Der Kauf von Originalsaatgut ist die beste Abgeltung der Zuchtarbeit

Interview mit Michael Gohn, Obmann des Branchenverbands Saatgut Austria

Dr. Michael Gohn ist seit dem Jahr 2010 Obmann des Branchenverbands
Dr. Michael Gohn ist seit dem Jahr 2010 Obmann des Branchenverbands “Saatgut Austria”. Als Mitglied der European Seed Association (ESA) war Saatgut Austria im Oktober 2015 für drei Tage Gastgeber des Annual Meetings 2015 in Wien, bei dem europäische und internationale Pflanzenzüchter, Saatguthändler und Saatgutkaufleute zu Gast waren. ©BZ/Maad
Konkurrenz durch internationale Saatgutmultis, fehlende Nachbaueinnahmen, steigende Registrierungskosten – die heimische Pflanzenzucht kommt von mehreren Seiten in Bedrängnis. Michael Gohn, Obmann des Branchenverbands Saatgut Austria, nimmt im Gespräch mit der BauernZeitung zu diesen drängenden Fragen Stellung.

Bei Saatgut wird die Umsatzsteuer gröötenteils auf einem Satz von zehn Prozent bleiben – hat man da die Saatgutbranche deutlich aufatmen gehört?
Michael Gohn: Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes bei Saatgut auf 13 Prozent hätte vor allem für pauschalierte bäuerliche Betriebe eine Mehrbelastung bedeutet. Dazu kommt, dass wir mit Deutschland (7 %) und Italien (4 %) zwei Länder mit niedrigeren Steuersätzen in unmittelbarer Nachbarschaft haben. Hier hätte eine deutliche Zunahme von Saatgutimporten gedroht (Anm. für Einkäufe von in Summe bis zu 11.000 Euro gilt der USt.-Satz des Herkunftslandes). Erfreulich für uns ist, dass die Hauptkulturen bei zehn Prozent Umsatzsteuer bleiben. Für kleinere Sämereien, wie Samen von Zucker- und Futterrüben, Luzernen, Klee und Wiesengräsern gilt jedoch ein Steuersatz von 13 Prozent.

Aus Ihrer Sicht unerledigt ist weiterhin das Thema Nachbaugebühr. Ihre Forderung nach einem Entgelt im Fall der Aussaat eines Eigennachbaus ist aufrecht?

Gohn: Ja, diese Forderung ist aufrecht. Es geht ganz einfach darum, die Kosten im Züchtungsbereich abdecken zu können. Für EU-geschützte Sorten sind die gesetzlichen Grundlagen für eine Nachbaugebühr seit Jahrzehnten vorhanden. Zudem hat Österreich auch das internationale Sortenschutzabkommen (Upov) unterzeichnet. Tatsache ist, dass praktisch alle Nachbarländer eine Nachbaugebühr umgesetzt haben.

Wie könnte ein Modell für Österreich aussehen? Gohn: Wir wollen keine zusätzliche Bürokratie installieren. Wünschenswert ist zuvorderst, dass die Landwirte Original- bzw. Z-Saatgut einsetzen. Die beste Abgeltung der züchterischen Leistungen ist der Kauf von Originalsaatgut. Wie hoch ist der Einsatz von Originalsaatgut derzeit?
Gohn: Bei Weizen liegt der Original-Anteil relativ konstant zwischen 40 und 45 Prozent. Bei Sommergerste schwankt der Einsatz von Original-Saatgut stärker. Die durchschnittlich 30 Prozent können bei Einführung einer neuen Sorte auf 60 bis 70 Prozent steigen. Wintergerste liegt bei etwa 55 Prozent. Ebenso der Durum; hier lag der Bezug von Originalsaatgut, solange es die gekoppelte Qualitätsprämie gab, bei 90 Prozent. Sinnvoll wäre ein Anreizsystem, das den Saatgutbezug auch honoriert. Teilweise werden solche Modelle mit vertraglichem Hintergrund auch schon praktiziert.

Die Hybridzucht ist auf dem Vormarsch. Erledigt sich das Thema Nachbaugebühr damit nicht von selbst?
Gohn: Das Motiv für die Hybridzucht sind die damit erzielbaren deutlichen Ertragsfortschritte. Das gilt vor allem für Fremdbefruchter wie Mais oder Roggen. Bei Selbstbefruchtern wie Gerste oder Weizen sind die Ertragsfortschritte oder Eigenschaften wie eine verbesserte Toleranz von Trockenheit wesentlich schwieriger zu erreichen.

