Regional, frisch und von hoher Qualität! Vieles spricht für Konsumenten für einen Einkauf beim Bauern ums Eck. Seit Beginn der Corona-Pandemie erlebt die Direktvermarktung einen regelrechten Boom. Das belegt auch die rollierende Marktanalyse der AMA-Marketing (RollAMA). So wurden 2021 gut 18 % der Frischmilch, 14 % der Eier und gut 7 % der Kartoffeln direkt beim Bauern bezogen. Bei Fleisch, Gemüse und Obst waren es immerhin fast 3 beziehungsweise 2 %.

Nun scheint die Steilkurve durch allgemeine Teuerung und Rezessionsangst jedoch abzuflachen. Laut RollAMA nahm der Einkauf bei den Diskontern Hofer, Penny und Lidl heuer in der ersten Jahreshälfte gegenüber dem Vorjahr erneut zu, während der Anteil der alternativen Vertriebsquellen wie der Ab-Hof-Verkauf sowohl mengen- als auch wertmäßig wieder schrumpfte und sogar das Prä-Covid-Niveau unterschritt.

Beliebtes Standbein
Unterdessen zeigt eine im Juli im Auftrag der AMA-Genuss-Regionen durchgeführte KeyQuest-Studie unter heimischen Landwirten, der Trend in Richtung Direktvermarktung geht dennoch stetig nach oben. Mittlerweile erwirtschaften 28 % der Bauern daraus im Schnitt ein Drittel ihres Einkommens. Ein Viertel der befragten Direktvermarkter gab sogar an, ihr komplettes landwirtschaftliches Einkommen aus der eigenständigen Vermarktung zu generieren. Rund die Hälfte dieser Direktvermarkter schätzt, dass die Bedeutung ihres betrieblichen Standbeins in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hat, unter den Vollerwerbsbetrieben sind es sogar mehr als die Hälfte (54 %).

Von „sehr gut“ bis „so lala“
Die wachsende Bedeutung des direkten Drahtes zwischen Bauer und Konsument ist also nicht mehr von der Hand zu weisen. Umso zentraler ist daher die Frage, wie sich Konsumverhalten und Nachfrage entwickeln. „So wie früher ist es definitiv nicht mehr“, bilanziert etwa Georg Schoditsch, Bio-Ackerbauer aus Großpetersdorf im Burgenland. Er vermarktet seine Kartoffeln ab Hof und über den Lebensmitteleinzelhandel. Sein Kundenstock habe sich geändert. Immer häufiger geht es „um den Preis und um Produkte zweiter Wahl“.

Ähnliches berichten auch Milchbauern wie Bernhard Hornbacher, der im obersteirischen Lassing Frischmilch und nahezu die gesamte weiße Palette via Selbsbedienungshütte und mittels Hauszustellung an Privat- und Großkunden vertreibt. „Höherpreisige Produkte gehen nahezu gar nicht mehr“, resümiert Hornbacher. Nur Angebote „auf gleichem Preisniveau wie im Supermarkt“ werden auch nachgefragt. „Die Anhebung unserer Preise war jedoch durch die Teuerung bei Glas und Energie nötig und unabdingbar.“ Künftig will der Direktvermarkter versuchen mit seinen Milcherzeugnissen vermehrt Großkunden anzusprechen „um am Kostenfaktor Verpackung zu sparen“.

Besser scheint die Lage bei den Legehennen- und Schweinehaltern. Christiana Burger vom Eierhof Burger in Oberwölbling in Niederösterreich – sie vermarktet Eier aus Bodenhaltung, Nudeln, Kürbiskernöl und saisonal auch Geflügelfleisch über Hofläden und per Zustellung – will keinerlei Nachfrageveränderung verspürt haben: „Wir bemerken nichts von Absatzeinbrüchen und auch keine besonderen Nachfragen im Kundengespräch.“ Auch Stefanie Ofner vom gleichnamigen Bergbauernhof in Afritz in Kärnten, von dem es Frischfleisch und Verarbeitetes vom Schwein und Rind ab Hof, in Hofläden und auf Märkten gibt, will bisher keine geänderte Nachfrage beobachtet haben. Das Sortiment habe bereits vor der allgemeinen Teuerung zu den höherpreisigen Produkten gezählt, das wurde den  Kunden auch früh und über Jahre hinweg erklärt. „Diese Aufklärungsarbeit macht sich nun durch ungebrochene Nachfrage bezahlt“, sagt Ofner: „Die Leute schätzen einfach die Qualität unserer im Kreislauf erzeugten Produkte.“

Oliver Kaminek vom Biohof No. 5 in Wien-Stammersdorf beobachtet hingegen schon „das etwas stärkere Preisbewusstsein“. Am Stadtrand erzeugt und vertreibt Kaminek nicht nur Wein, sondern auch Lamm- und Schweinefleisch, vor allem in veredelter Form über Buschenschank und Ab-Hof-Verkauf. Er führt die zuletzt etwas verhaltenere Nachfrage auch auf den Trend zur fleischlosen Ernährung im urbanen Gebiet zurück. Beim Wein beobachte er jedenfalls keinerlei Änderung, „weil wohl auch ein völlig anderes Produkt“, so der Bio-Bauer.

Den Wert kommunizieren
Dass Direktvermarkter auch in Zeiten allgemeiner Sparsamkeit nicht zum Billig-Segment zählen können, sieht auch Erik Lösch so. Der Gründer der „Muh-Agentur“ hat sich speziell auf das Marketing für bäuerliche Direktvermarkter spezialisiert und sagt: „Man kann nicht in Konkurrenz zum Großhandel treten, sondern muss gerade jetzt Wert und Qualität seiner Produkte kommunizieren.“ Der direkte Austausch mit den Kunden sei in Zeiten volatiler Märkte dabei ein klarer Vorteil. Dass sich die Direktvermarkter ohnehin breiter aufstellen, zeigen auch die Ergebnisse der Genuss-Regionen-Studie. Sowohl angebotenes Sortiment als auch Vertriebswege wurden von den Befragten gegenüber 2016 ausgebaut, die Hauszustellung gewann an Bedeutung. Um der Teuerung zu begegnen, könnten auch Kooperationen eine interessante Alternative darstellen. Hier bestehe aber noch Potenzial: Erst 40 % der Bauern kooperieren in der Direktvermarktung mit anderen, bei Produktion und Betriebsmitteleinkauf sind es weniger als 30 %.

- Bildquellen -

  • : agrarfoto.com
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AUTORClemens Wieltsch
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