„Handelsvorteile für beide Seiten“

Australiens Agrarministerin Julie Collins plädiert für ein Freihandelsabkommen mit der EU.

Warb in Berlin auch um einen Freihandel mit der EU: Julie Collins.

Die Landwirtschaftsministerin aus Down Under nutzte dafür das diesjährige „Global Forum for Food and Agriculture“ in Berlin. Am Rande führte sie dieses Interview.

Warum sind Sie nach Berlin gekommen?

COLLINS: Der Hauptgrund ist, hier mit Vertretern anderer Länder über die Sicherstellung eines offenen, beidseitigen Handels nach einer regelbasierten Ordnung zu sprechen. Ich kann nur immer wieder betonen, dass jeder von einem solchen Handelssystem profitiert.

Vor Kurzem wurde Donald Trump neuerlich als US-Präsident vereidigt. Erwarten Sie Auswirkungen auf den weltweiten Agraraußenhandel? 

Australien hat ein Freihandelsabkommen mit den USA. Wir sind überzeugt, dass wir großartige Produkte von hoher Qualität anbieten und die US-Bürger diese weiterhin erhalten möchten. Wir werden die Gespräche mit der US-Regierung unter Trump fortsetzen. 

Zwischen der EU und Australien besteht noch kein solches Abkommen. Wie stehen Sie dazu? 

Wir sind weiterhin entschlossen, ein Abkommen zu erreichen, das für beide Seiten von Vorteil ist. Dabei müssen die Interessen der australischen Farmer angemessen berücksichtigt werden, so wie die EU ihre Bauern schützen möchte. Es sollte eine beiderseitige Win-win-Situation sein.

Warum ist das bisher nicht gelungen? 

Wegen der Unterschiede zwischen unseren Agrarsystemen. In der EU beträgt die durchschnittliche Betriebsgröße 17 Hektar, bei uns sind es zehntausende Hektar. Wir konzentrieren uns darauf, die Ziele der EU zu unterstützen, anstatt ihre Prozesse nachzuahmen, da unsere Landwirtschaft anders ist. Australiens Landwirte gehören zu den produktivsten weltweit. Dabei arbeiten sie auch noch äußerst nachhaltig. Wir sind stolz darauf, ein Nettoexporteur zu sein. Rund 70 Prozent unserer Agrarprodukte werden exportiert. 

Es spießt sich also. Wie können beide Seiten einen Kompromiss finden? 

Wir müssen weiter reden. Auch wir in Australien haben hohe Standards in Bezug auf Nachhaltigkeit, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz. Allerdings verfolgen wir in einigen Bereichen einen risikobasierten Ansatz, während die EU oft einen gefahrenbasierten Ansatz bevorzugt. Ich denke, wenn wir den Europäern unsere Erkenntnisse und Daten zeigen, die unser Vorgehen begründen, finden wir gemeinsam eine Lösung. 

In Australien wird der Export von lebenden Schafen schrittweise eingestellt. Warum? 

Die Exportzahlen sind über die letzten 20 Jahre hinweg deutlich auf umgerechnet nur noch knapp 287 Millionen Euro geschrumpft, bei einem Gesamtumsatz der Schaffleischindustrie von 2,4 Milliarden Euro. Für eine Gruppe von Farmern in Westaustralien war es aber wichtig. Mit einem Übergangspaket geschnürt, eröffnen wir den Schafbauern neue Möglichkeiten, indem wir ihre Tiere in Australien schlachten. Das bringt mehr Wertschöpfung und zusätzliche Arbeitsplätze. 

Der Exportstopp erfolgte aber aus Tierschutzgründen. 

Wir haben strenge und individuelle Tierschutzstandards. Natürlich gibt es Unterschiede zu den Standards der EU. So braucht es keine Unterstände für unsere Tiere im Winter aufgrund unseres Klimas. 

In der EU will man, dass nur tierische Produkte eingeführt werden, die unter den gleichen Tierschutzstandards wie in der EU hergestellt wurden. Ihre Meinung dazu?

Ich würde den Fokus eher auf das Wohlergehen der Tiere legen statt auf die Systeme. Diese müssen nicht identisch sein, damit Tiere angemessen behandelt werden.

Reden wir über Bioökonomie: Welche Stärken bringt Ihr Land in diesem Bereich mit? 

