Nette Begrüßung: Das Jungvieh weidet auf der Kammerköralm.

Zum Auftakt der Almserie 2022 haben wir mit Landesbäuerin Helga Brunschmid über ihre Liebe zur Alm und die Tiroler Almwirtschaft gesprochen.

Helga Brunschmid, Kirchdorf, ist 1963 geboren und aufgewachsen in Langkampfen, verheiratet, Mutter von drei Kindern. Sie war 24 Jahre Kirchdorfer Ortsbäuerin, 15 Jahre Gebietsbäuerin, 12 Jahre Bezirksbäuerin, 6 Jahre Landesbäuerin Stellvertreterin. Außerdem ist sie Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer und seit einem Jahr Tiroler Landesbäuerin. 

Sie haben als Kind viele Sommer auf der Alm verbracht. Verbinden Sie damit schöne Erinnerungen?

BRUNSCHMID: Für mich war die Almzeit die schönste Zeit im Jahr, obwohl meine fünf Geschwister und ich bei unseren Almaufenthalten viel arbeiten mussten. Aber das hat mir nichts ausgemacht. Wenn mein Vater rund um Pfingsten auf die Alm ging, um die Zäune zu flicken, war es für mich eine Strafe, wenn ich nicht mitfahren und mithelfen durfte. Abenteuer war auch immer dabei, denn unsere Alm droben am Jochberg konnte damals nur mit dem Rossfuhrwerk erreicht werden. Unsere Mutter ging selten auf die Alm, sie hatte auf dem Hof im Tal zu tun, unsere Betreuungsperson war die Sennerin Rosa, die neben dem Käsen auch immer ein wachsames Auge auf uns Kinder hatte und mit uns gemeinsam die tägliche Arbeit erledigte. Unter ihrer Aufsicht habe ich auch gelernt, die Kühe mit der Hand zu melken.

Welche Alm war das?

BRUNSCHMID: Das war die Achentalalm am Torsee, eine Eigenalm, meine Eltern hatten sie in den 1960er Jahren gekauft, weil eine Überschwemmung des Inn in Langkampfen auch unsere Wiesen zerstört hatte und wir auf der Suche nach Ersatzweiden für unsere Kühe waren.

Mittlerweile besitzen Sie ja selbst eine Alm?

BRUNSCHMID: Ja, mein Mann und ich haben Anteile an der Kammerköralm auf der Waidringer Steinplatte mitten im Skigebiet erworben, was für einen Nebenerwerbsbetrieb wie unserem ein Glückstreffer ist, weil sich hier die Liftgesellschaft und alle Mitglieder der Agrargemeinschaft gemeinsam um die Arbeiten kümmern. Wir müssen eigentlich nur auf unser Vieh schauen und je nach Anteilen „schichteln“. Wir treiben hier das Jungvieh auf, unsere Milchkühe werden auf der Ampferbodenalm von Kössen versorgt.

Quelle: Familie Brunschmid
Alpenblumengruß von Helga Brunschmid zum Auftakt der Almserie 2022.

Gibt es Ihrer Meinung nach zeitgemäße Almmodelle und solche, die heutzutage weniger gut funktionieren?

BRUNSCHMID: Bei uns im Unterland gibt es hauptsächlich Privatalmen und wir haben alle eine große Freude damit, aber einzig zur Gaudi betreibt man eine Alm ja nicht. Es ist ein enormer Aufwand und sollte auch wirtschaftlich sein. Am Beispiel unserer Alm denke ich mir manchmal: Wenn man mehr Arbeiten und Funktionen zusammenlegen würde, zum Beispiel einen gemeinsamen Hirten anstellen, wäre das für die einzelnen Almbauern sicher von Vorteil. Man könnte sich Kosten und Aufwand teilen.

 

Nimmt in Ihrer Funktion als Landesbäuerin die Almwirtschaft eine wichtige Rolle ein?

BRUNSCHMID: Sie ist eher ein kleineres  Teilgebiet der Arbeit. Aber wir „Tiroler Bäuerinnen“ sind natürlich beim Verein „Alm ohne Wolf“ und versuchen hier Bewusstseinsarbeit zu leisten. Der Wolf ist ja schon lang nicht mehr vom Aussterben bedroht. Aber gerade bei diesem Thema verspürt man eine große Ohnmacht und Frustration, denn es ist eine Katastrophe, dass Leute, die null Konsequenzen zu tragen haben, darüber bestimmen, welche Gesetze und Richtlinien herrschen – zum Schaden unserer Almtiere und Almbauern.

Könnte die Politik auch sonst noch mehr für den Erhalt der Almen tun?

BRUNSCHMID: Ich denke, Tirol ist gut aufgestellt, die Tiroler Landespolitik kümmert sich schon seit Jahrzehnten um Investitionen bei Gebäuden und Energieversorgung, auch die Prämie für Milchkühe ist wichtig. Auch in der neuen GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union), hat die Almwirtschaft einen besonderen Stellenwert. Was noch immer ein Problem ist, sind die Nutzungskonflikte zum Beispiel mit Wanderern oder 29Mountainbikern, diesbezüglich würden die Bauern oft mehr Verständnis und rechtliche Absicherung brauchen.

Gibt es etwas, das Ihnen bei der momentanen Entwicklung besondere Sorge bereitet?

BRUNSCHMID: Ja, es ist ein allgemeines landwirtschaftliches Thema, betrifft aber auch die Almprodukte: In Krisenzeiten mit großer Teuerung, wie wir sie zurzeit haben, sind die qualitätsvollen Lebensmittel, die unsere Bauern erzeugen, offenbar nicht mehr „leistbar“. Wir „Tiroler Bäuerinnen“ und die Landwirtschaftskammer haben viel Bewusstseinsarbeit und Entwicklung in hervorragende Bioprodukte gesteckt und jetzt greifen die Kunden wieder lieber zu Billigprodukten, die von weither herangekarrt werden und nicht aus der Region kommen. Es wäre doch sinnvoller, hin und wieder das Auto stehen zu lassen statt beim Wichtigsten zu sparen, was wir haben: hochwertige Lebensmittel!

- Bildquellen -

  • Image001: Familie Brunschmid
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AUTORIrene Prugger
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