Die Rinderzucht ist durch Corona in Bedrängnis gekommen. (Symbolbild)
Die Rinderzucht ist durch Corona in Bedrängnis gekommen. (Symbolbild)
Christian Straif, Vorstandsvorsitzender der Rinderzucht TirolQuelle: Rinderzucht Tirol
Christian Straif, Vorstandsvorsitzender der Rinderzucht Tirol

TBZ: In welcher Situation befinden sich Tirols Rinderbauern aktuell?

STRAIF: Die landwirtschaftlichen Betriebe in Tirol arbeiten und produzieren für die Nahrungsmittelversorgung weiter und zeigen die große Bedeutung der Branche in Krisenzeiten. Trotzdem sind die Betriebe extrem gefordert, da die Auswirkungen auf den Märkten beträchtlich sind, bei Fleisch aktuell mehr als bei Milch. Neben dem enormen Druck auf den internationalen Märkten wirkt sich vor allem der Totalausfall im Außer-Haus-Verzehr, also dem Tourismus, der Gastronomie und den Gemeinschaftsküchen stark aus. Dadurch ist beispielsweise Kalbfleisch am Markt derzeit fast gar nicht absetzbar, im Milchbereich trifft es vor allem Premiumprodukte. 

TBZ: Welche Unterstützungen zur Marktbelebung wurden angestrengt?

STRAIF: Wir haben versucht, die vielfältigen Auswirkungen in allen Bereichen abzufedern und Vermarktungswege weiterhin offen zu halten. Es ist gelungen, die Einstellkälbervermarktung ohne Pause weiterzuführen. Besonders wichtig war die Unterstützung des Landes mit der Ausmerzprämie. Bei der Zuchtviehvermarktung haben wir rasch auf Hof-zu-Hof Vermittlung umgestellt und zusätzlich Tiere für Kunden im In- und benachbarten Ausland ab Hof angekauft. Man kann aber sicher nicht von Marktbelebung sprechen, wir haben seit Mitte März alles versucht, dass die Märkte nicht komplett zum Erliegen kommen.

TBZ: Wie wirkt sich die sogenannte Ausmerzprämie, die das Land Tirol bezahlt, aus?

STRAIF: Die Idee dahinter ist, dass Betriebe während der schwierigen Absatzsituation junge Tiere nachbesetzen statt verkaufen und stattdessen vermehrt Schlachtkühe ausselektieren. Die Rinderzucht Tirol hat in den ersten drei Aprilwochen so die doppelte Menge an Schlachtkühen vermarktet im Vergleich zum Vorjahr. Die Prämie in der Höhe von 150 Euro für die Bauern ist ein Ausgleich, da der Preisverfall je nach Tierqualität seit Beginn der Krise zwischen 120 Euro und 180 Euro liegt. Die Maßnahme läuft noch bis Ende Juni und wir empfehlen den Betrieben weiterhin, diese Möglichkeit zu nützen und somit in der Krise ihre Bestände etwas zu verjüngen.

TBZ: Wann finden voraussichtlich die nächsten Versteigerungen statt?

STRAIF: Ende letzter Woche haben wir vom Ministerium die Freigabe erhalten, im Mai wieder Versteigerungen unter strengen Auflagen durchführen zu können. Die nächsten Auktionen finden somit am 12. Mai in Imst und Lienz sowie am 13. Mai in Rotholz statt. Dazu ergeht schon jetzt die Bitte an alle Beteiligten, die strengen Regeln mit Maskenpflicht und nur einer zugelassenen Person je Auftreiber unbedingt einzuhalten. Zu den Zuchtviehpreisen kann angeführt werden, dass sie ebenso unter Druck stehen wie die Produktpreise, trotzdem ist die Wiederaufnahme der Märkte besonders wegen unserer hohen Exportquote in Tirol sehr wichtig. 

TBZ: Wie läuft der Drittlandexport?

STRAIF: Wir haben Mitte April wieder begonnen, neue Aufträge zu bedienen und Tiere für den Drittlandexport anzukaufen. Es gestaltet sich wegen der niedrigen Preise sehr schwierig. Die Produktionskosten können von den Verkaufsbetrieben kaum gedeckt werden. Wir haben zuerst gewartet, um sicher zu gehen, dass die Transporte ohne Probleme und Wartezeiten an Grenzen möglich sind. Da dies mit der Einrichtung der sogenannten „green lanes“ nun gewährleistet ist, können Tiertransporte Grenzen ungehindert passieren. In Abstimmung mit dem Ministerium werden nun auch die Grenzübertritte und die Ankunft der Tiere in den Zielbetrieben von unseren Partnern im Export mit Videos dokumentiert.

TBZ: Welche Auswirkungen hat das Coronavirus auf die bevorstehende Almsaison?

STRAIF: Aktuell zielen unsere Maßnahmen alle darauf ab, dass die Betriebe ihre Bestände noch vor der Almsaison regulieren, damit wir auch nach dem Almsommer ohne Angebotsstau in der Vermarktung weiterarbeiten können. Ziel muss es nämlich sein, dass die Tierpreise wieder steigen. Bei Überangebot ist dieses Ziel am Markt nicht erreichbar. Sonst sehe ich aus Sicht der Bauern den derzeit fehlenden Niederschlag als größeres Problem für die Almsaison als den Coronavirus. Natürlich müssen die Produktpreise wieder steigen, wenn das öffentliche Leben und die Gastronomie wieder hochgefahren werden. Almbewirtschaftung ist nämlich die arbeits- und kostenintensivste Produktionsform und verspricht höchste Produktqualität. Wenn das Verhältnis zum Ertrag über längere Zeiträume nicht stimmt, dann geht das schnell verloren und lässt sich kaum rückgängig machen. Schon jetzt war die Ertragslage der Betriebe knapp bemessen.

TBZ: Viele Branchen der Landwirtschaft bemerken eine höhere Wertschätzung vonseiten der Konsumenten. Machen die Rinderbauern ähnliche Erfahrungen?

STRAIF: Die Wichtigkeit einer eigenen produzierenden Landwirtschaft im Land wurde in den letzten Wochen aufgrund der Krise oft dargestellt und sichtbar gemacht. Aufgrund meiner Tätigkeit bin ich in den letzten Jahren zur Überzeugung gekommen, dass unsere kleinstrukturierte und grünlandbasierte Viehhaltung nur eine Zukunft hat, wenn der Konsument auch auf dem Teller die Möglichkeit hat, zu entscheiden! Das geht nur mit einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung und ich hoffe, dass Konsumenten und Gesellschaft diese Systemrelevanz der Tiroler Landwirtschaft nach Corona nicht vergessen.

- Bildquellen -

  • Straif Portrait1: Rinderzucht Tirol
  • : Hollaus
- Werbung -
Vorheriger ArtikelCorona macht Mai-Brauchtum Strich durch die Rechnung
Nächster ArtikelLangsames “Comeback” für Österreich – was ab 1. Mai anders wird