Seit 2017 steht Strasser an der Spitze des Österreichischen Bauernbundes. Ende Mai wurde er mit 100 Prozent der Delegiertenstimmen im Amt bestätigt.

Bauernzeitung: Herr Strasser, kürzlich stellten Sie sich am Bundesbauernrat erfolgreich der Wiederwahl zum Präsidenten des Österreichischen Bauernbundes. Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden Sie künftig setzen?

Strasser: Nach dem Bundesbauernrat steht mein Auftrag für die nächsten vier Jahre fest, den ich motiviert annehme. Inhaltlich soll es zum einen weiter um das Zurückdrängen der Bürokratie und damit auch das Schaffen von mehr Planungssicherheit für die Bauern gehen. Das zweite große Projekt wird die Kommunikation sein. Wir kämpfen seit Jahren für das Image von uns Bauern und unseren Produkten. Diese Bemühungen tragen bereits erste Früchte. Wir werden besser verstanden und unsere Produkte werden mit mehr Begeisterung aus dem Regal genommen.

In Ihrer Einstandsrede in Wieselburg forderten Sie für die Leistungen der Bauernschaft „keinen Applaus“, sondern ein „solides Einkommen“. Ist ein solches derzeit gegeben?

Die Einkommensdiskussion muss man differenziert führen. Der Grüne Bericht liefert immer nur Durchschnittswerte. Klar ist, wir haben einiges an Aufholbedarf, insbesondere im Acker-, Obst und Gemüsebau gibt es Luft nach oben. Hier gilt es, die Initiative zu ergreifen, was die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln, aber auch die Stabilität von Lieferverträgen in der gesamten Wertschöpfungskette betrifft.

Um das Einkommen der Landwirte abzusichern, fokussiert Österreich mit dem AMA-Gütesiegel seit Jahren auf eine Qualitätsstrategie. Gibt es hier noch Potenzial?

Das AMA-Gütesiegel ist eine Vereinbarung der Wertschöpfungskette. Händler, Verarbeiter und Bauern sitzen gemeinsam am Verhandlungstisch. Der Job der Genossenschaften und Verbände ist es dann, aus diesem gemeinsamen Label auch mehr Wertschöpfung zu generieren. Bei Fleisch ist das gut gelungen. Bei den Ackerfrüchten liegt noch viel Arbeit vor uns. Die Wertschöpfungskette muss Hand in Hand auf österreichische Qualität setzen, um beim Konsumenten den einen oder anderen Euro mehr an Wertschöpfung zu lukrieren.

Nur wenn es gelingt, das Vertrauen der Bauern zu stärken, werden sie auch investieren.“

Ein Schritt hin zu mehr Qualität und höheren Standards war das Verbot des Vollspaltenbodens in der Schweinehaltung. In letzter Minute wurde eine Einigung betreffend Übergangsfrist erzielt. In Ihrem Sinne?

Das Ganze war eine extreme nervliche Anspannung, in erster Linie für die Bäuerinnen und Bauern, die nicht wussten, wie es ab 1. Juni weitergeht. Umso wichtiger war es mir als Leiter der Verhandlungen aus Bauernbund-Sicht, dass dieses Projekt gelingt. Jetzt haben wir wieder Rechtssicherheit und wir arbeiten an einem politischen Schulterschluss, dass dieses Regelwerk mindestens 20 Jahre hält. Nur wenn es gelingt, das Vertrauen der Bauern zu stärken, werden sie auch in neue Haltungsformen investieren, das muss allen klar sein.

Trotz Konsolidierungsbedarf spart Agrarminister Totschnig nicht bei Fördermitteln für die Landwirtschaft. Sind Sie mit den Budgetplänen zufrieden?

Auch die Landwirtschaft trägt zur Konsolidierung vom Budget bei, etwa beim Waldfonds oder bei der Aktion Energieautarker Bauernhof. Die gute Nachricht ist, bei Direktzahlungen, ÖPUL und auch der Ausgleichszulage wird nicht gespart. Die Zahlungen sind gesichert, inklusive der im Impulsprogramm festgelegten Zuschläge. Ein offenes Projekt für die Folgejahre ist der Agrardiesel. Die Zahlungen für heuer und die Vorjahre sind gesichert.

Aus interessenspolitischer Sicht wartet die EU in den kommenden Monaten wieder mit einigen Stolpersteinen auf. Welchen Standpunkt vertreten Sie hinsichtlich Zusammenführung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR)?

