
Als 2022 Sozialminister Johannes Rauch (Die Grünen) die Spitzen des Lebensmitteleinzelhandels zu einem Gipfel lud, um über eine Haltungskennzeichnung für tierische Produkte in Österreich zu diskutieren, war der Aufschrei in der Bauernschaft groß. Denn der dort beschlossene Gesetzesvorschlag entstand ohne einen einzigen Agrarvertreter am Verhandlungstisch. Wenig verwunderlich, dass der Entwurf wenig später als graue Theorie in den ministerialen Schubladen verschwand.
Staatlich in Dänemark
Quelle: foedevarestyrelsen.dkZeitgleich waren in anderen Ländern der EU die Pläne für eine solche Kennzeichnung bereits weit gediehen. Etwa in Dänemark, wo seit 2017 das staatlich geprüfte Tierschutzlabel „Bedre Dyrevelfærd“ (Besserer Tierschutz) existiert. Entwickelt wurde es von den Veterinärbehörden und kommt für Schweine-, Hühner-, Rind- und Kalbfleisch sowie Milchprodukte zum Einsatz.
Freiwillig in Frankreich und Holland
Quelle: beterleven.dierenbescherming.nlAndere Wege ging man in den Niederlanden und Frankreich. Unter dem Namen „Beter Leven“ erarbeiteten die Holländer unter Federführung einer Tierschutzgesellschaft schon 2007 ein Branchensiegel, das in drei Stufen über den Tierwohlstandard von Milch, Fleisch und Eiern informiert.
Quelle: agrociwf.frFrankreich wiederum bietet seit 2017 eine Branchenlösung. Seither springen mehr und mehr Händler auf den Zug auf und lassen auf Verpackungen von Geflügel- und Schweinefleisch sowie Eiern das „Étiquette Bien-Être Animal“ anbringen. Mit Buchstaben von A (höchste Stufe) bis E (Mindeststandard) und mittels Ampelfarben klärt es über die Haltungsform auf.
Deutschland betont uneinig
In der Bundesrepublik Deutschland scheint man sich vorerst auf keinen der zwei Wege – also staatliches Siegel oder Branchenlösung – einigen zu können und macht deshalb ab Sommer 2025 beides. Eigentlich wurde schon 2019 die sogenannte Haltungsformkennzeichnung etabliert. Die auf Initiative aller namhaften Handelsketten entstandenen Logos gaben in vier Stufen Auskunft über die Haltung der Nutztiere, die Milchprodukte und Fleisch lieferten. „Der Ampelregierung war die privatwirtschaftliche Initiative zu wenig streng“, weiß Jan Wöhlbier vom Deutschen Raiffeisenverband. Er informierte kürzlich am Fachtag Schweinehaltung der Wintertagung über die Entwicklungen in seinem Heimatland.
Wöhlbier: „Das System der Privatwirtschaft ist vom Verbraucher gelernt und allgemein akzeptiert. Das gesetzliche Label wiederum gilt erstmal nur für einzelne Produktgruppen.“

2023 habe der Bundestag eine staatliche Haltungskennzeichung beschlossen, welche ab August zunächst nur für deutsches Schweinefleisch gilt. Die bereits etablierte Haltungsformkennzeichnung wurde als Reaktion darauf im Vorjahr (entsprechend der neuen Gesetzeslage) auf ein Fünf-Stufen-Modell angepasst.
Wöhlbier vermisst in der Debatte Anerkennung für das bereits Geleistete. „Das System der Privatwirtschaft ist vom Verbraucher gelernt und allgemein akzeptiert. Das gesetzliche Label wiederum gilt erstmal nur für einzelne Produktgruppen“, monierte er. Problematisch sei auch, dass die staatliche Kennzeichnung teilweise verschärfte Standards einfordere und es bundesländerspezifisch unterschiedliche Auslegungen gibt. „Das hat große Auswirkungen für jene Betriebe, die bereits Umbaumaßnahmen abgeschlossen haben“, so Wöhlbier.

