Mit ihrer Dreier-Koalition startete die neue Regierung mit ÖVP-Bundeskanzler Christian Stocker, SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler und NEOS-Außenministerin Beate Meinl-Reisinger in das Jubiläumsjahr 2025: 80 Jahre Zweite Republik, 70 Jahre Staatsvertrag und Bundesheer sowie 30 Jahre EU-Beitritt. Die Volkspartei und die Sozialdemokraten prägten die politische, soziale und wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik, die bei den Bürgerinnen und Bürgern unumstritten ist – anders als die Erste Republik (1918-1929) mit ihren instabilen Parteienverhältnissen. Die Bundesverfassung aus dem Jahre 1920 wurde 1945 wieder in Kraft gesetzt, statt der Reichsmark wurde der Schilling eingeführt, dem Bundeswappen mit der gesprengten Eisenkette ein weiteres Symbol hinzugefügt, zwei Jahre später auch Text und Melodie der Bundeshymne vom Nationalrat beschlossen.
Bundespräsident nach 1945 bis 1950 war der Sozialdemokrat Karl Renner. Der zweifache Staatsgründer (1918 und 1945) verhinderte als geschickter Verhandler eine Teilung der Republik. Im Jahr 1952 spendeten die Bundesländer für den instandgesetzten Stephansdom die Pummerin, die Glocke der Nation.
Österreich war 1945 ein befreites, aber noch besetztes Land. Christlichsoziale und Sozialdemokraten, in der Ersten Republik vielfach verfeindet und 1934 in einen Bürgerkrieg verwickelt, verständigten sich darauf, aus ihren verhängnisvollen politischen Fehlern zu lernen. Bei den ersten freien Wahlen am 25. November 1945 erreichte die ÖVP als Nachfolgepartei der Christlichsozialen mit 85 Mandaten von damals 165 die absolute Mehrheit im Nationalrat, 76 entfielen auf die SPÖ, vier auf die KPÖ. Leopold Figl, politische Ikone in der Geschichte des Bauernbundes, wurde erster Bundeskanzler, SPÖ-Chef Adolf Schärf Vizekanzler. Die Kommunisten wurden auch in die Regierung geholt, um die russische Besatzungsmacht zu beruhigen. Figls Appell an die kriegsgeplagte Bevölkerung ist längst legendär: „Glaubt an dieses Österreich!“
In der Blütezeit der „Großen Koalition“ zwischen ÖVP und SPÖ von 1945 bis 1966, von fast 90 Prozent Wählerzustimmung gestützt, ging es primär darum, die Versorgung mit Ernährungsgütern zu sichern, die wirtschaftliche Produktion anzukurbeln und eine moderne Infrastruktur aufzubauen.
Wesentliche Unterstützung dazu kam in den ersten Nachkriegsjahrzehnten aus den USA und von den Vereinten Nationen (UNO) mit Hilfspaketen und dem vom damaligen US-Außenminister George Marshall realisierten Wiederaufbauplan für Europa. Den Bauern wurden Saatgut, Landtechnik und Dünger zur Verfügung gestellt.
Mitte der 1950er-Jahre hat sich die Ernährungslage in Österreich normalisiert. Die funktionierende Sozialpartnerschaft zwischen Landwirtschaft und Gewerkschaft sowie die Einrichtung der Paritätischen Kommission im Jahr 1955 haben rasch mit geregelten Preisen für Bauern und Konsumenten gute Lebensverhältnisse ermöglicht.
Vom Staatsvertrag zum EU-Beitritt
Am 15. Mai 1955 folgte nach achtjährigen Verhandlungen der Staatsvertrag und damit die Wiederherstellung von Österreichs Souveränität, unterzeichnet im Schloss Belvedere, für die Zweite Republik von Außenminister Leopold Figl. Im selben Jahr wurde Österreich in die UNO aufgenommen. Mit Ludwig van Beethovens Freiheitsoper „Fidelio“ wurde die Wiener Staatsoper wiedereröffnet.
