„Es war eine spannende und fordernde Zeit“, so lautet – nicht zuletzt auf Grund von Corona – die Bilanz von Michaela Langer-Weninger über ihr erstes Jahr an der Spitze der LK OÖ.

BauernZeitung: Was bewegt die Bäuerinnen und Bauern derzeit am meisten?
Langer-Weninger: Die Grundstimmung ist vorsichtig positiv. Dazu trägt auch die heurige Witterung bei. Die veränderte Marktsituation mit dem Preisverfall auf Grund von Corona belastet aber die betroffenen Betriebe. Positiv aufgenommen wird, dass das Bewusstsein für systemrelevante Landwirtschaft und regionale Versorgung gestiegen ist.

Welche Sparten waren bzw. sind am stärksten von Marktverwerfungen betroffen und wurden diese aus Ihrer Sicht ausreichend unterstützt?
Am stärksten betroffen waren die Forst- und Rinderwirtschaft. Das große Forstpaket der Bundesregierung in Höhe von 350 Millionen Euro war wichtig und richtig. Hier soll die gesamte Bandbreite der Branche abgedeckt werden – von Entschädigungen bis hin zur Wideraufforstung. Zudem wird Geld in die Forschung von Holzgas- und Holzdieselproduktion investiert, damit die Landwirtschaft energieautark werden kann und für die Zukunft gerüstet ist.
Beim Rindfleisch sind vom einen auf den anderen Tag wichtige (Export)Märkte weggebrochen. Das hat zu einem massiven Preisverfall geführt. Die Situation scheint sich jetzt nach und nach zu stabilisieren.

Das Entlastungspaket für bäuerliche Familienbetriebe, welches vehement vom Bauernbund und der Landwirtschaftskammer gefordert wurde, ist nun von der Regierung umgesetzt worden. Wie beurteilen Sie es?
Ich halte es für einen riesigen Erfolg der Kammern und des Bauernbund. Noch dazu, weil es rückwirkend mit 1. Jänner 2020 in Kraft tritt, obwohl es erst für 2021 vorgesehen war. Es handelt sich dabei um wirklich gute und weitgreifende Maßnahmen, auch fernab von Corona, die eine nachhaltige Entlastung für die bäuerlichen Familienbetriebe bringen. Das war dringend notwendig.

Inwiefern kann sich die Corona-Krise langfristig positiv auf die heimische Landwirtschaft auswirken?
Insgesamt war es für uns Bäuerinnen und Bauern gut, dass wir dieses klare Bekenntnis von der Bevölkerung zur heimischen Landwirtschaft wahrgenommen haben. Es wurde augenscheinlich wie wichtig regionale Versorgung mit Lebensmitteln ist, wenn plötzlich Grenzen zu gehen.
Regionale Produkte haben einen klaren Mehrwert. Wenn zehn Prozent mehr heimische Lebensmittel gekauft werden, entstehen 21.000 zusätzliche Arbeitsplätze im vor- und nachgelager­ten Bereich. Dieses Bewusstsein müssen wir auch transferieren in die Zeit nach Corona. Es geht darum klarzuma­chen: Wo kommen die Produkte her und welchen CO2-Rucksack tragen sie mit sich.

Glauben Sie, dass diese Krise bei den Konsumenten zu einem Umdenken geführt hat, oder wird zukünftig wieder der Preis das entscheidende Kaufkriterium sein?
Ich bin überzeugt: Je länger die Situation dauert umso stärker wird es sich in den Köpfen verankern. Es geht aber auch darum nicht nur von Regionalität zu reden, sondern diese auch in der Produktion vor Ort zu wollen.

Sie haben auch beim ersten OÖ. Regionalitätsgipfel teilgenommen. Was konnte dort erreicht werden?
Oberösterreich ist die Pilotregion bei der dynamischen Beschaffung. Die öffentliche Hand bekennt sich dazu, regionale Produkte einzukaufen. Zudem hat Landeshauptmann Stelzer dankenswerter Weise zugesagt, dass die regionale Beschaffung auch mehr Geld kosten darf. Das Plus in Höhe von zehn Prozent wird man auch brauchen, denn hochwertige regionale Produkte sind nicht zum gleichen Preis erhältlich wie Billig-Produkte aus dem Ausland.

