Global 2000-Pestizidatlas enthält gravierende Fehler

Der Global 2000-Pestizidatlas 2022 stößt auf heftige Kritik.

Über “Gift” in der Landwirtschaft lässt sich trefflich streiten. Gezielt in der Saison der agrarischen Fachtagungen hat die Nicht-Regierungs-Organisation Global 2000 ihren „Pestizidatlas 2022“ vorgestellt. Die Publikation wurde in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) erstellt und soll „Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft 2022″ vermitteln. Hand in Hand damit geht die von diesen Organisationen erwartbare Forderung nach einer konsequenten Reduktion des Einsatzes von Pestiziden sowie nach dem Verbot besonders toxischer Ackergifte. Zudem sollen bereits in der EU verbotene Pestizide auch nicht länger exportiert werden dürfen.

Ein lukrativer Geschäftszweig, von dem nur wenige profitieren

Laut dem Pestizidatlas sei der weltweite Einsatz an Pestiziden seit 1990 um 80 Prozent gestiegen. Besonders kritisiert Global 2000 den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen wie zum Beispiel Soja samt Anwendung des Herbizids Glyphosat. In Österreich, so die Auswertung, seien im Jahr 2020 rund 13.400 Tonnen an Pestiziden ausgebracht worden, was zu anhaltenden Belastungen von Mensch, Natur und Umwelt führe. Auch in Österreich sei die Pestizidindustrie ein lukrativer Geschäftszweig, von dem aber nur einige wenige profitieren, behaupte Global 2000.

IGP: Der Atlas beinhaltet zahlreiche Fehler

Die Kritik des Branchenverbandes IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) zu dem Pestizidatlas erfolgte prompt und fiel vernichtend aus. Der Atlas beinhalte zahlreiche Fehler, methodische Mängel sowie Zahlen- und Wortspielereien, so die IGP. Es sei offensichtlich, dass die Autoren sich die Inhalte zurechtlegen, um passend zu machen, was nicht passt. Konkret bemängelt die IGP:
• dass in der für Österreich ausgewiesenen Gesamtmenge an Pestiziden von rund 13.400 Tonnen auch inerte Gase enthalten sind, die in der Lagerhaltung eingesetzt werden. Der Fehler ist beachtlich, denn die inerten Gase (großteils Kohlendioxid) umfassen knapp 40 Prozent der in Verkehr gebrachten Wirkstoffmenge.
• Global 2000 unterscheide zudem nicht zwischen formuliertem Produkt und Wirkstoff.
• Weiters werde suggeriert, dass in der biologischen Landwirtschaft keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden bzw. spart der Atlas die biologischen Pflanzenschutzmittel aus.
• Als Falschaussage entlarvt die IGP auch die Behauptung, dass jährlich weltweit 385 Millionen Menschen an Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel erkranken. Diese Zahl habe mit der Realität nichts zu tun, weil der Großteil der in dieser Zahl enthaltenen Verletzungen aus Augenkontakten mit Desinfektionsmitteln resultiere, die als Biozide auch zur Gruppe der Pestizide gerechnet werden.

Pflanzenschutz verbessert Ertrag und Qualität

Laut IGP sei die Studie für einen wissenschaftlichen und faktenbasierten Diskurs ungeeignet. Der Pestizidatlas beweise lediglich, dass es Global 2000 an grundlegendem Wissen über die Landwirtschaft mangle. Unkraut und Schädlinge sind weder in der biologischen noch in der integrierten Bewirtschaftung erwünscht, weil sie sich negativ auf den Ertrag und die Qualität auswirken. Daher setzen Landwirte bei beiden Bewirtschaftungsformen Pflanzenschutzmaßnahmen, um einen Schaden in den Kulturen zu vermeiden oder zu minimieren.

LK Österreich: Global 2000 verbreitet Fake-News

Die Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) bewertet den Global 2000-Pestizidatlas als „eine skurrile Vermischung von Kraut und Rüben“. Es entbehre jeder Seriosität, die Situation in Südamerika, Afrika und Asien mit jener in Europa und Österreich in Verbindung zu setzen. Der Pestizidatlas enthalte entbehrliche Fake-News, die Fakten seinen völlig anders gelagert. 
So sei der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in Österreich in den vergangenen zehn Jahren laut Österreichischer Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) um 22,1 % gesunken. Die regelmäßigen Untersuchungen der AGES bescheinigen heimischen Lebensmitteln höchste Qualität und Sicherheit. Das weitaus größte Gesundheitsrisiko seien falsche Ernährung, zu wenig Bewegung und falsche Lagerung von Lebensmitteln im Haushalt, betont die LKÖ.

Bereits 26 Prozent Bio-Anteil

Österreichs Bäuerinnen und Bauern seien Nachhaltigkeits-, Tierwohl- und Bio-Weltmeister. Hierzulande werden mittlerweile 26 % der Fläche biologisch bewirtschaftet. Mehr als 80 % der heimischen Bauernhöfe nehmen am Agrarumweltprogramm (ÖPUL) teil. Aktuell werden bereits 5 % der Flächen von den Bäuerinnen und Bauern ganz gezielt für die Biodiversität, allen voran (Wild-)Bienen und andere Bestäuber, zur Verfügung gestellt. Warum werden diese Leistungen nicht endlich anerkannt?, fragt die LKÖ. Es sei geradezu geschäftsschädigend für die hart und nachhaltig arbeitenden Bauernfamilien, wenn von “Pestizidvergiftungen” gesprochen werde. Dies entbehre jeglicher Fakten, so die LKÖ.

Download: “Pestizidatlas 2022”

- Bildquellen -

  • Pestizid Atlas Web: Global 2000 / Bauernzeitung
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AUTORH.M.
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