Wir wollen die Lebensmittelverschwendung halbieren und die Kreislaufwirtschaft in Australien vorantreiben. Außerdem arbeiten unsere Farmer wie erwähnt äußerst nachhaltig und innovativ. Sie haben den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln reduziert. Wir gehören zu den Ländern mit dem geringsten Einsatz dieser Produkte. Gleichzeitig wurden die Erträge gesteigert. Zudem verringern wir den Wasserbedarf dank innovativer Anbaumethoden. Über einen nationalen Dürrefonds arbeiten wir mit Farmen zusammen, um deren Anpassung an unausweichliche Dürreperioden zu stärken sowie deren Wahrscheinlichkeit und Auswirkungen auf die Betriebe zu verringern. 

Viele junge Europäer reisen nach Australien, um dort für ein Jahr auf Farmen zu arbeiten. Was halten Sie vom leichteren Zugang für ausländische Arbeitskräfte, wie es auch viele Farmer fordern?

Es gibt bei uns zwei unterschiedliche Systeme für saisonale Arbeitsspitzen: Eine Vereinbarung speziell mit den pazifischen Inselnachbarstaaten und unser Working-Holiday-Visum, das es vor allem Rucksacktouristen aus Europa ermöglicht, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Diese Arbeitskräfte sind definitiv wichtig für uns. Damit stellen wir auch eine angemessene und faire Entlohnung sicher.

Machen wir noch einen Blick auf die Ukraine: Welche Auswirkungen hat dieser Krieg auf den Agrarhandel? 

Australien hat klar Stellung bezogen, dass es sich um einen illegalen Angriffskrieg handelt. Wir unterstützen die ukrainische Bevölkerung. Konflikte wie dieser haben schließlich erhebliche Auswirkungen auf die globale Ernährungssicherheit, weil sie die Versorgung der Bedürftigsten auf dieser Welt gefährden. 

Zur Person

Julie Collins (53), Politikerin der Labor-Partei und aufgewachsen in Tasmanien, ist seit Sommer 2024 Australiens Ministerin für Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft. Zuvor war die Betriebswirtin und dreifache Mutter schon Ministerin für Gemeinschaftsdienste,
Frauenrechte und Wohnungsbau. 

Das Gespräch mit ihr führte Agra-Europe.

Erneut Funkstille zwischen Europäischer Union und Down Under

Die EU und Australien verhandeln seit 2018 über ein umfassendes Freihandelsabkommen, um den Handel zwischen den beiden Kontinenten zu erleichtern. Die 15. Verhandlungsrunde fand 2024 in Brüssel statt und wurde im Spätherbst einmal mehr abgebrochen. Speziell in Agrarfragen konnte keine Einigung erzielt werden.

Dabei gab es große Hoffnungen in das Abkommen in Zeiten von Konflikten, Abgrenzung und Protektionismus. Die EU ist an Australiens Rohstoffen wie seltenen Erden oder Grünem Wasserstoff interessiert und will nach Down Under mehr Autos verkaufen. Umgekehrt will Australien mehr Marktzugänge für seine Agrarprodukte wie Getreide und Rindfleisch. Nach China und Japan ist die EU der drittwichtigste Handelspartner Australiens. Für die EU spielt Australien eine geringere Rolle, es liegt auf Platz 18 seiner Handelspartner, mit einem deutlichen Handelsüberschuss. Brüssel soll Canberra zuletzt zollfreie Agrarimporte von jährlich 600 Millionen Euro angeboten haben, das wären 0,3 Prozent seiner Gesamtimporte von 200 Milliarden Euro. Zu wenig, fanden die Aussies. Uneinig ist man sich auch bei der Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln. Die Bezeichnungen Parmaschinken oder Fetakäse sind in der EU geschützt. In Australien gibt es für viele EU-Produkte australische Alternativen mit ähnlichen Namen.

Anders als in der EU erhalten die Landwirte in Australien keine oder nur sehr geringe staatliche Förderungen. Sie gelten damit als international wettbewerbsfähig und verkaufen ihre Produkte in alle Welt. Ein Freihandelspakt mit der EU ist für sie aber nicht überlebenswichtig.

- Bildquellen -

  • Julie Collins: Instagram
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AUTORRed. BW
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