„Gemeinden haben ­große Verantwortung“

Die Gemeinde Ruprechtshofen hat mögliches Potential für die Errichtung von Photovoltaikanlagen sowohl auf Dach- als auch auf Freilandflächen erhoben und damit eine Entscheidungsgrundlage für Flächenumwidmungen geschaffen. Ein Beispiel, dem auch andere Gemeinden folgen können.

Sonnenstrom wird im Klima- und Energiefahrplan 2020 bis 2030 des Landes NÖ als wichtiger Teil der Energiewende definiert und soll bis 2030 eine jährliche Erzeugung von 2.000 Gigawatt-Stunden aus Photovoltaikanlagen erreichen. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, werden jedoch auch Freiflächenanlagen im Grünland an Bedeutung gewinnen.

Lebensmittelerzeugung hat Vorrang vor Energieerzeugung

Im sich daraus ergebenden Spannungsfeld „Energie- versus Lebensmittelerzeugung“ in der Flächenwidmung kommt den Gemeinden eine Schlüsselrolle zu. Freiflächen-PV-Anlagen brauchen die Widmung „Grünland-Photovoltaikanlage“, die vom Gemeinderat zu beschließen ist.

Eine große Verantwortung, der sich auch die Gemeinde Ruprechtshofen unter Bürgermeister Leopold Gruber-Doberer bewusst ist: „Die Erzeugung von Erneuerbarer Energie ist generell zu begrüßen und auch eine große Chance für den ländlichen Raum. Denn wir haben hier eine Ressource, um die uns die Städte beneiden, nämlich Freiflächen.“ Trotz allem, oder gerade darum, sei diese Ressource ein besonders schützenswertes Gut und dieser Boden werde jeden Tag weniger, fordert der Bürgermeister einen sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit Grund und Boden.

„Die Sicherstellung und Beibehaltung der Ernährungssouveränität ist ein unbedingtes Muss“, hat für Gruber-Doberer, der selbst Landwirt ist, die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln Vorrang vor der Erzeugung von Energie. Ruprechtshofen war daher eine der ersten blau-gelben Kommunen, die sich vorausschauend und planmäßig mit der Anordnung von Photovoltaikanlagen auseinandergesetzt hat, um die gemeinsamen Energieziele zu erreichen und gleichzeitig auch auf die Schonung hochwertiger Böden und Landschaftsteile Bedacht zu nehmen.

In Zusammenarbeit mit Raumplaner Herfried Schedlmayer wurde eine Studie erstellt, in der die Bodengüte des gesamten Gemeindegebietes erfasst wurde. 

Im nächsten Schritt wurde das Gemeindegebiet Ruprechtshofen in 22 Cluster eingeteilt, jeweils 400 Meter im Umkreis eines Trafos. Danach erfolgte die Auswertung nach Bodengüte je Cluster. Dem gegenüber gestellt wurde die verfügbare Dachfläche im jeweiligen Gebiet. Diese Daten bilden die Grundlage für die notwendigen Schlüsse und Vorgehensweisen in der Flächenwidmung.

„Durch diese Analyse wollen wir den Bürgern ihr Energiepotential vor Augen führen und sie motivieren, im Rahmen solcher Gemeinschaften Energie gemeinsam zu produzieren, zu speichern und lokal auszutauschen“,  war die Analyse des Dachflächenpotentials vor dem Hintergrund einer wichtigen EU-Richtlinie für Bürgermeister Gruber-Doberer relevant. Diese ermöglicht es künftig Bürgern, Firmen und anderen Interessenten, sich in den Gemeinden zu sogenannten Erneuerbare-Energiegemeinschaften lokal zusammenzuschließen.

Dachflächen nutzen, bevor eine Umwidmung erfolgen kann

Für die Flächenwidmung bedeutet das, dass in einem Cluster mit einem großen Anteil von Dachflächen grundsätzlich zuerst die freie Dachfläche zu nutzen ist. Erst danach kann es für Flächen mit einer Bodenzahl bis 30 eine Widmung als „Grünland-Photovoltaikanlage“ geben. „Wir haben mit dieser Analyse klare Argumente in der Hand“, ist es ist dem Bürgermeister ein Anliegen, dass es durch die Widmung von PV-Freiflächen nicht zu einem Anstieg der Pachtpreise kommt. Die lebensmittelerzeugende Landwirtschaft habe Vorrang gegenüber den Energieerzeugern. „Wir haben hier als Gemeinde eine große Verantwortung und diese haben wir auch wahrzunehmen. Wenn es die Maßnahmen der Bundesregierung gegen Corona zulassen, wollen wir in einem entsprechenden Forum die Arbeit in nächster Zeit präsentieren und das Interesse zur Errichtung von Dachflächenanlagen ausloten“, plant Bürgermeister Gruber-Doberer bereits die weiteren Schritte im Projekt.

2.000 Gigawatt-Stunden Strom bis 2030

In Niederösterreich gibt es aktuell rund 40.000 Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 325 Megawatt. Bis 2030 soll diese auf 2.000 Gigawatt-Stunden ausgebaut werden.

Um Gemeinden bei der Entscheidungsfindung bei Freiflächenanlagen zu unterstützen, wurde auf Initiative von LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf ein Widmungs-Leitfaden erstellt, um nicht zuletzt den Schutz der wertvollsten Ackerflächen sicherzustellen. Dieser soll konkrete Hinweise und Leitlinien für die Umsetzung in der Praxis geben.
Download unter: www.umweltgemeinde.at/strategie-zum-ausbau-der-pv-anlagen-in-noe

In der nächsten Landtagssitzung wird zudem eine Änderung im Raumordnungsgesetz beschlossen: Freiflächenanlagen ab zwei Hektar können in Zukunft nur mehr gewidmet werden, wenn sie in einem sektoralen Raumordnungsprogramm des Landes NÖ ausgewiesen sind, die nach besonders strengen Kriterien erstellt werden.

Vom Land NÖ wurde das „Sonnenkraftwerk Niederösterreich“ als Photovoltaik-Bürgerbeteiligungsprojekt mit 150 Großflächen-Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden initiiert. Ab einer Investitionssumme von 900 Euro können sich Interessierte beteiligen. Die Rendite beträgt 1,75 Prozent. Infos: www.sonnenkraftwerk-noe.at

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  • 11 02 43 20 NO: BB NÖ/Archiv
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