BZ: Corona hat Tirol fest im Griff. Warum hat sich Tirol aus Ihrer Sicht zu einem Corona-Hotspot entwickelt?

GEISLER: Ich möchte hier drei Faktoren nennen: erstens, die Nähe zu Italien; zweitens der Tourismus und drittens – und das gilt vor allem für Innsbruck – das studentische Leben. Alle diese Faktoren mit ihren grenzüberschreitenden Verflechtungen haben dazu beigetragen, dass wir jenes Bundesland mit den meisten Coronafällen sind. Die Entwicklung geht rasend schnell. 

 

In den vergangenen Tagen wurde Kritik laut, das Land Tirol habe Maßnahmen – wie etwa die Sperre vor Ortschaften und Skigebieten – zu spät getroffen. 

GEISLER: Solchen Vorwürfen muss ich vehement widersprechen. Tirol ist jenes Bundesland, dass vor allen anderen die sowohl für die Bevölkerung als auch für die Wirtschaft drastischsten Maßnahmen vor allen anderen getroffen hat. LH Günther Platter hat sich bei der Verkündung der de facto Ausgangssperre direkt an die Bevölkerung gewandt. Wer das gesehen hat, hat gespürt, was für eine schwierige und einschneidende Maßnahme das für die Entscheidungsträger und für uns alle ist. 

 

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Landwirtschaft von der aktuellen Situation sogar profitiert. 

GEISLER: Den Ausdruck „profitiert“ würde ich nicht verwenden. Was aber sicher passiert – die Menschen machen sich mehr Gedanken über die Lebensmittelversorgung und erkennen, dass es für ein Land wichtig ist, sich zumindest bei den Grundnahrungsmitteln selbst versorgen zu können. Und sie realisieren, dass die heimischen Bäuerinnen und Bauern sowie die Verarbeitungsbetriebe das Rückgrat der Lebensmittelversorgung sind. Darauf müssen wir, wenn wir die Coronakrise überwunden haben, aufbauen. 

 

Für die Landwirtschaft gelten viele derzeit verordnete Beschränkungen nicht, weil sie eben ein „systemrelevanter“ Bereich ist. Wie sehen Sie das?

GEISLER: Die Arbeit am Hof und am Feld muss gemacht werden. Deshalb gibt es diese Ausnahmen. Ich appelliere aber an alle Bäuerinnen und Bauern, sich vor allem auch innerhalb der Familien verantwortungsvoll zu verhalten – gerade dann, wenn mehrere Generationen am Hof leben. Der wesentliche Grund, warum wir so strikte Maßnahmen zur Eindämmung des Virus setzen, ist ja der Schutz vor allem der älteren Generation. Nur wenn es uns gelingt, die Kurve der Neuinfektionen deutlich abzuflachen, können wir gewährleisten, dass unser sehr, sehr gutes Gesundheitssystem nicht kollabiert und all jene, die es brauchen, auf höchstem Niveau medizinisch versorgt werden können. 

 

Der Großteil der heimischen Bauern ist im Nebenerwerb. Damit sind sie auch potenziell von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen. Wie ist hier die Situation?

GEISLER: Insbesondere die Bundesregierung hat hier schon ein milliardenschweres Maßnahmenpaket vorgelegt, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in die Arbeitslosigkeit geschickt werden und die Wirtschaft nach der Krise wieder durchstarten kann. Und auch auf Landesebene stellen wir vorerst 400 Millionen Euro zur Verfügung. Ich bin außerdem überzeugt, dass die Tiroler Unternehmerschaft weiß, was sie an ihren Arbeitskräften hat. Es wird sicher niemand leichtfertig gekündigt. 

 

Man hat den Eindruck, dass das Land zusammenrückt. 

GEISLER: Wir alle können stolz sein auf den Zusammenhalt, den wir gerade erleben. Es gibt eine überwältigende Hilfsbereitschaft. Niemand wird in dieser Situation allein gelassen. Danke an dieser Stelle auch an die Jungbauernschaft/Landjugend für ihre wertvolle Initiative. Danke aber auch all jenen, die unser Leben derzeit am Laufen halten, insbesondere auch den Mitarbeitern im Handel, dem massiv geforderten Gesundheitspersonal oder den Kräften der Einsatzorganisationen. Ich habe keinen Zweifel: Wir packen das!

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  • IMG 0432: Land Tirol
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