Fettes Joghurt, Espresso süß

Markus Mühleisen, neuer Boss bei Agrana, im Gespräch über sein neues Aufgabenfeld, das Potenzial von Spezialstärke und sein generelles Verständnis für höhere landwirtschaftliche Erzeugerpreise.

Markus Mühleisen: „Klar wäre es gut, mehr für die Zuckerrüben zu bezahlen.“ Foto: Sabine Klimpt

BauernZeitung: Sie sind demnächst seit 150 Tagen neuer Chef in der Agrana: Haben Sie sich in Österreich schon eingelebt? Und gibt es für Topmanager eigentlich noch 100 Tage Schonfrist zur Einarbeitung?
Mühleisen: Ich habe mich schon sehr gut eingelebt. Man ist ab dem ersten Tag gefordert. Ich habe auch sofort viel Zeit zum Kennenlernen von Mitarbeitern, Geschäftspartnern und unseren Erzeugern, also den Landwirten, verbracht. Auch Corona ist noch da und spürbar wie generell die Volatilität auf den Rohstoff- und Energiemärkten. Dazu kam ein bisschen Standort-Bestimmung.

Sie kommen aus der Lebensmittelwirtschaft, dirigierten zuletzt das Milchgeschäft von Arla Foods in Deutschland, Ihre neuen Aufgabenfelder sind Früchte, Stärke und Zucker. Was hat Sie am Agrana-Chefsessel besonders gereizt?
Ich habe seit fast 30 Jahren mit Lebensmitteln zu tun. Agrana als Leitunternehmen war mir als Kunde im Fruchtbereich bereits vorher bekannt. Es gab also schon Berührungspunkte. Mit unseren drei Standbeinen Frucht, Stärke und Zucker hat Agrana gute Wachstumschancen. Diese umzusetzen ist es, was mich reizt.

Wo liegen heute die größten Herausforderungen im Geschäft speziell mit Stärke oder Zucker, beides Agrarrohstoffe, die vermutlich überall auf der Welt günstiger erzeugt werden können als hierzulande?
Der Preis ist nicht alles. Er spielt natürlich eine Rolle. Das Allerwichtigste aber ist gute Qualität und Lieferzuverlässigkeit. Agrana ist bekannt für Innovationskraft, guten Service, sehr hohe Lieferzuverlässigkeit und Produktqualität. Es gibt aber Segmente, da ist man einem extremen Preiskampf ausgesetzt. Und hier sehe ich vielleicht noch ein paar Hausaufgaben für uns. Ich erzähle jetzt nichts Neues, wenn ich sage, das Zuckergeschäft war zuletzt sehr schwierig, weshalb man sich auf einen härteren Wettbewerb einstellen muss.

Welche Erfahrungen aus dem ebenfalls heiß umkämpften Milchsektor kommen Ihnen nun zugute?
Dass sich selbst im intensiven Wettbewerb Chancen ergeben, wenn man seine Aufgaben richtig macht. Und man kann auch in einem Umfeld mit niedrigen Margen wie in der Milchwirtschaft durch Innovationen erfolgreich sein. Was ich mitbringe, ist das Verständnis für unsere Kunden und wie wir gemeinsam Produkte mit Mehrwert entwickeln können.

Ihr Vorgänger Johann Marihart hat nach gut 30 Jahren an der Spitze der Agrana große Fußstapfen hinterlassen. Sie haben jüngst in einem Interview erklärt: „Jetzt schlagen wir ein neues Kapitel auf“. Woran konkret wird man rasch erkennen, dass nun Sie das Unternehmen führen?
Gemeint war das mit dem neuen Kapitel vor dem Hintergrund, dass Agrana sich ganz toll von einem sehr österreichisch fokussierten Unternehmen zu einem inzwischen weltweiten Unternehmen mit 55 Standorten entwickelt hat, die Mehrzahl außerhalb von Österreich. Ich bin zu tiefst beeindruckt von der Fachkompetenz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Verbundenheit mit dem Unternehmen. Was aber die finanzielle Performance betrifft, müssen wir besser werden.

Vor einem Jahr bangten viele um den Fortbestand der Zuckerfabrik in Leopoldsdorf. Nicht nur Agrarpolitiker sind gegen die drohende Schließung Sturm gelaufen. Kann es sich Agrana in absehbarer Zeit überhaupt leisten, in Österreich nur noch eine Zuckerfabrik zu betreiben?
Das hängt ja damit zusammen, dass die Anbaufläche von Zuckerrüben massiv zurückgegangen ist. Zum wirtschaftlichen Betrieb von zwei Zuckerfabriken in Österreich braucht man eben ungefähr 38.000 Hektar. Die haben wir zum Glück zusammen bekommen. Wir hoffen schon, dass uns das wieder gelingt, vielleicht sogar ein bisschen mehr. Das ist das eigentlich Entscheidende für den Weiterbetrieb der zwei österreichischen Standorte.