Die langjährige Forderung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung ist im Regierungsprogramm verankert und scheint nun auf Schiene zu sein – Bundesminister Anschober will vorher aber noch eine Studie dazu in Auftrag geben. Wann kann mit der Umsetzung gerechnet werden?
Wir fordern eine rasche Umsetzung bis 2021 laut Regierungsprogramm. Bundesminister Anschober will jetzt zusätzlich eine Kennzeichnung der Haltungsformen bei Tieren. Das halte ich grundsätzlich für bedenklich. Denn es gibt hier offensichtlich Beratungen von Organisationen, die den Zugang haben, dass es gar keine Nutztierhaltung geben soll.
In Österreich gibt es derart hohe Standards, die kein anderes Land in Europa und weltweit erreicht. Wir müssen aber auch wettbewerbsfähig bleiben. Es kann nicht sein, dass es ständig höhere Auflagen gibt ohne zu wissen wer den Mehraufwand bezahlen soll. Dieser muss jedenfalls abgegolten werden, entweder über den Markt oder durch öffentliches Geld.

Die EU hat kürzlich im Zuge des Green Deal die „Farm to fork“-Strate­gie präsentiert. Wie lauten Ihre Kritikpunkte?
Ziel des Green Deal ist die Klima­neutralität Europas bis 2050. Das ist per se ja nicht verwerflich. Problematisch sehe ich, dass diese Strategien weder durch den Agrarministerrat noch durch das EU-Parlament gehen. Sie wurden einfach von der Kommission vereinbart und sind national umzusetzen. Die darin enthaltenen Maßnahmen zielen fast ausschließlich auf die Landwirtschaft ab. Wir alleine werden das Ziel aber nicht für die gesamte Gesellschaft erreichen können. Da würden wir alle anderen auch mit an Board brauchen, vor allem jene, die viel mehr CO2 ausstoßen als die Landwirtschaft.
Die geplanten Reduktionen von Pflanzenschutz- und Düngemittel stehen in einem klaren Widerspruch zu anderen europäischen Vorhaben wie die Selbstversorgung aufrecht zu erhalten oder Soja-Importe aus Übersee zu reduzieren.

Wie lauten Ihre Forderungen im Hinblick auf die künftige GAP?
Für die Auflagen, die derzeit auf dem Tisch liegen, brauchen wir eine entsprechende finanzielle Abgeltung. Zudem fordern wir eine Folgenabschätzung des Green Deal.

Während die Einkommen der österreichischen Bäuerinnen und Bauern 2019 im Schnitt leicht gesunken sind und auf dem Niveau von 2016 stagnieren, können Handelskonzerne ihren Gewinn jährlich um zig Millionen steigern. Wie passt das zusammen und muss sich da etwas ändern?
Bei den Demonstrationen vom Bauernbund im Februar wurde eine Forderungsliste an den Handel überreicht: Weg von Schleuderaktionen, hin zu einer ordentlichen Preispolitik für heimische Produkte. Lebensmittel müssen wieder einen Wert haben. Beim bundesweiten Regionalitätsgipfel im Mai wurden zahlreiche Vereinbarungen getroffen. Beispielsweise die Preisstabilisierung bei Milchprodukten und Rindfleisch. Wir brauchen auch in Zukunft ein klares Bekenntnis vom Handel, welches sich auch bei den Preisen im Regal widerspiegelt.

Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt: „Wir dürfen den ausländischen Produkten in unseren Regalen nicht den Markt überlassen.“ Wie kann das gelingen und sind dafür auch gesetzliche Regelungen notwendig?
Ja, das gesteigerte Bewusstsein für heimische Lebensmittel muss auch in Gesetzen verankert werden, wie beispielsweise durch die Herkunftskennzeichnung oder die Regelungen der öffentlichen Beschaffung.

Bundeskanzler Kurz kann sich im Kampf gegen den Klimawandel auch CO2-Zölle auf importierte Lebensmittel vorstellen. Was halten Sie davon?
Wir begrüßen und unterstützen die dahingehenden Initiativen auf Bundes­ebene. Es ist gut zu sehen, wenn nachgedacht wird, wie weitgereiste Lebensmittel beispielsweise durch CO2-Zölle teurer gemacht werden können. Zusätzlich fordern wir aber auch, dass bei Handelsabkommen nicht wieder Tür und Tor geöffnet wird. Produkte, die nach Europa kommen, müssen den selben Standards entsprechen, welche auch Europa von den Bäuerinnen und Bauern verlangt.

Sie werden nicht müde ein Ende der „Aktionitis“ bei Lebensmitteln zu fordern. Müssen Lebensmitteln teurer werden bzw. soll Fleisch ein Luxusprodukt werden?
Wir haben den Zugang, dass Fleisch ein Produkt sein soll, welches sich jeder leisten und konsumieren kann. Es geht aber auch darum die hochwertige heimische Produktion entsprechend abzugelten. Wenn Lebensmittel über Aktionen verschleudert werden, nimmt man nicht nur dem Produkt die Wertigkeit, sondern auch dem Bauern die Wertigkeit für seine Arbeit.

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  • Portrait Langer Weninger01: BZ
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AUTORInterview: Thomas Mursch-Edlmayr
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