Genau 12.829 Spender waren einem Aufruf von „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk gefolgt und überwiesen binnen 48 Stunden mehr als 400.000 Euro, um den hoch verschuldeten Bergbauern Christian Bachler davor zu bewahren, dass sein Hof versteigert wird. Klingt wie ein modernes Märchen in den Hochzeiten der sozialen Medien (und kaum möglich ohne sie); damals groß und vielfach publiziert und seither über Talkshows im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet. Klar, dass dazu auch ein Buch veröffentlicht wurde – und demnächst auch ein 90-minütiger Dokumentarfilm fürs Kino folgen wird. Eben dieses Buch „Bauer und Bobo – Wie aus Wut Freundschaft wurde“ liest sich flott und ist mehr Nachlese, wenn man die anfangs schwierige Beziehungskiste der beiden bereits in der Wiener Wochenzeitung verfolgt hat.
Zur Erinnerung: Der Jurist Klenk hatte die Verurteilung eines Tiroler Bauern vor Gericht für gut geheißen, weil der seine Kühe nicht ordentlich beaufsichtigt hatte. Eine Touristin war ums Leben gekommen.
Via Facebook-Video hatte der Bergbauer Bachler den in Sachen Landwirtschaft und Nutztierhaltung weitgehend ahnungslosen Stadtmenschen Klenk verhöhnt, weil ihm dessen Verteidigung des „Kuhurteils“ missfiel. Bei einem Aufenthalt Klenks auf Bachlers höchstgelegenem Hof der Steiermark lernte man einander besser kennen und schätzen. Monate später erfuhr der Journalist auf Umwegen von der finanziell prekären Lage seines neuen Freundes. Dessen Bergerhof solle versteigert werden. Klenk organisierte eine Online-Spendenaktion, der Hof wurde in atemberaubendem Tempo gerettet. Auch Volks-Rock‘n Roller Andreas Gabalier war kurzfristig eingebunden worden, um dessen Fangemeinde zu nutzen.

„Bauer und Bobo“
FOTO: Zsolnay

Schaler Beigeschmack
So erfreulich der Ausgang dieser schönen Adventgeschichte auch ist, so schal ist deren Beigeschmack. Weil der Buchautor holzschnittartig und somit generalisierend Stereotypen bemüht, wenn er von einer verfehlten Agrarpolitik oder der bösen Raiffeisen-Bank schreibt. Und letztlich in Bausch und Bogen auch den Bauernbund und die Landwirtschaftskammer quasi als Hauptverantwortliche für die Not des (und letztlich gleich aller) Bauern ausgemacht hat.
Vermutlich haben im konkreten Fall aber eine große Portion jugendlicher Übermut und finanzielle Selbstüberschätzung den später Verzweifelten in die Schuldenfalle getrieben. Das sehen nicht nur jene so, die angesichts eines Stallneubaus für Dutzende Kühe auf einem Bergbauernhof in 1450 Metern die Stirn runzeln.
Auf die Kammer wurde spät, aber doch gehört. Über die „Ministerialbürokratie“ aus dem Büro von Landwirtschaftsministerin Köstinger wurden – nach Intervention des Bobo aus Wien (der aber eigentlich auch selber am Land wohnt) – die Berater der Landwirtschaftskammer organisiert.
„Schon wenige Wochen später hatte Bachler erstmals in seinem Leben ein richtiges Sanierungskonzept auf dem Tisch“, schreibt Klenk. Der kann zwar trefflicher formulieren, wenn auch nicht immer passend und ist persönlich vermutlich eher dünnhäutig. So fühlte er sich vom „passiv-aggressiven“ Bauernbundpräsidenten in einer TV-
Talkrunde als „Feindbild für den Abend auserkoren“.
Dabei macht er selbst gerne Buhmänner aus. Etwa den Präsidenten der LK Tirol, den er als „Kümmerer“ bezeichnet. Eine vom Lektorat übersehene Autokorrektur des Laptop-Schreibprogrammes? Oder doch bewusste Brüskierung? Was wohl Klenks Schwiegervater über eine solche Wortwahl denkt? Der war schließlich in besagter Organisation bis zu seiner Pensionierung ein weithin anerkannter Pressereferent.

Versöhnlicher Epilog
Lesenswert sind derweil die Kapitel über Klenks Gespräche mit dem eigenen Vater, einem weichenden Bauernsohn aus dem Umland von St. Pölten. Thema: Dessen Erinnerung an das frühere, längst vergangene Dorfleben vor mehr als 60 Jahren. Auch der Epilog ist weitgehend versöhnlich geschrieben: „Der Einblick in Bachlers Welt, mein ‚Praktikum’ verändert langsam meinen Blick (…) Die Gespräche mit Bachler machten mir klar, wie wenig sich Städter, vor allem linksliberal gesinnte Bobos, für die sozialen Fragen auf dem Land interessieren. (…) Dieses Entdecken einer versunkenen bäuerlichen Gesellschaft bewegte sicherlich auch viele, die an Bachlers Rettung mitgewirkt haben.“
Dass der Bobo seinen Spezl vom Berg in der Ö1-Sendung „Gedanken“ mittlerweile für dessen agrarische Sichtweisen und Erläuterungen mit der heuer verstorbenen Journalisten-Ikone Hugo Portisch verglich (und damit etwas entrückt über Gipfelkreuz-Niveau erhöht), lässt indes nicht nur die von Klenk wenig geschätzten Bauernbündler einmal mehr die Stirn runzeln…

„Bauer und Bobo“, von Florian Klenk, Verlag Zsolnay, 160 Seiten, 20,60 Euro, ISBN 9783552072596

Bernhard Weber

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  • BOBO: Zsolnay
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