EU: Strengere Reglen für Bremsen sollen mehr Sicherheit bringen

Die neue EU-Bremsenrichtlinie sieht eine schrittweise Verschärfung der Bestimmungen für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge vor. Sie wird auch zum Verschwinden der Einleiterbremse vom Markt und zu vermehrtem Einsatz von ABS-Systemen in

Neben Traktoren hat die EU-Bremsenrichtlinie auch Auswirkungen auf verschiedene Transport- und Arbeitsanhänger. ©agrarfoto.com
Neben Traktoren hat die EU-Bremsenrichtlinie auch Auswirkungen auf verschiedene Transport- und Arbeitsanhänger. ©agrarfoto.com
Das Europäische Parlament und der Rat haben in der Verordnung (EU) Nr. 167/2013 die Typgenehmigung und Marktüberwachung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen neu geregelt. Diese Verordnung beinhaltet auch die Definition der Fahrzeugklassen sowie weiterer Begriffe und gilt direkt in allen Mitgliedstaaten. Auf ihrer Grundlage wurden von der Kommission weitere Verordnungen erstellt:

  • die Verordnung (EU) Nr. 1322/2014 über die Bauweise – RVCR (Regulation with regard to Vehicle Construction Requirements) zu: ROPS (Roll Over Protective Structure, Überrollschutz), Fahrersitz, Bedienungselementen, etc.
  • die Verordnung (EU) 2015/68 über die Bremsanlagen – RVBR (Regulation with regard to Vehicle Braking Requirements) zu: Bremsanlagen von Traktoren, Anhängefahrzeugen, etc.,
  • die Verordnung (EU) 2015/96 über die Umweltverträglichkeit – REPPR (Regulation as regards Environmental and Propulsion unit Performance Requirements) zu Abgasemissionen und äußerem Geräuschpegel,
  • die Verordnung (EU) 2015/208 über die funktionale Sicherheit – RVFSR (Regulation with regard to Vehicle Functional Safety Requirements) zu Lenkanlage, Hupe, Massen, Abmessungen, etc.,
  • die Durchführungsverordnung (EU) 2015/504 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 167/2013. Alle diese Verordnungen sind auf der Homepage der Kommission verfügbar und können in der Landessprache des entsprechenden Mitgliedslandes kostenlos heruntergeladen werden.
  • Der Link lautet: http://ec.europa.eu/growth/sectors/automotive/legislation/tractors/index_en.htm

Die Verordnung (EU) 2015/68 – RVBR, vereinfacht auch als EU-Bremsenrichtlinie bezeichnet, ist eine Verordnung der EU, die für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge gilt, und zwar für:

  • Zugmaschinen (auf Rädern oder Gleisketten),
  • Anhänger (Transportanhänger) und
  • gezogene, auswechselbare Geräte

Generelles Aus für die Einleiterbremse kommt

Die EU-Bremsenrichtlinie umfasst also neben den Traktoren und Anhängern auch Transportanhänger wie Ladewagen, Stalldungstreuer, Güllefässer, gezogene Handelsdüngerstreuer, gezogene Feldspritzen etc. und gezogene auswechselbare Geräte, also Arbeitsanhänger wie beispielsweise Ballenpressen oder über die Ackerschiene oder den Dreipunktanbau angebaute und mit vertikaler Drehachse mit dem Zugfahrzeug verbundene Geräte wie große Pflüge, Kreiselschwader mit mehreren Schwadkreiseln, gezogene Sämaschinen usw. Gemäß den jeweiligen Fahrzeugmassen und zulässigen Fahrgeschwindigkeiten sind diese Fahrzeuge mit einer entsprechenden Bremsanlage auszustatten. Dabei ist ein genauer Zeitplan für die Umsetzung der Bestimmungen vorgesehen:

  • Seit 1. Jänner 2016: Die Bestimmungen der Bremsenrichtlinie sind für Erteilung der EU-Typengenehmigung obligatorisch.
  • Ab 1. Jänner 2018: Die Bereitstellung auf dem Markt, die Zulassung und die Inbetriebnahme neuer Fahrzeuge, die die Verordnung (EU) 2015/68 nicht erfüllen, ist zu verbieten.
  • Ab 1. Jänner 2020: Die Erteilung der Typgenehmigung für Zugmaschinen mit Einleitungs-Hydraulikanschlüssen ist zu verweigern (keine neue Typgenehmigung mit Einleiterbremse mehr).
  • Ab 1. Jänner 2021: Die Bereitstellung auf dem Markt, die Zulassung und die Inbetriebnahme von Zugmaschinen mit Einleitungs-Hydraulikanschlüssen sind zu verbieten (Zulassung der Einleiterbremse nicht mehr möglich).

Das bedeutet u. a., dass neue Traktoren, die ab 1. Jänner 2018 in Verkauf gelangen, die neue EU-Bremsenrichtlinie zu erfüllen haben, denn ansonsten ist keine Zulassung mehr möglich und dass ab 1. Jänner 2021 keine neuen Traktoren mit Einleitungs-Hydraulikanschlüssen mehr verkauft werden dürfen. Wohl aber dürfen Neutraktoren, die z. B. mit einer Druckluftbremsanlage ausgestattet sind, auch zusätzlich mit Einleitungs-Hydraulikanschlüssen ausgestattet werden. Dies ermöglicht, dass auch weiterhin ältere mit Einleitungs-Hydraulikanschluss ausgerüstete Anhänger betrieben werden können. Die Einleiterbremse wird dadurch aber mittelfristig vom Markt genommen.

