Im Zuge eines Übernahme-Seminars in Oberösterreich teilten junge Hofübernehmer ihre Fragen, Zweifel und Hoffnungen. Josef Stangl, Berater von Lebensqualität Bauernhof aus Niederösterreich, antwortete mit viel Erfahrung und Feingefühl auf ihre Anliegen. Hier ein Auszug davon:
Johannes, 32: „Ich habe oft das Gefühl, mein Vater kann nicht loslassen. Wie gehe ich damit um, ohne dass wir dauernd streiten?“
„Besser als zu streiten wäre ein offenes Gespräch darüber – auch hier helfen wieder Fragen: Vater, was fürchtest Du? Was ist Dir wichtig für den Betrieb? Was brauchst Du von mir, um mir mehr zu vertrauen? Was möchtest Du mit Deiner Lebenszeit sonst noch so alles machen? Wo kann ich Dich dabei unterstützen? Loslassen kann dauern – grundsätzlich ist es leichter, wenn man früh beginnt, nicht die ganze Identität vom Hof abhängig zu machen.“
Anna, 30: „Wie können wir es schaffen, dass wir als Paar auch neben der Arbeit am Hof noch Zeit für uns haben?“
„Als Paar braucht es eine gemeinsame Entscheidung zur Frage: Wie wichtig sind uns Hof, Familie und Lebensqualität? Dann gelingt es leichter – neben den vielen Anforderungen des Betriebes – auch Platz für Paar- und Familienzeit zu finden. So wie der Betrieb die materielle Grundlage schafft, ist schöne gemeinsame Zeit als Paar, mit Kindern und für sich selbst die Grundlage für die psychische, geistige und seelische Gesundheit.“
Florian, 24: „Was ist die beste Lösung, wenn meine Freundin noch nicht weiß, ob sie wirklich am Hof bleiben will?“
„Da gibt es so viele beste Lösungen wie Menschen. Das können nur die Freundin und Du im offenen Gespräch gemeinsam klären. Fragen helfen dabei: Wo genau liegen meine Interessen? Was befürchte ich konkret? Was braucht es, dass ich mir das gut vorstellen kann? Wie können wir dieses Ziel gemeinsam möglich machen?“
Simon, 25: „Gibt es gute Strategien, um nach der Übergabe Schritt für Schritt eigene Ideen umzusetzen, ohne dass die Eltern sich übergangen fühlen?“
„Aus den Erfahrungen vieler Seminare und Beratungen lässt sich zusammenfassen: Eine gute Strategie ist Klarheit zu dem, was sich mit der Übergabe alles ändert: Führung, Verantwortung, Zuständigkeiten, Wohnverhältnisse und vieles mehr. Um Neues gut zulassen zu können, hilft den Eltern die aufrichtige Wertschätzung und Dankbarkeit für ihr Lebenswerk – und ein Blick zurück auf das, was die Eltern am Hof geleistet haben. Gespräche zu neuen Plänen und den Rat der Eltern einholen, sind Wundermittel gegen das Gefühl‚ übergangen zu werden.“
Theresa, 27: „Ich heirate bald auf einen Hof und möchte gerne einen Platz für meine Ideen haben. Zum Beispiel Garten, Raum für die Kinder und eine eigene Küche. Wie schaffe ich das am besten, ohne meinen Schwiegereltern den Platz wegzunehmen?“
„In vielen Fällen liegt das nicht am Platzangebot am Hof. Es ist die gemeinsame Aufgabe für das junge Paar, sich seine Bedürfnisse nach Wohn- und Lebensraum bewusst zu machen und gemeinsam mit den (Schwieger-)Eltern nach Lösungen zu suchen, die für alle passen. Je klarer und konkreter eure Pläne sind, umso leichter wird es gelingen.“
Lena, 27: „Wie lässt sich eine Hofübergabe fair regeln, wenn es mehrere Geschwister gibt?“
„Im erbrechtlichen Grundsatz der Gleichheit aller Kinder und der (auch gesetzlich unterstützten) Überlebensfähigkeit des Hofes liegt ein Widerspruch. Der muss oft gut und intensiv kommuniziert werden: Dem übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb stehen Ausgedingeverpflichtungen, Herausforderungen bei der wirtschaftlichen Nutzung und familiäre Verpflichtungen gegenüber – insbesondere durch das enge Zusammenleben der Generationen. Das führt dazu, dass auch Übernehmende weniger individuellen Freiheiten haben als weichenden Erben.“
Jede Hofübergabe ist so individuell wie die Menschen, die daran beteiligt sind. Was alle Fälle gemeinsam haben: Offene Kommunikation, gegenseitiger Respekt und das aktive Auseinandersetzen mit Bedürfnissen und Grenzen sind der Schlüssel für ein harmonisches Zusammenleben am Hof.
Beratung
Die Mitarbeiter des Bäuerlichen Sorgentelefons sind für Sie da. Österreichweit, anonym und zum reduzierten Tarif von 1,30 Euro pro Stunde. Das Sorgentelefon ist unter 0810/676 810 von Montag bis Freitag (8:30 bis 12:30 Uhr – ausgenommen an gesetzlichen Feiertagen) erreichbar.
Beratung zu zwischenmenschlichen Themen und zur Hofübergabe an sich bieten auch die Landwirtschaftskammern in den Bundesländern.
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- Übergabeprozess.: Lebensqualität Bauernhof