Angesichts eines Preisanstiegs von 40 % seit Beginn des Ukraine­Krieges sei die Lage inzwischen dramatisch, erklärte der Ausschussvorsitzende, Norbert Lins. Notwendig seien deshalb jetzt schnelle Entscheidungen, um die Landwirte zu entlasten. Der CDU-Politiker drängte laut Agra-Europe auf eine sofortige Aufhebung der Antidumpingmaßnahmen für bestimmte Stickstoffdünger. Derweil mahnte auch der Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft (DG Agri), Michael Scannell, die Verringerung der Importabhängigkeit bei fossilen Energieträgern zur Herstellung von Stickstoffdüngern sowie von Soja ein.

Zwar sei die Lebensmittelversorgung aktuell nicht gefährdet, stellte der irische Beamte klar. Kritischer könne die Lage allerdings im kommenden Jahr werden, wenn sich an den hohen Preisen nichts ändern sollte. Verkraftbar sei zumindest die Verringerung von Kali, ohne zu drastische Auswirkungen auf den Ertrag zu riskieren, so Scannell. Auch könnten verstärkt Kulturen angebaut werden, die einen niedrigeren Düngemittelbedarf hätten.

„Tropfen auf dem heißen Stein”

Mehrere Abgeordnete fordern die Überprüfung der Marktmacht der Düngemittelhersteller auf Kosten der Bauern. Dazu erklärte der ranghohe Kommissionsbeamte, dass dies zwar untersucht werde; gravierende Probleme sehe man hier aktuell aber nicht. Auch könne gegenwärtig an den geopolitischen Abhängigkeiten ohnehin nicht viel geändert werden. Geprüft wird laut Scannell dagegen eine mögliche Aussetzung der Antidumpingzölle auf Stickstoffdünger, wie sie auch von den EU-Bauernverbänden (COPA) und den ländlichen Genossenschaften (COGECA) gefordert wird. Wiewohl, eine Aufhebung der Abgaben wäre nur „ein Tropfen auf den heißen Stein”.

Dünger-Aktienkurs „explodiert”

Von einem möglichen Marktversagen aufgrund eines Oligopols der Düngemittelproduzenten sprach der Agrarsprecher der Europäischen Volkspartei (EVP), Herbert Dorfmann. Natürlich seien die Energiepreise drastisch gestiegen und damit auch verantwortlich für die hohen Stickstoffpreise. Der Anstieg für Dünger sei aber deutlich höher ausgefallen. Dafür seien die Aktienkurse einzelner Herstellerfirmen zuletzt nahezu „explodiert“, so Dorfmann. Martin Hlavace von den Liberalen sieht am Düngermarkt ebenfalls „ein klares Marktversagen“ gegeben. Zur Entlastung der Landwirte forderte der Tscheche, etwa administrative Hürden für den Einsatz von Klärschlamm auf Agrarflächen zu reduzieren.

Der Agrarsprecher der Grünen, Martin Häusling, will dagegen den Anbau von Leguminosen stärken, denn „diese könnten den Stickstoff im Boden schließlich selbst produzieren”. Und erhielt dafür Rückendeckung von Hlavaces Vorgänger, Jan Huitema. Die EU-Kommission müsse schnell Programme auf den Weg bringen, um Alternativen zu den Mineraldüngern, allen voran Gülle, zu stärken, sowie mehr Reststoffe in Biogasanlagen einzusetzen, sagte der Niederländer. So könne auch mehr Biomethan gewonnen und die Reststoffe der Vergärung als Dünger genutzt werden.

Der CDU-Europaabgeordnete Peter Jahr forderte von der Kommission einen Maßnahmenkatalog zur Sicherstellung einer hinreichenden Versorgung der Landwirtschaft mit Düngemitteln. Die Brüsseler Behörde müsse unter anderem die Frage beantworten, “wie die Düngemittelversorgung – sowohl preis- als auch mengentechnisch – ab Herbst 2022 abgesichert werden kann”. Ein nochmaliges „Reinstolpern” in eine Stresssituation könne man sich jedenfalls nicht leisten.

Polen fördert Düngerkauf

Nahezu zeitgleich hat Brüssel „grünes Licht” für polnische Düngerbeihilfen im Umfang von umgerechnet rund 836 Mio. Euro gegeben, nachdem zwei Anträge der Regierung in Warschau zuvor wegen Formfehlern zurückgewiesen worden waren. Die nunmehr genehmigten Hilfen werden über ein Programm zur Unterstützung des Agrarsektors gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ausgezahlt. Damit erhalten Polens Bauern, die sei vergangenem September und noch bis 15. Mai Mineraldünger bezogen haben oder noch zukaufen, einen Zuschuss für bis zu 50 Hektar pro Betrieb von rund 107 Euro pro Hektar Ackerland. Für Grünland gilt ein Zuschuss in halber Höhe. Hochgerechnet entspricht dies einem Zuschuss von etwa 320 Euro pro Tonne Dünger oder maximal 7540 Euro pro Betrieb.

Bernhard Weber

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AUTORRed. SN
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