Himmlische Hütten

Stefan Herbke porträtiert 30 besondere Hütten in Nord-, Ost- und Südtirol – erzählt deren Geschichten und lädt zu alpinen Abenteuern ein.

Das Brunnenkogelhaus hoch über Sölden bietet einen unvergleichlichen Rundblick.

Hütten sind weit mehr als nur alpine Refugien, die ein Dach über dem Kopf bieten. Sie erzählen Geschichten, sind Wirkungsorte echter Typen und Ausgangsorte für Bergabenteuer. Der bekannte Alpinjournalist Stefan Herbke stellt 30 ganz besondere Hütten in Nord-, Ost- und Südtirol vor, die sich für mehr als eine Stippvisite eignen. Dazu zählt die an einem Bergsee gelegene Coburger Hütte ebenso wie die Tierser-Alpl-Hütte in den Südtiroler Dolomiten, das unter Denkmalschutz stehende, geschichtsträchtige Berliner Haus mit Kronleuchtern im Eingangsbereich oder die moderne Edelraut-Hütte in den Pfunderer Bergen.

In seinen reich bebilderten Reportagen schreibt Herbke über hochalpine Domizile für Abenteurer und familienfreundliche Unterkünfte, er berichtet über schwitzende Glet-scher, erfrischende Bergseen, grandiose Klettersteige oder Bergferien für Kinder – und über Menschen, die fast ihr gesamtes Leben auf der Hütte verbracht haben. Übersichts-karten und Infoblöcke zu Lage, Anreise und insgesamt 66 Touren und Gipfelziele in Hüttennähe wie Kirchdachspitze, Schlern und Großvenediger ermöglichen die persönliche Planung. Damit der Weg nicht nur das Ziel, sondern auch zu finden ist.

Brunnenkogelhaus

Mitte August 2006 war Schluss. Ende. 118 Jahre hatte das Brunnenkogelhaus in exponierter Lage auf dem gleichnamigen Gipfel hoch über Sölden allen Stürmen getrotzt. Die Zeichen der Zeit waren nicht zu übersehen: der alte Steinbau morsch und marode, die Einrichtung komplett veraltet und die Beschaffung von Trinkwasser äußerst umständlich – Kanne für Kanne wurde das Wasser von einem Schneefeld unterhalb der Hütte mühsam heraufgetragen. Kurz: die 1888 als Erzherzog Eugen Haus am Brunnenkogel eröffnete Hütte wurde im Sommer 2006 von den Behörden wegen sanitärer Maßnahmen zugesperrt.

Das Schicksal der Hütte schien besiegelt zu sein, denn der österreichische Touristenklub (ÖTK) als Eigentümer konnte die finanziellen Mittel für einen Neubau nicht aufbringen. Die alte Hütte hatte nur Kosten verursacht und keinen Gewinn gebracht. Selbst der neue Zustieg vom Timmelsjoch, der erst im Jahr 1992 nach längeren Verhandlungen mit den Grundbesitzern angelegt worden war, hatte nicht den erhofften Aufschwung nach sich gezogen. Für Hannes Resch, den ehemaligen Geschäftsführer des ÖTK, war deshalb klar: „Wir hätten den Hüttenstandort am Brunnenkogel aufgegeben und höchstens ein Notbiwak eingerichtet.“

Martinus Gstrein aus Sölden dagegen sah für eine Hütte auf dem Brunnenkogel gute Chancen – mit seinem Sohn Martin als Hüttenwirt. Drei Besuche und viele Telefonate später war mit dem ÖTK alles geregelt. Die Familie Gstrein durfte eine neue Hütte bauen, allerdings auf eigene Kosten. Zwar zahlen sie für die ersten 30 Jahre keine Pacht, doch im Anschluss fällt die Hütte an den ÖTK zurück.

Innerhalb von zweieinhalb Wochen wurde das alte Brunnenkogelhaus abgerissen. 60 Tonnen Material mussten mit dem Hubschrauber auf den Berg geflogen werden, ohne Hilfe eines Krans stemmten die Arbeiter bis zu 180 Kilogramm schwere Balken. Sechs Wochen lang stieg Martin Gstrein mit seinen Helfern täglich morgens um sechs Uhr von der Brunnenbergalm die knapp 800 Höhenmeter zum Brunnenkogel auf. Am 22. Juli war es soweit – das neue Brunnenkogelhaus wurde eröffnet – ein Neuanfang und ein echter Blickfang hoch über Sölden und dem Ötztal.

Hüttenerfahrung bringt Martin mit, schließlich hatte er bereits  einen Sommer auf dem Brandenburger Haus und vier auf dem Ramolhaus gearbeitet.  Beide Alpenvereinshütten befinden sich auf über 3.000 Metern Höhe und sind daher noch schwerer zu bewirtschaften. Das Brunnenkogelhaus ist im Vergleich dazu regelrecht luxuriös. Vor allem, weil die alten Probleme mit dem Wasser gelöst wurden. In Handarbeit und mit Unterstützung des Tourismusbüros verlegten sie in nur zwei Tagen eine Leitung zur 770 Meter entfernten und 110 Meter tiefer gelegenen  Quelle. Mit einer Pumpe wird das Wasser jetzt zur Hütte gepumpt, wo es in einem 3.000-Liter-Behälter gespeichert wird.

Fakten

Das Brunnenkogelhaus liegt auf 2.735 Meter Seehöhe. Bewirtschaftet wird es von Martin Gstrein und seiner Familie. Von Mitte Juni bis Ende September ist diese himmlische Hütte geöffnet, insgesamt stehen 24 Schlafplätze zur Verfügung. Der Zustieg erfolgt entweder von Sölden aus in vielen, teils steilen Serpentinen oder von der Windachalm aus und dauert zwischen drei und 4.15 Stunden. Die Hütte steht auf dem Gipfel und begeistert mit einem ungehinderten 360-Grad-Rundblick. Unbedingt zu empfehlen ist ein Abstecher zum wunderschönen Wannenkarsee. Dieser gehört zu den schönsten Bergseen Tirols, der mit seiner Färbung an die Karibik erinnert.

Als besondere Hüttenschmankerln gelten das Gröstl, die Brettljause und Martins berühmte Hüttennudeln.

Über den Autor

Stefan Herbke, Jahrgang 1967, kennt womöglich noch nicht alle Hütten in den Alpen, aber sicher alle, die es wert sind, dass man sie kennt. Seit mehr als 25 Jahren arbeitet der gebürtige Münchner und Diplom-Geograph als freier Journalist und Autor von Wander- und Skitourenführern. Bei Tyrolia erschienen von ihm zuletzt „Himmlisches Schneevergnügen – Skitourenparadiese in Österreich und Südtirol“ sowie „Traumtouren – 25 außergewöhnliche Skidurchquerungen in den Alpen“.

Quelle: Herbke
Himmlische Hütten: 208 Seiten, 241 farbige Abbildungen und 30 Kartenausschnitte mit eingezeichnetem Routenverlauf sowie 1 Übersichtskarte,
21 x 26 cm, gebunden Tyrolia-Verlag, Innsbruck Wien 2025; ISBN 978-3-7022-4256-5; € 35,–

- Bildquellen -

  • 4256 5 Himmlische Huetten: Herbke
  • Brunnenkogelhaus, Www.brunnenkogelhaus.at: Herbke
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