Als ich 1995 den ersten Melkrobo­ter im Einsatz gesehen habe, da waren wir noch froh, dass die Kuh das heil überstanden hat. Mittlerweile ist das aber eine absolute Standardtechnik, die in den Milchviehbetrieben viel Gutes bewirkt hat“, meinte Uwe Mohr zu Beginn seines Fachvortrages. Für ihn ist die Technifizierung, nach der Domestizierung, einer der größten Meilensteine in der Nutztierhaltung, erlaubt sie doch größere Herden. Nun im Zeitalter der Digitalisierung ist auch eine Vernetzung vieler Bereiche im Stall möglich. Ein entscheidender Wende- und Pluspunkt, wenn es nach Mohr geht: „Sensoren, ich nenne sie ‚digitale Heinzelmännchen‘, sind schon seit vielen Jahren in unseren Ställen, bisher haben sie aber nie miteinander kommuniziert. Das wird durch die Digitalisierung nun möglich.“ Ebenso die Verarbeitung der gewonnenen Daten durch künstliche Intelligenz. „Was wir noch brauchen, das sind klare Handlungsempfehlungen“, so Mohr. Gelingt dieser nächste Schritt, wird es möglich sein, Entwicklungen klarer festzustellen und Probleme im Stall schneller und besser ausfindig zu machen.

Sensorsysteme im Überblick

Mehr als hundert verschiedene Sensortechnologien für den Milchviehbereich wurden bei der EuroTier gezählt. Eingesetzt werden die meisten im Bereich der Brunst, des Kalbens, Wiederkauens, Fütterung und natürlich der Milchanalyse. „Was das Ganze neben der Angebotsvielfalt unübersichtlich macht“, meint der Triesdorfer Experte „ist, dass es sehr viele technische Unterschiede, etwa bei der Datenübertragung, gibt.“ Speziell in der Praxis sei auch die Schnittstelle zur betrieblichen Herdenmanagement-Software ein großes Thema. Ein gutes Produkt sei daher durch gute Schnittstellen und dem daraus resultierenden fehlerfreien Datentransfer gekennzeichnet. Ebenso wichtig ist die Übermittlung der Daten an den Betriebsführer. Ein ständiges Bombardieren mit Alarmmeldungen sei ein Nachteil, warnt Mohr: „Dann ist die Klinge nicht mehr scharf, sprich, ich missachte wichtige Dinge, die in der Flut von Meldungen untergehen.“

Welche Sensorart am besten ist, lasse sich pauschal nicht sagen, sondern hänge von betrieblichen Faktoren ab. Grundsätzlich gibt es zwei Sensorsyste­me – jene mit aktiven und jene mit pas­siven Transpondern. Der Unterschied liegt darin, dass der aktive Transponder eine eigene – aber endliche – Energieversorgung hat, dadurch aber mit einer großen Reichweite und Datenübertragung in Echtzeit glänzt. Dagegen muss der passive Transponder zur Übertragung in die Nähe einer Antenne kommen. „Das heißt mehr Antennen pro Stall. Dafür hält der Sensor auch ewig“, so Mohr.

Auch nach der Anbringung am Tier kann differenziert werden. Hier eine Übersicht mit Vor- und Nachteilen aus Expertensicht:

Ohrmarken: relativ leicht zu befestigen; je nach Fressgitter kann der Verlust jedoch hoch sein.

Halsband: funktioniert gut, man muss nur schauen, dass sich das Band nicht verdreht; es kann mitunter abreißen und verloren gehen.

Fuß: etwas unbequem zu befestigen; der größte Nachteil ist, dass man bis auf die Bewegungsaktivität relativ wenig messen kann.

Netzmagen: die eingegebenen Boli sind dort ein Kuhleben lang sicher verstaut; sie liefern viele Daten, insbesondere im Zusammenhang mit der Fütterung (Wiederkauen, pH-Wert etc.)

Melkroboter: haben der digitalen Sensortechnologie einen Schub gegeben; neben Informationen zu Milchinhaltsstoffen, Zellzahl oder Wiederkautätigkeit liefern sie inzwischen auch Hormonprofile und vieles mehr.

Landwirtschaft 4.0

In Zukunft sollen die verschiedenen Parameter stärker zusammengefasst, ver- und bewertet werden. Wenn etwa ein Sensor verringerte Wiederkautätigkeit aufzeichnet und der Melkroboter weniger Milchleistung registriert, so soll das Betriebssystem vor einem Krankheitsfall warnen.

Großes Potenzial birgt auch die Vernetzung und der Datenaustausch mit Milchleistungsprüfung oder Tierärzten. Vorab gilt es aber das Thema Datensicherheit zu klären. Für Mohr steht fest: „Datenhoheit haben die Landwirte. Sie müssen ihr Okay geben, wenn andere die Daten nützen wollen.“

In der Zwischenzeit arbeitet die Wissenschaft bereits an neuen zukunftsträchtigen Technologien:

Rinder-Navi: gewährleisten die Ortung der Kühe; zeichnen auch das Ver­halten der Tiere (Fressen etc.) auf

Kamerasysteme: werden im Treibgang angebracht, um die Körperkonditionen, aber auch das Gangbild, der Tiere festzustellen. So sollen Lahmheiten schneller erkannt werden. Zukünftig ebenfalls relevant werden könnten Wärmebildkameras zum Feststellen von Mastitiden oder Klauenentzündungen.

Abkalbemelder: gibt es bereits in Form von Spangen oder zum Anbringen am Schwanz. Sie geben bei Einsetzen der Austreibungsphase eine Alarmmeldung ab.

Fazit – Hilfe, aber kein Freibrief

Das Rind ist ein Fluchttier und hat in der Evolution gelernt, dass man sich in der Umwelt nicht als krank und schwach zeigt. Sensoren können helfen, Tiere mit Problemen ausfindig zu machen, die sonst überhaupt nicht oder wesent­lich später gefunden worden wären. Beim Kauf sind für Sensor-experte Mohr folgende Punkte am wichtigsten: eine verständliche Handhabung, klare Handlungsempfehlungen, praxistaugliche Technik sowie Schnittstellen zu Herdenmanagementsystemen (keine Insellösung).

In Summe ist sich Mohr aber sicher, dass Sensoren und die Digitalisierung das Tierwohl, die Milchleistung und auch die Arbeit der Betriebsführer verbessern. Nichtsdestotrotz mahnt er: „Diese ganzen Techniken machen keine Kuh trächtig, satt oder melken sie. Wir dürfen unser Denken nicht abstellen und uns blind auf die Technik verlassen. Sie ist eine Hilfe, aber kein Freibrief, um die Versorgung der Tiere zu schleifen zu lassen.“

- Bildquellen -

  • Mikrochip Tierhaltung 1 ID88949 (2): agrarfoto.com
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AUTORElisabeth Hasl
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