Es gibt in Europa immer große Begehrlichkeiten aus anderen Politikbereichen. Aber jeder Euro aus der EU zählt. Wir brauchen ein einheitliches und ausfinanziertes Agrarbudget, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den EU-Staaten zu vermeiden. 

Jeder Euro aus der Europäischen Union zählt.“

Und wie sieht es bei der Entwaldungsverordnung aus?

Die Entwaldungsverordnung ist aus heutiger Sicht absolut praxisuntauglich. Es ist absurd, dass ein Land wie Österreich, wo der Wald in der Fläche mehr wird, auch gezwungen ist, an diesem bürokratischen Monster teilzunehmen. Das lehne ich ab. Als Bauernbund suchen wir in Brüssel Partner, die unsere Ablehnung unterstützen. Im besten Fall gelingt es, die Verordnung als Ganzes zu verhindern, ansonsten aber muss sie auf ein vernünftiges Maß reduziert werden.

Für mediales Aufsehen sorgte die Risikoeinstufung nach Ländern. Kein einziger Staat in Südamerika hat demnach hohes Entwaldungsrisiko.

Das ist der Gipfel der Absurdität. Die eigentliche Frage ist, wo die wissenschaftliche Basis ist, die immer im Zentrum einer politischen Entscheidung stehen sollte.

Südamerika ist in der EU Dauerthema. Beim Handelspakt mit dem Mercosur scheiden sich ÖVP-intern die Geister. Bleibt das Nein des Bauernbundes?

Wir haben aus 2019 einen Beschluss aus dem österreichischen Parlament, der besagt, dass jeder Minister in Brüssel zu diesem Abkommen Nein sagen muss. Die Nachverhandlungen im vergangenen Jahr haben substanziell nichts verändert. Die unterschiedlichen Produktionsbedingungen bleiben weiter nicht berücksichtigt. Aus dem Grund bleibt das Nein ein Nein. Sollte es aber dennoch zu einem Beschluss für dieses Abkommen kommen, etwa weil sich auf EU-Ebene eine Mehrheit findet, dann werden Kompensationsmaßnahmen notwendig sein. Einerseits eine solide ausgestattete GAP und andererseits mehr Transparenz entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette. Letztendlich sollen Konsumenten frei entscheiden, ob sie ein Steak aus Österreich oder eines aus Südamerika auf dem Teller haben wollen.

Nicht aus den Augen verlieren darf die Landwirtschaft auch ihre Hausaufgaben in puncto Umweltschutz, etwa bei der Ammoniakreduktion.Werden die EU-Ziele erreicht?

Es ist gelungen, die nachträgliche, feste Abdeckung der Güllegruben zu verhindern. Möglich war das, weil Einsparungspotenziale genutzt wurden. Noch ist Österreich aber nicht am Ziel. Darum appelliere ich an die Bäuerinnen und Bauern, weiter in bodennahe Gülleausbringung zu investieren und die Leistungsabgeltungen über das ÖPUL abzuholen. Nur dann können die Reduktionsziele auf freiwilliger Basis erreicht werden.

Ein Prallteller-Verbot wie in Deutschland wird es nicht geben?

Ein solches Verbot schwebt nach wie vor wie ein Damoklesschwert über uns. Nämlich dann, wenn die Reduktionsmaßnahmen gesetzlich verordnet werden müssen. Dann sind auch Leistungsabgeltungen über die ÖPUL-Maßnahme Geschichte. Für den Bauernbund gehen Freiwilligkeit und Anreiz aber vor Zwang. Es müssen sich aber genug Betriebe finden, die diese Chance nützen.

Seit zwölf Jahren sind Sie auch Nationalratsabgeordneter. Wie hat sich der parlamentarische Diskurs in dieser Zeit verändert?

Seit 2020 ist der Ton im Parlament, wie auch in der gesamten Gesellschaft rauer geworden. Haupttreiber ist die FPÖ. Diese Sprache ist Gift, vor allem für junge Menschen. Die Basis demokratischer Prozesse ist ein Dialog auf Augenhöhe. Dem haben sich der Bauernbund und ich als Person verschrieben. Wie die Freiheitlichen kommunizieren, hinterlässt Spuren. Ihre Motive sind Rache und Vergeltung. Die Frage ist: Wem nützt es? Welchem Ehepaar, welcher Familie, welchem Dorf ist geholfen, wenn der Streit weiter vorangetrieben wird? Wir müssen die Menschen wieder zusammenführen, das ist unsere politische Verantwortung.

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  • Georg Strasser: Katharina Berger
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AUTORClemens Wieltsch
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