Weltweit tätige Saatgutmultis investieren enorme Geldbeträge in die Hybridzucht, beispielsweise bei Weizen. Können die heimischen Züchter da mithalten?
Gohn: Genau das ist der Grund, weshalb wir im Jahr 2000 gemeinsam mit der Saatbau Linz die Saatzucht Donau gegründet haben. Das Niveau, das unsere Züchtung jetzt hat, hätten wir als Einzelkämpfer nicht erreichen können. Unsere Stärke liegt in der genetischen Vielfalt. Wir haben jedes Jahr rund 11.000 Parzellen und werten jährlich etwa 500 Kreuzungen aus. Davon kommen etwa zwei bis drei Sorten zur Zulassung.

Stichwort Zulassung – sie kritisieren die hohen Kosten der Zulassung, hier herrscht Unzufriedenheit?
Gohn: Die Ages ist ein sehr gut geführtes Unternehmen, mit dem wir eine gute Gesprächsbasis haben. Allerdings haben wir bei der Sortenregistrierung durch den Tarif 2016 Kostensteigerungen je nach Position zwischen 20 und 60 Prozent zu tragen. Dieser Kostendruck könnte dazu führen, dass wir Sorten, die nicht in Österreich gezüchtet werden, mit einer EU-Zulassung in den Verkauf bringen. Die Sache ist noch offen, wir sind dazu mit der Ages im Gespräch.

Die heimische Pflanzenzucht ist international ausgerichtet. Bei Mais beispielsweise werden etwa zwei Drittel der Vermehrungen exportiert. Ist das Verbot der Gentechnik für die heimische Pflanzenzucht hier ein Hemmschuh?
Gohn: Der Einsatz gentechnisch veränderter Sorten ist in Europa begrenzt – bei Mais beispielsweise nur die Bt-Sorte MON810, die sich in Spanien auf etwa 100.000 ha gut bewährt und in deutlich kleinerem Umfang auch in Tschechien. In den übrigen EU-Ländern herrschen Anbauverbote. Damit können wir problemlos leben. Generell ist die Entwicklung transgener Sorten sehr aufwendig, das können sich nur die Groöen leisten. Wenn es erlaubt wäre, dann könnten wir als mittelständische Züchter Konstrukte zukaufen und in unsere Sorten einkreuzen, das wäre machbar. Nicht verzichten könnten wir auf gentechnische Untersuchungsverfahren, wie die markergestützte Selektion. Dabei wird aber kein fremdes Erbgut in die Pflanzen eingeschleust. Ein Hemmschuh für die Saatgutwirtschaft sind aber die Bestimmungen im Pflanzenschutz. Es geht hier um die Anwendung von Beizmitteln beispielsweise für den Export von Mais- oder Rapssaatgut in Drittstaaten. Während wir das Saatgut in Österreich nicht entsprechend aufbereiten dürfen, ist das in anderen EU-Ländern sehr wohl erlaubt. Hier wäre dringend zu harmonisieren.

Ist die im Getreidebau im Jahr 2014 ausgebrochene Gelbrostepidemie bewältigt?
Gohn: Wir haben in der Zucht auf die neuen Krankheitsrassen erfolgreich reagiert. Es stehen weiterhin Sorten mit guter Resistenz zur Verfügung. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, unter bestimmten regionalen Umweltverhältnissen zu selektionieren. Ich komme hier auch wieder auf den Eigennachbau zurück. Auf gesundes Saatgut ist hier besonderes Augenmerk zu legen. Insbesondere auch in Biobetrieben. Wichtig ist, das Saatgut prüfen zu lassen.

Saatgut Austria: Professionelle Saatgutproduktion

Dem Branchenverband “Saatgut Austria” gehören 25 Unternehmen aus Pflanzenzucht, Saatgutproduktion und Saatguthandel an. Die Vereinigung will Gesprächspartner für Politik und Behörden sowie für alle Interessensgruppen sein, um eine professionelle Saatgutproduktion in Österreich darzustellen. In Österreich wird jährlich Saatgut im Wert von rund 130 bis 140 Mio. Euro umgesetzt. Davon enfallten etwa 37 % auf Mais, 25 % auf Getreide, 21 % auf Futterpflanzen und Alternativen sowie jeweils etwa acht bis neun Prozent auf Kartoffeln und Zuckerrüben. In Österreich sind etwa 6000 Landwirte mit bis zu 38.000 Hektar in der Saatgutvermehrung tätig.

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