Klimaerwärmung lähmt Fruchtbarkeit bei Rindern

Wissenschaftler der Vetmeduni konnten belegen, dass die Zunahme an Hitzetagen Trächtigkeitsrate, Milchleistung und Embryoentwicklung hemmt.

Mit den heißen Sommertagen steigt die Wahrscheinlichkeit von Frühaborten. Das hat mit der steigenden Körpertemperatur der Kühe zu tun.

An der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) zeigt eine Studie, was viele Milchviehhalter längst aus der Praxis berichten: Jeder Hitzetag, an dem die Temperaturen mehr als 30 °C betragen, beeinflusst die Fruchtbarkeit von Rindern negativ. Da sich die Anzahl solcher Tage in Österreich – wie auch im Rest der Welt – seit 2020 mehr als verdoppelt hat, wirkt sich das auch schon jetzt auf die Trächtigkeitsrate aus. Konkret sinkt diese den Ergebnissen zufolge im Vergleich zu kühleren Jahreszeiten um bis zu 20 Prozent.

Steigende Temperatur schädigt Embryo

Der Kern allen Übels ist hinlänglich bekannt. Die Wohlfühltemperatur von Rindern liegt zwischen 4 und 16 °C. Höhere Temperaturen bedeuten für trächtige und laktierende Tiere Stress. Eine Kuh gibt nach der Geburt etwa drei Monate lang permanent rund 1.500 Watt Wärmeleistung ab. Zum Vergleich: Ein Mensch kommt im Ruhezustand auf etwa 100 Watt Wärmeleistung. „Das Problem ist, dass die hohe Körpertemperatur direkte Beschädigungen beim Embryo verursachen kann und auch die Eileiterumgebung verändert“, erklärt der wissenschaftliche Leiter der Studie, Viteszlav Havlicek. Mit fatalen Folgen: Der Studie zufolge werden Eizellen schlechterer Qualität nicht mehr befruchtet und Embryonen sterben unter der Temperatureinwirkung teilweise ab.

Ab 22 °C ist Vorsicht geboten

Hitzestress kann bei Kühen übrigens schon ab 22 °C auftreten. Nämlich dann, wenn die Luftfeuchtigkeit auf mehr als 70 Prozent steigt. Erkennbar ist beginnender Hitzestress durch verringerte Futteraufnahme und Wiederkauaktivität sowie erhöhte Atemfrequenz. Das hat naturgemäß auch Auswirkungen auf die Milchleistung: „Wenn die Tiere weniger fressen, haben sie weniger Energie für die Milchproduktion zur Verfügung“, erklärt Havlicek. Um bis zu ein Viertel weniger fressen Kühe bei hohen Temperaturen, um zusätzliche Abwärme aus der Verdauung zu vermeiden.

So lässt sich Hitzestress vermeiden

Rinderhalter können mit verschiedensten Maßnahmen gegensteuern, wie auch die Vetmed-Forscher betonen. Besonders bewährt haben sich Axiallüfter, die bei richtiger Einstellung eine Abkühlung der Stallluft um bis zu 6 °C bringen. Die maximale Kühlleistung wird erreicht, wenn der Luftstrom seitlich auf den Körper der Tiere trifft. Deshalb sollte der Luftstrom parallel zur Futterachse verlaufen, am besten über Fressgang oder Liegeboxen sowie im Wartebereich des Melkstandes. In der Praxis hat sich das Anbringen in 2,70 Meter Höhe bewährt, wobei die Lüfter um 10 bis 15 Grad nach unten geneigt montiert sein sollten.

Auch Sprinkleranlagen, die sogenannten Kuhduschen, sorgen für Verdunstungskälte. Um Futter und Einstreu nicht zu durchnässen, sollten sie nur am Fressgang installiert werden. Die Intervalle der Duschen sind so einzustellen, dass auch genügend Zeit zum Abtrocknen der Tiere bleibt. Damit kein Sauna-Effekt entsteht, gilt es, für ausreichenden Luftwechsel zu sorgen.

Die Anzahl und Ausführung der Tränken schafft ebenfalls Abhilfe, insbesondere auf der Weide. Dort muss ausreichend Schatten zur Verfügung stehen. Idealerweise können die Kühe an heißen Tagen jederzeit in den Stall zurückkehren. Wo dies nicht möglich ist, sollte im Hochsommer Nachtweide betrieben werden.

Mit dem Klimawandel ist Hitzestress auch bei Neubauten mitzudenken. Eine möglichst offene Bauweise in Ausrichtung quer zur Hauptwindrichtung bewirkt schon viel. Vorteile bieten zudem helle, isolierte Dächer, Kaltdächer und solche, die begrünt sind. Sie alle verringern die Strahlungswärme auf das Vieh. Dunkle Dachflächen und transparente Lichtplatten bewirken das Gegenteil.

Wissenschaft arbeitet an Verbesserungen

Indes forschen die Veterinärmediziner an langfristigen Maßnahmen zur Reduktion von Hitzestress und seinen fatalen Auswirkungen. Die europäischen Rinderrassen, insbesondere Holstein-Friesian oder Jersey, sind laut Vetmeduni besonders hitzeempfindlich. Wesentlich besser können Rinderrassen aus tropischen oder subtropischen Gegenden, wie etwa die aus Indien und Pakistan stammenden Zebu-Rinder, damit umgehen. Diese erbringen jedoch deutlich geringere Milch- und Fleischleistungen. Zwar gebe es Bemühungen, Zebu-Rinder mit europäischen Rassen zu kreuzen, jedoch verspricht sich Projektleiter Havlicek davon nicht viel.

In Zukunft wollen die Wissenschaftler, gefördert durch das Land Niederösterreich, weitere präventive Maßnahmen gegen Hitzestress entwickeln, wie der ORF berichtet. Dazu zählen etwa die Verabreichung von Probiotika oder anderen immunsystemstärkenden Substanzen. Auch Widerstandsmechanismen in der Gebärmutter der Kuh werden untersucht. Die Ergänzungsfuttermittel sollen die Tiere vor Erkrankungen und vor den negativen Effekten von Hitzestress schützen und damit den für den wirtschaftlichen Erfolg essenziellen Faktor Fruchtbarkeit absichern.

- Bildquellen -

  • Trächtigkeit Kontrolle: agrarfoto.com
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AUTORClemens Wieltsch
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