Interview Franz Ledermüller: Der Spielraum ist aufgebraucht

Die Hauptfeststellung der Einheitswerte hat bei den Beiträgen zur bäuerlichen Sozialversicherung Folgewirkungen. Die Sozialversicherung der Bauern ist mit neuen Forderungen konfrontiert, die Beitragsbelastung zu mindern. SVB-Generaldirekter

Franz Ledermüller:
Franz Ledermüller: “Wer an der Beitragsschraube dreht, der verringert Leistungen. Die gesetzliche Pensionsversicherung ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen die sicherste und “am höchsten verzinste” Anlage.” ©SVB
Die 53-prozentige Gutschrift der bäuerlichen Sozialversicherungsbeiträge für das vierte Quartal 2016 ist gerade erst abgewickelt, da sieht sich die Sozialversicherung schon mit neuen Forderungen zu Entlastungsmaßnahmen konfrontiert. So haben Funktionäre der Landwirtschaftskammern in Kärnten und Tirol eine Initiative gestartet, mit der sie einen Freibetrag beim Einheitswert von 2078 Euro erreichen wollen. Dieser Betrag soll nicht der SV-Beitragspflicht unterliegen. Weiters fordert die Vollversammlung der LK Oberösterreich eine Anpassung der Mindestbeitragsgrundlage in der Option auf das Niveau im pauschalen System und die Streichung des dreiprozentigen Beitragszuschlags.

Wie steht die SVB zu den Forderungen betreffs weiterer Entlastung bei den SV-Beiträgen?
Franz Ledermüller: Bei dieser Beitragsdebatte muss man berücksichtigen, was der Nationalrat am 15. Dezember beschlossen hat. Das ist zunächst die Beitragserstattung im Ausmaß von 53 Prozent der Beiträge des vierten Quartals 2016. Diese Erstattung haben wir mit der Vorschreibung im Jänner 2017 umgesetzt. Das sind 89 Millionen Euro, die wir aus den Rücklagen der Krankenversicherung (KV) bereitgestellt haben. Die Beitragspflicht in der Pensionsversicherung ist damit voll abgedeckt, d. h. es verliert niemand Pensionszeiten, und niemand verliert an Beitragsgrundlage.
Was uns als SVB aber unvorbereitet getroffen hat, war der Wegfall der Mittel aus dem Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz (GSBG-Mittel aus dem Aufkommen der Tabaksteuer). Die SVB verliert dadurch dauerhaft jährliche Mittel von rund 31 Mio. Euro. Das verändert unsere Finanzierungssituation in der KV gravierend. Mittelfristig entstehen daraus Abgänge – erstmals ab 2019, die dann rasch steigen. Vor diesem Hintergrund muss ich feststellen: Wir haben auf mittlere Sicht ein Finanzierungsproblem. Am 15. Dezember wurde jeglicher Spielraum für irgendwelche beitragsrechtlichen Maßnahmen beseitigt. Wer den Bauern erzählt ‚Das ist möglich‘, der geht an der politischen und finanziellen Realität vorbei.

Gerade viele kleinere Betriebe sind von deutlichen Erhöhungen beim Einheitswert (EW) betroffen. Der Ruf nach Beitragsentlastung ist doch verständlich?
Ledermüller: Lassen Sie mich dieses Bild zurechtrücken. Das Finanzministerium sagt auf Basis von mindestens 90 Prozent der bis Anfang Jänner versendeten Bescheide, dass die Zielgröße von ca. zehn Prozent Erhöhung der Gesamtsumme der Einheitswerte eingehalten wird. Unter dieser Voraussetzung haben wir größenordnungsmäßig eine Erhöhung der Gesamtsumme der Beiträge für alle Sozialversicherungssparten mit 30 bis 31 Mio. Euro pro Jahr errechnet. Um Härten abzufedern, wurde im Zuge der Steuerreform ein Betrag von jährlich 15 Mio. Euro vorgesehen. Die Mittel werden Betrieben zugutekommen, deren EW um mehr als zehn Prozent steigt. Damit wir die Erstattungsbeträge berechnen können, müssen allerdings sämtliche EW-Bescheide rechtskräftig vorliegen. Somit können wir die Rückverrechnung der Härtefälle erst mit der Vorschreibung im Jänner 2019 vornehmen. Die gesamte Mehrbelastung aus der Hauptfeststellung wird letztlich bei jährlich 15 Mio. Euro liegen. Das ist eine Steigerung von etwa 2,2 Prozent. Dieser Realität ist ins Auge zu sehen. Nach einer Auswertung, Stand Anfang 2017, kommt es bei etwa 43 Prozent der Betriebe zu EW-Erhöhungen, bei etwa 21 Prozent gibt es keine Änderung, und bei rund 36 Prozent kommt es zu Ermäßigungen. Betonen möchte ich: Man kann von Erhöhungen beim EW nicht im gleichen Ausmaß auf höhere SV-Beiträge schließen (siehe Tabelle). Eine vorläufige Information dazu liefert der Beitragsrechner auf unserer Internetseite (www.svb.at).