Zu den großen Leistungen von ÖVP und SPÖ in den folgenden vier Jahrzehnten zählen der geglückte wirtschaftliche Aufschwung, die Festigung des Bekenntnisses zur Demokratie, die praktizierte Sozialpartnerschaft der verschiedenen Wirtschafts- und Interessengruppen, der Zusammenhalt der Bundesländer und schließlich als großes und bisher letztes Leuchtturmprojekt der EU-Beitritt Österreichs 1995. Auch der Agrar- und Ernährungssektor hat davon bis heute profitiert. Der Zugang zum EU-Binnenmarkt mit freiem Waren-, Geld- und Dienstleistungsverkehr sowie zum Arbeitsmarkt hat vor allem in den ersten 15 Jahren einen enormen Wachstumsschub ausgelöst. Ab 2010 hat sich dieser etwas abgeschwächt, wozu auch geopolitische Krisen und Kriege beigetragen haben. Dagegen ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) mit dem Umweltprogramm und der Ausgleichszulage für benachteiligte Regionen bis heute das Herzstück der heimischen Landwirtschaftspolitik und mit positiven Auswirkungen auf den Umwelt- und Bodenschutz, die Biodiversität oder den Biolandbau.
Im Übrigen: Zur agrarhistorischen Wahrheit 30 Jahre nach dem EU-Beitritt gehört auch, dass sich der damalige Landwirtschaftsminister Franz Fischler (1989-1994) in den schwierigen Beitrittsverhandlungen erfolgreich für degressive Ausgleichszahlungen, von der EU finanziert, eingesetzt hat. Für Österreichs Agrar- und Lebensmittelwirtschaft gab es keine Ausnahmen von den Regeln des Binnenmarktes. Die hierauf resultierenden Einkommensverluste für die Land- und Forstwirte wurden im Zeitraum 1995 bis 1998 durch öffentliche Gelder abgefedert. Später gelang Fischler als Agrarkommissar (1995-2004) mit der Agenda 2000/2003 eine bis heute wirksame, grundlegende Reform der GAP und die verstärkte Integration in eine ländliche Entwicklungsstrategie.
Quelle: Verlag edition aAlles für Österreich
Die neueste Publikation des Campus Tivoli zum 80. Gründungsjubiläum der Volkspartei. Das Buch macht Höhepunkte der Parteigeschichte lebendig und zeigt, wie die Gründerväter der Volkspartei mit Mut, Weitsicht und Verantwortung die Geschichte der Zweiten Republik geprägt und mitgestaltet haben. Es erzählt von großen Erfolgen und herausfordernden Momenten, von mutigen Entscheidungen und visionären Ideen für Österreich.
„Alles für Österreich”, Autorenteam, Verlag edition a, 320 Seiten, 22 Euro, ISBN: 978-3-99001-824-8
80 Jahre ÖVP
Das Republikjubiläum 2025 fällt auch mit der Gründung der Österreichischen Volkspartei am 17. April 1945 im Wiener Schottenstift zusammen. Die ÖVP ist Nachfolgerin der Christlichsozialen, gegründet 1887 vom damaligen Wiener Bürgermeister Karl Lueger. Es galt, aus der unrühmlichen Geschichte der Christlichsozialen mit dem autoritären Katholischen Ständestaat (1934-1938) zu lernen.
Leopold Kunschak, Leopold Figl, Julius Raab und Alois Weinberger sind die Gründungsväter der ÖVP, die sich bis heute als Partei der Mitte versteht. Der Bogen der seither über viele Jahrzehnte regierungserfahrenen Partei reicht von christlich-sozialen Vorstellungen über eine liberale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik bis zu konservativer Heimatverbundenheit. So haben in der ÖVP auch Vertreter aus dem Bauernbund Karriere gemacht und die Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft in Bund und Ländern entscheidend mitgestaltet. Um nur einige herausragende Persönlichkeiten zu nennen: Leopold Figl als erster Bundeskanzler der Zweiten Republik und Staatsvertrags-Außenminister oder als Parteiobmänner und Landwirtschaftsminister Karl Schleinzer sowie auch als Vizekanzler Josef Riegler, Wilhelm Molterer oder Josef Pröll. Riegler war mit seinem zukunftsweisenden Konzept einer ökosozialen Marktwirtschaft sogar ein Visionär der Partei.
- Bildquellen -
- Buch: Verlag edition a
- Nationalrat: Bildarchiv Austria