„Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft“

Zu den wohl wichtigsten Meilensteinen in der hundertjährigen Geschichte des Bundeslandes ­Niederösterreich zählt die Erhebung von St. Pölten zur Landeshauptstadt im Jahr 1986. Genau elf Jahre ­danach trat dann der Landtag erstmals im neuen Landtagssitzungssaal zusammen.

Festsitzung des NÖ Landtages am 21. Mai 2022, genau 25 Jahre nach seiner Übersiedelung.

Vergangenheit und Zukunft seien in Niederösterreich keine Gegensätze, sondern gehören eng zusammen, betonte LH Johanna Mikl-Leitner vergangene Woche anlässlich der Festsitzung des NÖ Landtages genau 25 Jahre nach seiner Übersiedelung von Wien nach St. Pölten. „Unser Bundesland ist beides: geschichtsbewusst und zukunftsorientiert, heimatbewusst und weltoffen“, so die Landeshauptfrau. Am 21. Mai 1997 hatte der NÖ Landtag erstmals im neuen Landtagssitzungssaal in St. Pölten getagt und damit seine Geschäfte in der Landeshauptstadt St. Pölten aufgenommen.

Endgültige Trennung von Wien wurde Ende 1921 vollzogen

Noch bevor die Trennung Niederösterreichs von Wien formell vollzogen war, wurde das erste Mal über eine eigene Landeshauptstadt diskutiert. Bis es aber so weit war, sollten noch 66 Jahre vergehen – und noch einmal elf Jahre, bis der NÖ Landtag in sein neues Heim übersiedeln konnte.
Die endgültige Trennung der beiden Bundesländer wurde mit der Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920 festgeschrieben und am 31. Dezember 1921 vollzogen. Wien wurde ein eigenes Bundesland und Niederösterreich damit einziges Land ohne eine Hauptstadt auf eigenem Territorium. Bereits in der letzten gemeinsamen Landtagssitzung im April 2020 machte Otto Lutz in seiner Wortmeldung die Hauptstadt-Frage zum Thema: „Sie sind nicht einmal imstande sich irgendwo im Lande eine Landesvertretung einzurichten, sondern müssen notgedrungen in Wien tagen. Weil dieses Wien der natürliche und selbstverständliche Mittelpunkt dieses Landes ist.“
Die folgenden Jahre waren von der schwierigen finanziellen Lage des neuen Bundeslandes überlagert. Dadurch gab es weit bedeutendere Probleme, als den Wunsch nach einer eigenen Landeshauptstadt, zu lösen. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde Krems zur Hauptstadt des Gaus Niederdonau. 14 Gemeinden wurden nach Groß-Krems eingemeindet, die Stadt zur Statutarstadt erhoben. Weitere Ausbaupläne fielen allerdings den Kriegshandlungen zum Opfer.
Doch schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der Stabilisierung der Sicherheits- und Ernährungsverhältnisse, flammte die Diskussion erneut auf. Erst zahlreiche Landeshauptmänner und Budgetverhandlungen später gelang Siegfried Ludwig der Durchbruch. Bei der von ihm angesetzten Volksbefragung sprachen sich 45 Prozent der Landsleute damals für St. Pölten aus. Krems, Baden, Tulln und Wiener Neustadt hatten klar das Nachsehen.

Volksabstimmung wurde zum Beginn einer neuen Ära

Auch wenn für Siegfried Ludwig der 2. März, der Tag der Verkündung des Ergebnisses der Volksabstimmung, ein Tag des Triumphes war, war dem Landeshauptmann klar, dass dies erst der Beginn einer neuen Ära war. Die notwendigen städtebaulichen Maßnahmen wurden von einer breit angelegten Werbekampagne begleitet, die zum Ziel hatte, die neue Landeshauptstadt zum Thema in den Gesprächen und Herzen seiner Landleute zu machen.
Mit ebenso viel Herzblut wie sein Vorgänger nahm sich auch Erwin Pröll, der Ludwig im Jahr 1992 als Landeshauptmann nachfolgte, der neuen Landeshauptstadt an. Der Bau des neuen Landhausviertels von 1992 bis 1997 galt als größte Hochbaustelle Europas, wie der aus München geholte Hauptstadtplaner Norbert Steiner in einem Interview betonte. Demnach sei es darum gegangen, „was wir überhaupt alles bauen sollen. Klar war, dass etwa 3.000 Beamte nach St. Pölten übersiedeln sollen.“ Der Bau konnte letztlich zeitgerecht fertiggestellt werden und ist sogar unter dem geplanten Budget geblieben. „Das ist bei so einem großen Projekt eher die Ausnahme“, so Steiner.
„Es sollte nicht eine reine Beamten-Burg werden, sondern ein Stadtquartier mit vielen unterschiedlichen Nutzungen – mit Geschäften, mit Gastronomie, mit Kultureinrichtungen, mit Institutionen, die von Wien nach St. Pölten übersiedeln“, zieht der Hauptstadtplaner zufrieden Bilanz.

Niederösterreichs Landtag, ein ­„Leuchtturm der Demokratie“

„In den letzten 100 Jahren hat unser Land unglaublich an Stärke, Selbstbewusstsein und Identität gewonnen, weil es Niederösterreich immer geschafft hat, historische Ereignisse für eine dynamische Entwicklung zu nutzen“, stellte LH Johanna Mikl-Leitner in ihrer Festrede zum 25-Jahr-Jubiläum fest. Heute sei Niederösterreich nicht nur Agrarland, „sondern auch Wirtschaftsland, Tourismusland, Kulturland und Wissenschaftsland. Der Landtag hat an dieser Entwicklung einen wesentlichen Anteil als „Leuchtturm der Demokratie“, betonte Mikl-Leitner.

- Bildquellen -

  • NOeLandtag: NLK/Filzwieser
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AUTOREva Riegler/red. AR
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