IGP Dialog: Europa muss sich aktiv in den Diskurs zur Forschung und Entwicklung einbringen

V.l.n.r.: Markus Hengstschläger (Medizinische Universität Wien), Christian Stockmar (IGP Obmann), Martina Salomon (Kurier), Maximilian Hardegg (Gutsverwalter und Landwirt), Kurt Koleznik (Generalsekretär der Fachhochschul-Konferenz) und Sebastian Theissing-Matei (Greenpeace). Foto: Georges Schneider/IGP

Der vierte “IGP Dialog” stand im Zeichen der Rahmenbedingungen von Forschung und Entwicklung. Zum Thema „Zurück ins Paradies oder vorwärts in die Vergangenheit: Wie technophob ist Europa?“ diskutierte das hochkarätig besetzte Podium das Zustandekommen von Regularien vor dem Hintergrund des öffentlichen Diskurses, der zunehmend von Emotionen und Meinungen, weniger von wissenschaftlichen Fakten dominiert wird. Gleichzeitig war sich das Podium laut IGP (IndustrieGruppe Pflanzenschutz) einig, dass der Bedarf an technologischen Lösungen noch nie so hoch war, wie aktuell, und dass sich Europa international in den Technologie- und Innovationsdiskurs einbringen müsse. Nach einer Begrüßung durch IGP Obmann Christian Stockmar und einer einführenden Keynote von Humangenetiker Markus Hengstschläger, Medizinische Universität Wien, diskutierten Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace, Gutsverwalter und Landwirt Maximilian Hardegg und Kurt Koleznik, Generalsekretär der Fachhochschul-Konferenz. Durch die Veranstaltung in der Wiener Labstelle führte Martina Salomon.

Stockmar: Regulatorische Entscheidungen basieren zunehmend auf Populismus

„Bei der Beurteilung eines Risikos gibt es zwei Gruppen: Jene, die faktenbasiert und mit wissenschaftlichen Daten ein Risiko beurteilen, und jene, die polemisch, populistisch und risikoscheu argumentieren sowie nicht verifizierte Fakten verbreiten – vor allem in Form von Kampagnen“, warnte Stockmar. Im Rahmen eines Gerichtsprozesses wurde eine Kampagne etwa damit argumentiert, dass man keinesfalls Fakten, sondern nur nicht verifizierbare Meinungen verbreiten würde. „Und um für diese Gehör zu finden, wende man das Mittel der Übertreibung an“, verwies Stockmar auf eine Verteidigungsschrift von Greenpeace. „Die Devise scheint also zu sein: Wer lauter schreit, findet eher Gehör.“ Als Beispiel nannte Stockmar hier die Bienenverluste. NGOs sprechen von einem Bienensterben, während aktuelle Zahlen der EU-Kommission von einer zunehmenden Zahl an Bienenvölkern berichten würden. „Auf dieser Basis werden politische und regulatorische Entscheidungen getroffen“, betonte Stockmar.

Hengstschläger: Forschung nimmt stetig zu, da Lösungen gebraucht werden

„Grundlagenforschung und angewandte Forschung haben noch nie so schnell zugenommen. Aber es wurden auch noch nie so viele und rasche Lösungen gebraucht“, meinte Hengstschläger in seiner Keynote. Trotzdem könne man deshalb nicht hemmungslos forschen, „es braucht klare Regeln in Form von Gesetzen und ethischen Normen, denn letzten Endes kann man mit jeder Technologie Unsinn stiften“, sagte Hengstschläger, der bei der anschließenden Podiumsdiskussion aber auch in die andere Richtung Handlungsbedarf sah. „Wenn man neue Technologien verwendet, muss man sich ethisch rechtfertigen. Das sollte auch so sein, wenn man die Anwendung von modernen Technologien unterlässt. Aber eines muss klar sein: Eine Bewertung basiert immer auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.“ Hengstschläger betonte, dass eine technophile Einstellung in der Hinsicht gut sei, dass eine bessere Technologie immer die schlechtere ablöse und diese wieder verschwinde.

Theissing-Matei: Vorsorgeprinzip in Europa ist eine Errungenschaft

Dem pflichtet auch Theissing-Matei bei: „Wenn es darum geht, alte Technologien durch bessere zu ersetzen, kann ich das auch befürworten. Werden zum Beispiel Kohlekraftwerke durch Windräder ersetzt, dann ist das gut. Aber nicht alles, was man tun kann, sollte man auch tun – da braucht es Risikobewertungen. Ich muss hier auch klar sagen: Wir können in Europa auf das Vorsorgeprinzip stolz sein.“

Koleznik: Fortschritt braucht auch wissenschaftlichen Transfer

„Um im Paradies zu bleiben, müssen wir einen wissenschaftlichen und sozialen Transfer schaffen, denn die Änderungsgeschwindigkeit nimmt zu. Hier müssen wir uns politisch anpassen und auch die Gesellschaft teilhaben lassen. Dazu brauchen wir mehr Kommunikation“, so Koleznik. Die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft funktioniere im Großen und Ganzen gut, es gebe aber Luft nach oben.

Hardegg: Europa muss sich in moderne Technologien einklinken

„Österreich ist etwas zu sehr dem Sicherheitsdenken verhaftet“, meinte Hardegg. „Das Problem ist, dass die ethische Komponente immer hinten nach ist.“ In der öffentlichen Diskussion gibt es aus seiner Sicht zwei Gruppierungen: „Moralisierer und Verantwortungsbewusste. Aber mit Ideologie kommen wir nicht weiter, wir sollten vielmehr wieder zur Vernunft zurückkehren. Denn im Bereich Pflanzenschutz wandern immer mehr Unternehmen ab. Damit wird der europäische Standort kleingemacht. Europa muss sich aber vielmehr in die modernen Technologien einklinken, sonst entwickeln andere Länder Technologien, die wir nicht haben wollen“, so Hardegg.

Die IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) ist die Interessengemeinschaft der Pflanzenschutzmittel-produzierenden Unternehmen in Österreich. Ihre Kernaufgabe liegt in der Information rund um das Thema Pflanzenschutz. Dabei steht die IndustrieGruppe Pflanzenschutz als Gesprächspartner für Politik, Verwaltung und Umweltorganisationen zur Verfügung. Die 15 Mitglieder der IndustrieGruppe Pflanzenschutz sind die wichtigsten Produzenten und Händler von Pflanzenschutzmitteln in Österreich. Sie beschäftigen rd. 370 Mitarbeiter und erwirtschaften pro Jahr ca. 130 Millionen Euro an Umsatz.

- Bildquellen -

  • IGP Dialog: Georges Schneider/IGP
- Werbung -
Vorheriger ArtikelNeuerlich notwendige Frostabwehrmaßnahmen können Straßenverkehr behindern
Nächster ArtikelAgrana erwirbt Fruchtverarbeitungswerk in Indien