„Ich arbeite mit dem Kopf“

Katharina Reiner hat seit ihrer Geburt eine Geh- und Sehbeeinträchtigung. Trotzdem kann sie ihren Alltag sehr gut meistern. Eine Zukunft als Bäuerin kann sich die Boku-Studentin gut vorstellen.

Eine zusätzliche Stufe beim Traktor, eigene Stützgriffe, rollende Transporthilfen – was unscheinbar wirkt, macht für Katharina Reiner aus Ebreichsdorf (NÖ) den Unterschied: Es sind diese kleinen Lösungen, die große Selbstständigkeit im Alltag ermöglichen. 

Quelle: Berger/BZ
Die 22-jährige Studentin und ihre Mama Gerda sind ein eingespieltes Team.

Mit der Unterstützung ihrer Eltern schafft es die 22-Jährige, ein nahezu eigenständiges Leben zu führen. Beide Elternteile führen einen separaten Ackerbaubetrieb, die Mutter in Wien und der Vater in Ebreichsdorf. Insgesamt bewirtschaftet die Familie somit ungefähr 120 Hektar. „Ich kann mir eine Zukunft als Betriebsführerin schon gut vorstellen, allerdings werde ich Hilfe bei der praktischen Umsetzung brauchen.“ Es komme darauf an, wie sie sich weiterentwickle und welche Möglichkeiten sich für sie als Mensch mit Beeinträchtigung ergeben. Aktuell studiert Katharina Reiner Agrarwissenschaften an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Dort wolle sie mehr über die Landwirtschaft erfahren, um dieses Wissen in Zukunft anwenden zu können. Auch zu Hause hilft sie, so weit es möglich ist, bei der Arbeit mit: „Im Moment kann ich aufgrund meiner Beeinträchtigung nur Hilfstätigkeiten ausführen und mit dem Kopf arbeiten. Das heißt: Ich beobachte, merke mir Dinge und schreibe alles mit.“

Moderne Technologie als mögliche Stütze

Die Technologie entwickelt sich stetig weiter, auch bei landwirtschaftlichen Maschinen. Katharina Reiner glaubt jedoch, dass der Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) zwar eine Chance sein könnte, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung: „Ich glaube nicht, dass die KI so schnell und rentabel für kleinere Betriebe wird, dass sie mich in meiner Tätigkeit unterstützen kann.“ Ein Problem: Alle am Markt verfügbaren Traktoren werden von der rechten Seite bedient.

“Ich kann mir eine Zukunft als Betriebsführerin gut vorstellen, allerdings werde ich Hilfe bei der praktischen Umsetzung brauchen.” – Katharina Reiner

Für Reiner ist dies aber nicht möglich, sie kann nur mit der linken Seite arbeiten. Eine potenzielle Möglichkeit für Reiner wäre, sich einen eigenen Traktor oder eine Maschine speziell für ihre Beeinträchtigung umzubauen lassen. „Ein derartiger Umbau ist meist mit sehr hohen Kosten verbunden. Wir werden sehen, ob das für uns infrage kommen würde.“ Am Traktor wurde von ihrer Mutter Gerda bereits eine zusätzliche Stufe angebaut. Diese ermöglicht es Katharina, in den Traktor einzusteigen und mitzufahren.

Quelle: Berger/BZ
Zusätzliche Stufe am Traktor.

Barrierefreiheit in der Landwirtschaft

Laut Boku-Professorin Elisabeth Quendler, Institut für Landtechnik, fehlt es in Österreich an spezifischen Daten über Landwirte mit Beeinträchtigungen. Auch wenn angenommen wird, dass deren Anzahl aufgrund der körperlich anstrengenden Arbeit und der erhöhten Unfallgefahr höher ist als in anderen Branchen. „Basierend auf den spezifischen Risiken in der Landwirtschaft und internationalen Vergleichsdaten kann geschätzt werden, dass zehn bis 15 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft in Österreich von Beeinträchtigungen betroffen sind.“ Dies entspreche etwa 40.000 bis 60.000 Personen. Bei vielen dieser Personen sind die gesundheitsbedingten Aktivitätseinschränkungen erst im Laufe ihrer langjährigen Tätigkeit aufgetreten. „Barrierefreiheit ist ein Schlüssel zu mehr Inklusion und Chancengleichheit – auch in der Landwirtschaft“, erklärt Quendler. Dabei gehe es nicht nur um Rampen oder Aufzüge, sondern um ganzheitliche Lösungen: von der Gestaltung barrierefreier Höfe und Arbeitsplätze bis hin zu nutzerfreundlichen Produkten und Dienstleistungen. Ziel sei es, allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Green-Care-Betriebe rücken diesem Ziel ein Stückchen näher. Momentan gibt es davon 51, die mit Menschen mit Beeinträchtigung zusammenarbeiten.

Quelle: Berger/BZ
Bogenschießen ist eines ihrer Lieblingshobbys.

Respekt ist da, aber ausbaufähig

Laut Katharina ist der Respekt in der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung gestiegen. „Wir, also Menschen mit Behinderung, müssen daran arbeiten, dass es so bleibt.“ Sie wünsche sich, dass die Person hinter der Beeinträchtigung gesehen wird und man nicht darauf reduziert wird. „Wir sind nach wie vor eine Randgruppe, doch wir tragen genau so viel zur Gesellschaft bei, wie alle anderen auch.“

- Bildquellen -

  • Katharina Mit Mama Gerda: Berger/BZ
  • Zusätzliche Stufe: Berger/BZ
  • Bogenschießen: Berger/BZ
  • Im Traktor: Berger/BZ
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AUTORKatharina Berger
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