Nicht zu unterschätzen sei auch der bürokratische Aufwand, der vorerst nur den deutschen Schweinebauern blüht: Sie müssen ihre Haltungsform an die zuständige Landesbehörde melden, welche eine Kennnummer generiert, die dann als Nachweis fungiert. „Einige Behörden haben es bis heute nicht geschafft, ein Portal zu erstellen“ ergänzte der Raiffeisen-Fachmann kritisch. Bei den Bauern sorgt dieses Wirrwarr an neuen Vorgaben für Unmut. „Sie zeigen nach wie vor eine massiv ablehnende Haltung zum neuen Gesetz“, berichtete Wöhlbier aus der Praxis. Investitionen würden gebremst, die bestehenden Haltungssysteme regelrecht „zementiert“.
Branchenlösung bringt „die meisten Synergien“
Zurück nach Österreich: Hier preschte vor gut einem Jahr LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger gemeinsam mit den Tierhaltungsverbänden vor und forderte ebenso eine Haltungskennzeichnung, welche von allen Teilnehmern der Wertschöpfungskette mitgetragen werden sollte. Herzstück müsse das staatliche AMA-Gütesiegel sein. Mit der Erarbeitung wurde daher die AMA-Marketing betraut. Deren Leiter der Abteilung „Qualitätsstrategie und Wissensmanagement“, Martin Greßl, informierte auf der Wintertagung über den aktuellen Verhandlungsstand. „Wir versuchen auf privatrechtlicher Basis eine Branchenlösung zu finden“, erklärte er.
Greßl: „Es braucht einfache und klare Spielregeln, die regelmäßig evaluiert und sukzessive umgesetzt werden.“
Orientieren müsse man sich demnach – ob der engen Verbindungen im Export – am deutschen Weg. Greßl: „Parallelsysteme, wie sie derzeit dort entstehen, gilt es aber jedenfalls zu vermeiden. Das irritiert Wirtschaft und Konsumenten gleichermaßen.“ Insofern laufen derzeit auch intensive Verhandlungen um Lösungen mit möglichst allen Beteiligten zu erreichen. Von einer gesetzlichen Vorgabe „von oben“, wie in Deutschland, hält Greßl wenig. Der Konsens der Wertschöpfungskette brächte „die meisten Synergien“.
Eier als Vorzeigeprojekt
Langfristig müssen dazu die Rahmenbedingen stimmen. „Keinesfalls“, so Greßl, dürfe sich eine Auslobung (wie im deutschen Gesetz) auf inländische Ware beschränken, um Importen nicht Tür und Tor zu öffnen. Höhere Haltungsstandards müssten sich außerdem stets in der Nachfrage widerspiegeln. „Hier wird es ein enges Angebots-Nachfrage-Monitoring brauchen, um höhere Produktionskosten abzugelten.“ Als Erfolgsbeispiel führt der AMA-Manager die hiesige Kennzeichnung bei Eiern ins Treffen. Diese habe dort ein sukzessives Wachstum von Bio- und Freilandhaltung mit sich gebracht. Noch kann Greßl nicht viel Konkretes über die tatsächliche Umsetzung in Österreich berichten: Mehrere Zugänge stünden zur Diskussion. Die AMA-Marketing präferiert eine Positiv-Kennzeichnung in Anlehnung an den dänischen oder holländischen Weg. „Wichtig ist eine einfache Orientierung für die Verbraucher“, resümierte er. Nachsatz: „Es braucht einfache und klare Spielregeln, die regelmäßig evaluiert und sukzessive umgesetzt werden.“
Eine Übersicht über alle Kriterien der deutschen Haltungskennzeichnung lesen Sie hier. Einen Überblick über das Pendant der Privatwirtschaft erhalten Sie hier.
- Bildquellen -
- Dänemark: foedevarestyrelsen.dk
- Niederlande: beterleven.dierenbescherming.nl
- Frankreich: agrociwf.fr
- Deutschland_staatlich: BMEL
- Haltungsformkennzeichnung BRD(alt): pixelot - stock.adobe.com