Im September 2024 trafen weite Teile Niederösterreichs ein Jahrhunderthochwasser. Die Familie von Eva Hagl-Lechner verlor innerhalb weniger Stunden fast ihr gesamtes Hab und Gut. Bis heute machen sich die Spuren bemerkbar.
An diesen Sonntagmorgen Mitte September wird sich die Tullnerfelder Bezirksbäuerin Eva Hagl-Lechner wohl noch lange erinnern. Die gesamte Nacht von Samstag auf Sonntag, den 15. September, nahm der Starkregen kein Ende. Zwischen 300 und 400 Millimeter Niederschlag fielen in diesen Stunden in Niederösterreich.
Binnen kurzer Zeit verwandelten sich in Judenau die „Kleine“ und die „Große Tulln“ zu reißenden Flüssen und durchdrängten im Laufe des Vormittags die als Barriere aufgeschichteten Sandsäcke. Die Bewohner von Judenau mussten wie viele andere ihre Häuser zur Sicherheit verlassen. Keiner hat wohl zu diesem Zeitpunkt geahnt, wie schlimm es wirklich wird. „Ich ging aus dem Haus, um in der Feuerwehrhalle zu helfen. Nach Hause kam ich gar nicht mehr zurück – das Wasser in der Gasse stand da bereits einen halben Meter hoch.“

Alles unter 1,40 Meter war kaputt
Erst am nächsten Tag wagten sich die meisten Judenauer zurück in ihre Wohnhäuser. Das Wasser war zwar wieder weg, aber überall lagen Schlamm und Unrat. „Nichts stand mehr wie vorher. Einige Möbel haben wir bis heute nicht wiedergefunden. Die gesamte Existenz ist davongeschwommen“, erzählt die ausgebildete Diätologin. Der Wasserstand hatte eine Höhe von 1,40 Meter erreicht. Elektrische Geräte und andere Habseligkeiten unter dieser Höhe waren kaputt. „Der Schaden betraf nicht nur unser Wohnhaus, sondern auch den Betrieb, das Bauernhaus und den Hofladen.“
“Ich habe einfach
nur funktioniert,
denn ich war auf allen
Längen überfordert.” –
eva hagl-lechner
Immer noch wird am Hagl-Hof repariert. Der erst vor sechs Jahren eröffnete Hofladen samt eigener Backstube wird nun komplett neu saniert und soll voraussichtlich Ende dieses Sommers wiedereröffnen. „Durch den Hofladen konnten wir vom Neben- auf Haupterwerb umsteigen.

Nach dem Hochwasser waren wir uns nicht sicher, ob wir es schaffen, diesen wieder herzurichten.“ Die Folgen des Hochwassers machten sich auch in der Landwirtschaft deutlich bemerkbar, wie etwa bei den Maschinen. Bei der heurigen Aussaat habe etwa die Sämaschine nicht mehr funktioniert. Ebenso musste der Stall trockengelegt werden, was einige Wochen beansprucht habe. Die Maststiere und -kalbinnen standen im September für mehrere Stunden bis zur Brust im Wasser. „Zum Glück sind sie ruhig geblieben und keines wurde krank.“ Die überfluteten Äcker waren bereits vor der Überschwemmung abgeerntet, das lange stehende Wasser verzögerte aber den Herbstanbau. „Wir haben immense Mengen Müll auf den Feldern gefunden – eine zusätzliche Herausforderung.“
Bis Weihnachten bei Freunden gewohnt
Erst drei Monate nach der Katastrophe sind die Hagls wieder in ihr Haus zurückgezogen.
Bis dahin musste der ebenerdige Stock komplett saniert werden. Mithilfe von Freunden sortierten sie alles aus. „Wir hatten einen großen Lkw-Container im Hof stehen, wo wir alles hineingeworfen haben, was wir nicht mehr verwenden konnten.“ Die Solidarität war laut der Bäuerin riesig. Jeder, der eine freie Hand hatte, sei zur Hilfe geeilt.
“Das einzig Gute an dieser Katastrophe war der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft
der Menschen.” –
eva hagl-lechner
Schritt für Schritt wurde so jeden Tag aufgeräumt. „Ich habe einfach nur funktioniert, denn ich war auf allen Längen überfordert.“ Auf eine dreiviertel Million Euro wird der Schaden bei den Hagls geschätzt. Auch wenn es finanzielle Unterstützung gab, deckt diese naturgemäß nicht den gesamten Verlust ab.

Die Solidarität war enorm
Bereits vor zwölf Jahren habe es erste Pläne für einen Hochwasserschutz in der Gemeinde gegeben. Diese seien jedoch nie umgesetzt worden. Nun soll im kommenden Jahr begonnen werden.

Das Hochwasser im vergangenen September hat nicht nur einen enormen Sachschaden hinterlassen, sondern auch psychische Spuren. Noch heute bekommt Eva Hagl-Lechner ein mulmiges Gefühl, wenn es zu regnen beginnt. Dennoch kann sie heute sagen: „Auch wenn wir damals vor dem Nichts standen, ging es weiter.“ Ebenso hat sich die Tullnerfelder Kammerobmann-Stellvertreterin weiterhin engagiert und sich für unterstützende Maßnahmen betroffener Bauern eingesetzt.
Trotz der prägenden Erlebnisse blickt Hagl-Lechner positiv in die Zukunft: „Das einzig Gute an dieser Katastrophe war der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft der Menschen. Ich bin stolz darauf, dass es dieses Miteinander noch gibt.“
- Bildquellen -
- Hochwasser Bauernhaus: Hagl-Lechner
- Backstube: Berger/BZ
- Schlamm Wohnung: Hagl-Lechner
- Wasserstand: Berger/BZ