Betriebe, die in die Option gehen wollen, haben eine höhere Mindestbeitragsgrundlage und einen dreiprozentigen Beitragszuschlag. Ist das gerechtfertigt?
Ledermüller: Ich habe ein gewisses Verständnis für diese Forderung. Dennoch ist die Umsetzung politisch höchst schwierig. Durch die Sonderbestimmungen entspricht die Mindestbeitragsgrundlage in der Option einem EW von etwa 6200 Euro, im pauschalen System liegt der Wert bei etwa 4100 Euro. Entstanden ist die Regelung, weil das Sozialministerium bei Einführung der Option im Jahr 2001 auf die Beitragssätze der gewerblichen SV gehen wollte. Dies wollte man auf Bauernseite vermeiden, deshalb sind die Sonderregelungen entstanden. Unsere bisherigen Bemühungen um Veränderung wurden seitens der Arbeiterkammer immer mit der Gegenforderung der gänzlichen Abschaffung der Option blockiert. Ein Entfall der Bestimmungen würde mit etwa 30 Mio. Euro zu Buche schlagen. Wir haben unter den gegebenen Rahmenbedingungen keinen finanziellen Spielraum für eine Maßnahme in dieser Größenordnung. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer Einkommensteuerermittlung durch die Finanzbehörde für Betriebe in diesen genannten EW-Bereichen. Politisch ist davon auszugehen, dass die Gesamtsumme der Beiträge der bäuerlichen Gruppe nicht sinken können wird. Wer das Finanzierungsverhältnis zwischen Bauernbeiträgen und öffentlichen Mitteln von 28 zu 72 ändern will, der muss sich der Diskussion mit den anderen Interessenvertretungen stellen oder mit den politischen Parteien im Nationalrat.

Wäre der geforderte Freibetrag nicht eine elegante Lösung, Beitragsmehrbelastungen abzufedern?
Ledermüller: In der vorgeschlagenen Form entspricht der Freibetrag einem Beitragsvolumen von etwa 72 Mio. Euro, der größere Teil davon in der Pensionsversicherung. Auf der Leistungsseite hat diese Beitragsersparnis allerdings einen Effekt von – untere Grenze – 200 Mio. Euro. Das heißt, dieser Vorschlag würde die betroffenen Versicherten zumindest 200 Mio. Euro kosten. Wir haben in der Pensionsversicherung zwischen einbezahlten Beiträgen und ausbezahlten Pensionen ein Verhältnis von eins zu vier – man bekommt das Vierfache der einbezahlten Beiträge als Leistung wieder heraus. Man muss schon sehen, dass die bäuerliche Sozialversicherung auch Geld bringt. Ich sage, wer an der Beitragsschraube dreht, der verringert die Leistung. Ich kann nicht sehen, dass dies im Interesse der Bauern ist. Die gesetzliche Pensionsversicherung ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen auf den Kapital- und Finanzmärkten die sicherste und ‚am höchsten verzinste‘ Anlage.

Sozialminister Stöger hat die Strukturbereinigung unter den Sozialversicherungsträgern auf seine Fahne geschrieben. Wie steht die SVB dazu?
Ledermüller: Was die SVB betrifft, gab es bereits mehrere Anläufe zu Zusammenlegungen. Ich erinnere an das Jahr 2006, wo wir mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bereits vor dem Abschluss standen. Gescheitert ist das damals letztendlich am einheitlichen Tarifvertrag mit der Ärzteschaft. Wenn man über die Struktur diskutiert, dann sollte man zuerst fragen, was wird für die Versicherten besser? Bringt ein neuer Träger auch das gleiche Leistungs-, Beitrags- und Kostenbeteiligungsrecht mit sich? Entscheidend ist, dass die einzelne Leistung auch einheitlich honoriert wird und dass es beispielsweise beim Wahlarzt bei gleicher Leistung und gleichem Rechnungsbetrag auch die gleiche Erstattung gibt. Mit anderen Lösungen wird die Politik wenig Erfolg haben.

Interview: Hans Maad

 ©Quelle: SVB
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