Viele Bauern meinen, Sie müssten einfach nur mehr für Rüben zahlen, um die Anbauflächen abzusichern…
Das kann ich gut verstehen und habe allergrößte Hochachtung, was modernen Landwirten heute wirtschaftlich alles abverlangt wird. Klar wäre es gut, mehr für die Zuckerrüben zu bezahlen. Auf der anderen Seite kann man nicht mehr ausgeben, als man damit am Markt verdient. Am Ende machen wir derzeit Verluste im Zuckerrübengeschäft.

Wie steht es also generell um die Zukunft des Rübenbaus? Zucker steht ja wie kaum ein anderes Lebensmittel in der Kritik.
Das muss man ganz realistisch sehen. Zucker ist ein tolles Produkt, hat viele gute Eigenschaften, und Rüben sind ganz tolle Früchte. Allerdings wird es wohl weiter Kritik am Zucker geben.

Sie kommen aus der Lebensmittelpraxis. Jetzt kommt mit Stärke auch die Non-Food-Sparte dazu. Wo sehen Sie speziell für Mais- und Kartoffelstärke aus Österreich sowie deren Nebenprodukte noch Potenzial?
Ich habe erst vor Kurzem unser Werk in Gmünd besucht. Gerade im Bereich Spezialstärken hat sich für uns schon ein globaler Markt geöffnet, mit absoluten Wachstumschancen. Immer mehr unserer globalen Kunden schauen, wie sie fossile Bestandteile, etwa bei Klebstoffen oder Kosmetika, durch natürliche Produkte wie Stärke ersetzen können. Dazu braucht es ein hohes Spezialwissen hohe Qualität und Lieferzulässigkeit – und da sind unsere Teams besonders gut. Sie können mit Mitbewerbern in Asien oder sonst wo auf der Welt konkurrieren.

Zuletzt sorgte der Konflikt zwischen Bauern und Lebensmittelhandel für Aufsehen. Ist Agrana ebenfalls mit unfairen Handelspraktiken konfrontiert?
Auch wir verkaufen etwa unseren „Wiener Zucker“ direkt an den Lebensmittel-Einzelhandel. Wo immer eine Seite sehr konzentriert ist, gibt es natürlich Spannungen. Das ist nicht nur in Österreich so. Die Landwirtschaft wird einen Weg finden müssen, wie man vielleicht doch fairer miteinander umgeht, wenn man sich die Preise im LEH anschaut. Und wir alle müssen die Konsumenten darüber aufklären, dass wir heute in vielen Bereichen zu billige Preise haben.

Wie ist Ihr Verhältnis als Agrarmanager zu den Bauern als Lieferanten? Arla ist ja eine Genossenschaft, Agrana eine Aktiengesellschaft.
Ich schätze sehr, was unsere Landwirte tagtäglich leisten. Generell ist es für die Menschheit insgesamt extrem wichtig, dass es ein starke und moderne Landwirtschaft gibt, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, zunehmend unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit.

Ihr Vorgänger hat für die Agrana noch die völlige Dekarbonisierung, also klimaneutrale Produktion bis 2040, angekündigt. Die stufenweise Umsetzung betrifft schon bald auch Ihre Lieferanten. Worauf müssen sich speziell Landwirte künftig einstellen?
Das ist natürlich auch mein Ziel, und wir sind gerade dabei, einen Plan auszuarbeiten und Daten zu erheben, was das auf den Höfen bedeutet. Ich hoffe, dass wir bis Mitte nächsten Jahres eine Perspektive haben

Was unterscheidet Ihren Arbeitsalltag in Österreich, in Wien gegenüber früher in Düsseldorf oder Frankfurt?
Bei der Molkerei habe ich mehr Zeit auf den Höfen verbracht. Momentan fühl ich mich noch etwas gefangen im Büro. Jetzt geht es schließlich um ein komplexeres Geschäft und eine breitere Palette von Produkten.

Zwei Fragen zum Abschluss: Natur- oder Fruchtjoghurt ?
Ich mag beides, aber mit einem höheren Fettgehalt. Ich bin kein Fan von Leicht-Produkten.

Und wie viel Zucker geben Sie in Ihren Kaffee?
Wenn ich Espresso trinke sind’s zwei Löffel, aber Cappuccino trinke ich ohne Zucker.

Zur Person
Mag. Markus Mühleisen (55) ist seit Juni Vorstandschef der Agrana Beteiligungs-AG. Davor war der gebürtige Deutsche Deutschland-Chef des dänisch-schwedischen Milchkonzerns Arla Foods., nach seiner Manager-Zeit beim Lebensmittelkonzern General Mills (Häagen-Dazs, Yoplait Joghurt, Knack & Back) in Hamburg. Begonnen hat der studierte Wirtschaftswissenschaftler seine berufliche Karriere Ende der 1990er-Jahre bei Nestlé Cereals in Frankfurt am Main und in Asien.

Interview: Bernhard Weber

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