
Bei der EU-Verordnung über die Registrierung von Saatgut und anderem pflanzlichen Vermehrungsmaterial (kurz PVM-Verordnung) ist nicht nur der Name komplex. Auch inhaltlich hat es der Gesetzestext, der seit nunmehr zwei Jahren in Brüssel diskutiert wird, in sich.
Eigentlich sollte der 2023 von der EU-Kommission präsentierte Verordnungsentwurf das Saatgutrecht straffen. Statt bisher zwölf geltenden Richtlinien wäre künftig nur eine einzige die rechtliche Basis für die Produktion und Vermarktung von Saatgut, Stecklingen und Jungpflanzen. Kommissionsangaben zufolge brächte das „geringeren Verwaltungsaufwand und mehr Effizienz“.
Kleinbetriebe vor dem Aus
Gänzlich anderer Meinung ist der Verein „Arche Noah“, der sich dem Erhalt alter Nutzpflanzensorten verschrieben hat. Laut einer von ihnen durchgeführten Befragung unter 188 Saatguterzeugern und Baumschulen aus 16 EU-Ländern drohe mit der Novellierung durch zusätzliche Auflagen „das Aus für viele kleine und mittlere Betriebe“. Konkret gaben 13 Prozent der Befragten – überwiegend Betriebe mit weniger als 100.000 Euro Jahresumsatz – an, unter solchen Bedingungen ihre Tätigkeit einzustellen. Zwei Drittel beteuerten, nicht mehr an Bauern verkaufen zu können.
Pro und Contra für Ausnahmen
All das sei den neuen Dokumentations- und Meldepflichten geschuldet. Besonders sauer stößt der NGO die künftig verpflichtende Keimfähigkeitsprüfung in externen Laboren auf. Diese würde die Unternehmen etwa 30.000 Euro pro Jahr kosten. „Bei einem Jahresumsatz von unter 100.000 Euro geht sich das nicht aus“, erklärt Arche- Noah-Referentin Katherine Dolan. Der Verein fordert daher umfangreiche Ausnahmen für Kleinstbetriebe. Es dürften nicht dieselben Auflagen wie für große Saatgutkonzerne gelten, so der Tenor.
Genau solche Ausnahmen sieht man beim Dachverband der Saatguterzeuger „Saatgut Austria“ kritisch. „Insbesondere die Möglichkeit des Austauschs von Saatgut zwischen Landwirten ist abzulehnen, auch wenn es sich dabei nicht um geschützte Sorten handelt“, teilt man auf Nachfrage mit. Zu groß sei das Risiko illegaler Parallelmärkte. Insgesamt sieht man im Verband viele Aspekte, etwa die „bewährte Zulassung und Zertifizierung“, positiv.
Durchführungsrechtsakte abwarten
Zumindest in einem Punkt geht Saatgut Austria aber mit Arche Noah d‘accord: „Der vorliegende Entwurf ist zu komplex“. Es werde zahlreiche Durchführungsrechtsakte brauchen, um die komplette Breite der Branche abzudecken. „Viele sind noch nicht bekannt und damit ist eine Bewertung unmöglich“, teilt man außerdem noch mit. Ende Juni werden die EU-Landwirtschaftsminister in Luxemburg wieder über die PVM-Verordnung verhandeln. Die finale Position des Rats wird für Jahresende erwartet. Dann starten die Trilog-Verhandlungen.
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission im Wortlaut ist hier nachzulesen.
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