ABS auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten

Neue Zugmaschinen und Anhänger mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 60 km/h müssen schon jetzt mit Bremsanlagen mit Antiblockiervorrichtungen (ABS) ausgestattet sein. Der Einsatz von ABS-Bremssystemen für neue Traktoren mit einer Geschwindigkeit von mehr als 40 km/h und höchstens 60 km/h war von der Europäischen Kommission ab 1. Jänner 2021 vorgesehen. Eine in Auftrag gegeben Studie über die Verfügbarkeit von ABS-Bremssystemen in diesem Geschwindigkeitsbereich wird aber bis zum Stichtag 31. Dezember 2016 nicht abgeschlossen sein, wodurch sich die Umsetzung zunächst verschiebt. Es ist davon auszugehen, dass die Bremsenhersteller ABS-Bremssysteme für diesen Geschwindigkeitsbereich mittelfristig anbieten können, und in wenigen Jahren alle Traktoren mit einer Höchstgeschwindigkeit über 40 km/h, die in der EU verkauft werden, mit ABS ausgestattet sein müssen.Dass Antiblockiervorrichtungen Sinn machen, das wissen wir von Autos, wo diese schon seit vielen Jahren Stand der Technik sind. Die Verkaufsstückzahlen von schnelllaufenden land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen sind aber gering und die Beanspruchung durch Vibrationen und auch Verschmutzungen der Sensorsysteme sind für ABS in der Landwirtschaft jedoch ungleich höher als im Pkw- oder auch im Lkw-Bereich. Aufgrund dieser Faktoren werden wohl die Anschaffungskosten von 50 km/h-Traktoren höher werden. Davon abgesehen, führen hohe Fahrgeschwindigkeiten, insbesondere bei Fahrten in Ortsgebieten, zu Diskussionen bei der ortsansässigen Bevölkerung.

Viele weitere Bestimmungen

Die Verordnung (EU) 2015/68 regelt in ihren Anhängen (XIII) zudem alle möglichen Punkte im Zusammenhang mit den Bremsvorrichtungen der land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge. Dort finden sich Bestimmungen zu Anhängerbremskupplungen ebenso wie die Anforderungen für Fahrzeuge mit hydrostatischem Antrieb sowie zu deren Bremsvorrichtungen und Bremsanlagen sowie Vorschriften im Hinblick auf Sicherheitsaspekte komplexer elektronischer Fahrzeugsysteme. Es geht um Feststellbremsanlagen unterschiedlicher Fahrzeuge, pneumatische oder hydraulische Zweileiterbremsen, vorgeschriebene Drücke in den Zusatzleitungen und Steuerleitungen, die Verwendung von ALB-Reglern (automatisch-lastabhängige Bremskraftregler), Koppelkraftregelungen und die erforderlichen Warnmeldungen bei Funktionsstörungen. Interessierte können die Verordnung unter dem zu Beginn vorgestelltem Link herunterladen und im Detail studieren.

Unterfahrschutz: Müssten Ladewagen auch einen haben?

Die Verordnung (EU) 2015/208 über die funktionale Sicherheit (RVFSR) regelt im Anhang XXVI die Anforderungen für den hinteren Unterfahrschutz. Langholzwagen und ähnliche Anhänger zum Transport von Baumstämmen oder anderen sehr langen Gegenständen oder Fahrzeuge, bei denen das Vorhandensein eines hinteren Unterfahrschutzes mit dem Verwendungszweck unvereinbar ist, brauchen keinen hinteren Unterfahrschutz. Inwieweit ein hinterer Unterfahrschutz beispielsweise mit dem Verwendungszweck eines Ladewagens unvereinbar ist, ist strittig. Ein Unterfahrschutz, der klappbar ist, beispielsweise für die Straßenfahrt als Unterfahrschutz in verriegelter Position und für die Entladung am Fahrsilo von Hand oder hydraulisch hochgeklappt, könnte eine Option sein. Klar ist, dass dies aber auch wieder mit Mehrkosten für den Lohnunternehmer oder Landwirt verbunden wäre.

Schmalspurtraktoren: Großzügige Typisierungen gefährden Abgas-Erleichterungen

Angemerkt kann auch werden, dass die Verordnung (EU) 2015/96 über die Umweltverträglichkeit – REPPR – im Anhang II die Anforderung für die EU-Typengenehmigung eines land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugtyps in Bezug auf die Schadstoffemissionen des Motors und/oder die Motorenfamilie regelt. Die Klasse T1 umfasst dabei Traktoren mit einer Spurweite von mindestens 1150 Millimetern (mm) und die Klasse T2 Traktoren mit einer Spurweite von weniger als 1150 mm, also Schmalspurtraktoren. Da für Schmalspurtraktoren, die üblicherweise gegenüber Standardtraktoren auch kleiner sind und eine geringere Motorleistung aufweisen, derzeit noch Erleichterungen bei den einzuhaltenden Abgasemissionen gegenüber den Standardtraktoren gelten, wurden zahlreiche Standardtraktoren durch geeignete Reifenwahl-Spurweite als Schmalspurtraktoren neu typisiert. Das ist wiederum auf das Missfallen der Europäischen Kommission gestoßen und hat auch zu Überlegungen eines frühzeitigen Auslaufens der erleichterten Abgasbestimmungen geführt.

Dipl.-Ing. Ewald Luger, HBLFA Francisco Josephinum /BLT Wieselburg

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