierung. Eine Reihe von Unternehmen, darunter auch die österreichischen Firmen Lindner, Steyr, Reform, Pöttinger und Gruber, stellten ihre Neuheiten vor.Zum Thema “Agrartechnik und Precision Farming” steuerte Manfred Nadlinger von der BLT Wieselburg einen interessanten Beitrag bei. Seine “Fahrdynamischen Untersuchungen bei Traktoren” sollen die Bewegungen bzw. das Fahrverhalten von Fahrzeugen auf der Straße und im Gelände feststellen. Daraus können in der Folge Prozess-Assistenzsysteme entwickelt werden, die den Fahrer bei seinen Aufgaben und Automatisierungslösungen unterstützen. Interessante Schlussfolgerungen ergeben sich auch für Traktor-Anbaugeräte und kollaborierende Fahrzeuge.

Mähsysteme und Futterkonservierung

Mähsysteme und Futterkonservierung waren weitere Schwerpunkte der Tagung. So präsentierte Franz Handler (BLT Wieselburg) einen Systemvergleich von Mähwerken, weitere Themen waren Silagedichten in Flachsilos, die Wärmenutzung von Photovoltaikanlagen zur Heutrocknung, technische Voraussetzungen für eine leistungsfähige Rundballentrocknung oder der Einfluss verschiedener Heutrocknungsverfahren auf Futteraufnahme und Milchproduktion. Das Problemgebiet “Landmaschinen im Straßenverkehr” bildete den Abschluss der Tagung. So stellte Ewald Luger (BLT Wieselburg) die neue EU-Bremsenrichtlinie vor, während weitere Referate sich mit speziellen Problemen mit Landmaschinen in Österreich, Deutschland und der Schweiz beschäftigten. Zur Illustration: In Österreich gab es 2014 288 Verkehrsunfälle mit Landmaschinen, wovon acht für den jeweiligen Lenker tödlich endeten. Rund 90 Prozent der Unfälle passierten bei den landwirtschaftlichen Arbeiten abseits der Straße. Fazit: Mehr denn je ist auch die Landtechnik für den Alpenraum darauf abgestellt, Innovationen auch für die kleinstrukturierte Berglandwirtschaft nutzbar zu machen und dabei Arbeit, Zeit, aber auch Betriebsmittel zu sparen. Eine besondere Herausforderung wird es dabei sein, die Fülle an Daten, die heute dank des Einsatzes von GPS usw. gewonnen werden, für den einzelnen Landwirt in der Praxis nutzbar zu machen. Dass gerade viele österreichische Firmen dabei mit Innovationen an vorderster Front mitmischen, wurde auch bei dieser Tagung wieder ersichtlich. Im Rahmen des Abendempfangs auf der Schattenburg wurden die beiden Hauptorganisatoren, Robert Kaufmann von Agroscope und Günther Hütl von der BLT Wieselburg, verabschiedet. Sie haben jahrelang die Tagung mit Fachkenntnis und Organisationsgeschick geprägt und so viele interessante Themen qualitätsvoll aufbereitet. Die 14. Tagung “Landtechnik im Alpenraum” ist für den 11. und 12. April 2018 geplant.

Andreas Humer

- Werbung -
Vorheriger ArtikelBienenschutz – Vorsicht in der Rapsblüte
Nächster ArtikelOÖ Bauernbund fordert Handel zu Fairness auf